Parlamentskorrespondenz Nr. 254 vom 14.04.2010

Außenhandel und Menschenrechte

Wirtschaftsminister Mitterlehner im Ausschuss für Menschenrechte

Wien (PK) – Mit einer aktuellen Aussprache begann heute eine Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte. Ausschuss-Obfrau Abgeordnete Alev Korun (G) begrüßte dazu den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, Reinhold Mitterlehner; die Fragen an den Minister bezogen sich daher hauptsächlich auf die Zusammenhänge und Verknüpfungen von Handel und Menschenrechten. Im Anschluss an die aktuelle Aussprache wurden drei Anträge der Grünen in Verhandlung genommen.

Abgeordnete Judith Schwentner (G) erkundigte sich nach aktuellen Details bezüglich des türkischen Illisu-Staudammprojekts und nach einem ähnlichen Projekt in Brasilien. S-Abgeordnete Petra Bayr relevierte den Patentschutz von Medikamenten bzw. die Produktion von AIDS-Generika in Indien; fiele dieser aus, hätte ein hoher Prozentsatz von HIV-PatientInnen – vor allem in den Ländern des Südens - keinen Zugang zu den nötigen Medikamenten. Mehrere Abgeordnete sprachen die Wirtschaftsbeziehungen Österreichs zu China im Hinblick auf die Menschenrechte bzw. allgemein den Zusammenhang zwischen Menschenrechten und Wirtschaft (Gerhard Kurzmann, F, Gerald Grosz, B, Franz Kirchgatterer, S) an. G-Mandatar Albert Steinhauser erkundigte sich nach der Position des Ministers bezüglich der UN-Kinderrechtskonvention.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner nützte, ehe er auf die Fragen der Abgeordneten einging, die aktuelle Aussprache zu einer umfassenden Darstellung der österreichischen Außenhandelspolitik. Die Ausfuhr von Gütern erfolge ohne Beschränkungen, ausgenommen gegenüber Ländern, gegen die ein völkerrechtlich verbindliches Embargo vorliege. Für militärische Güter gebe es eine Genehmigungspflicht, die u.a. in der Dual-Use-Verordnung geregelt sei; diese Verordnung liste rund 1.000 Warenpositionen auf. Zusätzlich erfolge eine Beurteilung der Menschenrechtsituation im Abnehmerland durch das Außenministerium.

Bezüglich des Handels mit China betonte der Minister, dass Österreichs Politik im Einklang mit der EU und der Schweiz erfolge; in Österreich bestehe gegenüber China zudem ein Waffenexportverbot. Das Illisu-Projekt werde vom Verbund nicht verfolgt. Für das angesprochene Projekt in Brasilien gebe es keinen Projektantrag. Der Minister bedauerte, dass die Wirtschaftskrise im letzten Jahr zu einem deutlichen Rückgang bei den Haftungen – auf 5,1 Mrd. € - geführt habe. Bezüglich Regelungen im Handel durch die WTO gebe es Widerstand einiger Staaten; die EU verfolge daher eine Politik eines allgemeinen Präferenzsystems bei Zöllen bzw. von Freihandelsabkommen. Das von Abgeordneter Bayr angesprochene Problem bei Generika sei von Indien bisher nicht vorgebracht worden. Die Verabschiedung der Kinderrechte werde von der Opposition blockiert.

Abgeordnete und Ausschuss-Obfrau Alev Korun (G) erkundigte sich nach Zahlen bezüglich der Praxis bei der Handhabung der so genannten Dual-Use-Verordnung. Außerdem sprach sie Berichte über die Verwendung von österreichischen Löschfahrzeugen im Einsatz gegen DemonstrantInnen – und zwar unter Einsatz von heißem Wasser – an. BZÖ-Abgeordneter Gerald Grosz fragte nach Initiativen gegen die steigende Bettlerkriminalität und damit verbundenem Menschenhandel. Abgeordneter Steinhauser betonte im Zusammenhang mit der Kinderrechts-Konvention, dass die Blockade durch die Opposition Ende März beendet worden sei. Mit Nachdruck trat er für eine umfassende Umsetzung der Konvention, d.h. ohne Herausnahme einzelner Themenbereiche, ein.

Bundesminister Mitterlehner kündigte an, detaillierte Zahlen zur Dual-Use-Verordnung schriftlich nachzureichen. In der Frage der Bettelei verwies er auf die Zuständigkeit der Länder. Eine eventuelle bundesweite Regelung sei höchstens nach genauer Erhebung des Sachverhalts zu erwägen.

Koalition macht sich G-Antrag in abgeschwächter Form zu eigen

Durch eine Novelle des Außenhandelsgesetzes soll, geht es nach einem Entschließungsantrag der Grünen, die Kontrolle des Waffenhandels verbessert werden. So soll durch Endverbraucherzertifikate ein wirksames System der Endverbraucherkontrolle verankert werden. Die Endverbraucher sollen darüber hinaus stichprobenartige Vor-Ort-Kontrollen zulassen. Außerdem sollen auch Randfeuerwaffen bewilligungspflichtig gemacht werden.

Abgeordnete Alev Korun (G) wies darauf hin, dass Österreich einer von 8 Top-Exporteuren von Kleinwaffen weltweit ist. Den Exportvorgängen mangle es aber an Transparenz. Die Grünen fordern daher eine Verbesserung der Rechtslage.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) brachte einen Abänderungsantrag der Koalitionsparteien ein, welcher darauf abzielt, den Antrag – wie er sagte – "praktikabel" zu machen. Eine Vor-Ort-Kontrolle würde Souveränitätsrechte anderer Staaten berühren und sei undurchführbar.

