Parlamentskorrespondenz Nr. 879 vom 04.10.2011

Familienausschuss votiert für Ausbau des Kinderbetreuungsangebots

Anträge der Opposition zum Großteil vertagt

Wien (PK) – Mit Stimmeneinhelligkeit nahm der Familienausschuss des Nationalrats heute Nachmittag die neue 15a-Vereinbarung zum Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots an. Darin bekennen sich Bund und Länder zum Barcelona-Ziel der Europäischen Union, das auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf abstellt. Da das Angebot an Kinderbetreuungsplätzen für Unter-Drei-Jährige diesen Vorgaben noch immer nicht entspricht, verpflichten sich die Bundesländer nunmehr zu einem weiteren Ausbau. Der Bund stellt für die teilweise Abdeckung des dadurch anfallenden finanziellen Mehraufwands entsprechende Mittel bereit: 2011 beläuft sich der diesbezügliche Zweckzuschuss auf 10 Mio. €, für die Jahre 2012, 2013 und 2014 sind Zuschüsse in Höhe von jeweils 15 Mio. € vorgesehen. Den Hauptanteil der Kosten für den Betrieb der zusätzlichen Kinderbetreuungsplätze tragen Länder und Gemeinden. Den Ausbau des Angebots müssen sie zu gleichen Teilen wie der Bund kofinanzieren.

Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Betreuungsquote der Unter-Drei-Jährigen, die im Kindergartenjahr 2010/11 (unter Einbeziehung der Betreuung durch Tagesmütter und -väter) bei 19 % lag, bis 2014 auf rund 28 % heben, womit man sich dem Barcelona-Ziel von 33 % annähert. Daher können von Seiten der Länder auch nur maximal 25 % des Zweckzuschusses des Bundes für den Ausbau des Kinderbetreuungsangebots für Drei- bis Sechsjährige, aber 100 % für die Ausweitung des Angebots für Unter-Drei-Jährige verwendet werden. Unterstützung sollen außerdem Kinderbetreuungseinrichtungen mit erweiterten Jahresöffnungszeiten finden: Setzt eine Betreuungseinrichtung diesbezügliche Schritte, ist eine Förderung zur Abfederung der erhöhten Personalkosten möglich. Ab dem Kindergartenjahr 2013/2014 sollen schließlich nur noch Betreuungsplätze gefördert werden, die zumindest 47 Wochen jährlich geöffnet halten.

In besonderem Maße unterstützen möchte man im Zuge dieser Offensive  auch Tagesmütter und –väter. Das jeweilige Bundesland kann den Zweckzuschuss des Bundes deshalb auch für Investitionen zur Neuschaffung derartiger Betreuungsangebote nutzen: Von Seiten des Bundes werden 750 € für jede/n zusätzlich beschäftigte/n Tagesmutter/-vater gewährt. Mit der gleichen Summe unterstützt man außerdem die Teilnahme an Lehrgängen, die nach den landesinternen Bestimmungen durchgeführt werden. Absolviert der/die Interessent/in einen Ausbildungsgang, der vom BMWFJ mit dem Gütesiegel "