Darauf bezugnehmend wollte Abgeordnete Alev Korun (G) wissen, wie man zusätzliche Kontrollen sicherstellen wolle, wenn man den Exporteuren keine verpflichtende Übermittlung von Seriennummern vorschreibe. Für die USA und für Schweden sei außerdem die Möglichkeit stichprobenartiger Kontrollen praktikabel, dies sei eine Frage der entsprechenden Vertragsabschlüsse der Firmen und betreffe die staatliche Souveränität nicht. 

Auch Abgeordneter Werner Herbert (F) bezweifelte, dass der G-Antrag umsetzbar sei. Das eigentlich Problem liege beim unberechtigten Waffenbesitz, und diesem werde nicht entgegengetreten, meinte er und kündigte die Ablehnung der Antrags durch seine Fraktion an.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner verwies auf EU-Standards als Basis der Vorschriften zur Zertifizierung von Waffenexporten. Die Forderung der Grünen nach Vor-Ort-Kontrollen sei aufgrund der Kosten nicht durchführbar, der Antrag der Koalition sei den realen Gegebenheiten besser angepasst.

Der Antrag wurde in der Fassung des Abänderungstrags mit S-V-B-Mehrheit angenommen.

G-Antrag für Schaffung eines CSR-Gütesiegels vertagt

Corporate Social Responsibility (CSR) ist die freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen, über gesetzliche Mindeststandards hinaus soziale, ökonomische und ökologisch nachhaltige, menschenrechtskonforme und diskriminierungsfreie Aktivitäten und Maßnahmen in der Führung von Unternehmen zu gewährleisten. Mit einem Entschließungsantrag fordern die Grünen die Regierung zur Bildung einer interministeriellen Arbeitsgruppe auf, die entsprechende Kriterien definiert und deren Ziel die Schaffung eines entsprechenden Gütesiegels bis zum Jahr 2012 sein soll.

Abgeordnete Judith Schwentner (G) meinte, ein Gütesiegel mit einem allgemein verbindlichen Kriterienkatalog würde vor allem jenen Unternehmen zugutekommen, die weniger Marketingbudget zur Verfügung haben.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) zeigte Verständnis für das Anliegen der Grünen, befürchtete aber, die von ihnen vorgeschlagene Regelung werde für Klein- und Mittelbetriebe sehr schwer zu handhaben sein. Sie stellte daher einen Vertagungsantrag, um weitere Fragen berücksichtigen zu können.

Ihr Fraktionskollege Franz Riepl (S) schloss sich dieser Meinung an und führte an, es sei beispielsweise unklar, ob ein solches Gütesiegel einer Befristung unterliegen solle.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner verwies darauf, CSR sei ein Konzept, das auf freiwilliger Basis umgesetzt werden solle. Der Antrag der Grünen gehe aber darüber hinaus, da er verbindliche Vorschriften fordere. Er sei noch mangelhaft und zu sperrig.

Abgeordnete Judith Schwentner (G) wies darauf hin, dass es darum gehe, jenen Unternehmen, die sich in ihrer Geschäftspraxis freiwillig auf CSR-Richtlinien verpflichten, sich an einem allgemein verbindlichen Kriterienkatalog zu messen.

Der Antrag wurde mit S-V-Mehrheit vertagt.

G-Antrag über menschenrechtliches Wirtschaften vertagt 

Mit einem Entschließungsantrag fordern die Grünen von der Bundesregierung ein Bekenntnis dazu, ihr Wirtschaftsgebaren an der Vereinbarkeit von Menschenrechten und Wirtschaft auszurichten. Die Einhaltung menschenrechtlicher Standards soll zu einem maßgeblichen Kriterium der wirtschaftlichen Entscheidungen und der Beschaffungsaufträge gemacht werden.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) meinte, es müsste im Grunde eine Selbstverständlichkeit sein, menschenrechtliche Standards zu einem Kriterium wirtschaftlicher Entscheidungen zu machen. Der Antrag sei in diesem Sinne bewusst weich formuliert, um allen Fraktionen die Möglichkeit zu geben, sich ihm anzuschließen.

Abgeordneter Franz Glaser (V) sah vor allem in Schwellenländern Tendenzen, wirtschaftliche Vorteile auf Kosten der Menschenrechte erzielen zu wollen. Österreich könne hier durch eine innerstaatliche Regelung nur wenig bewirken, dazu müssten internationale Abkommen getroffen werden.

Abgeordnete Alev Korun (G) erwiderte Abgeordnetem Glaser, Österreich habe sehr wohl im Außenhandel bedeutendes wirtschaftliches Gewicht und müsse sich daher zu seiner Verantwortung bekennen, dieses in Menschenrechtsfragen auch zum Tragen zu bringen.

Abgeordnete Petra Bayr (S) erkannte im Antrag der Grünen gute Ansätze, diese müssten aber noch weiter entwickelt werden. Sie empfahl daher die Vertagung.

Abgeordneter Werner Herbert (F) konnte dem Antrag inhaltlich zwar wenig abgewinnen, kritisierte aber die Vertagung. 

Der Antrag wurde mit S-V-Mehrheit vertagt. (Schluss)


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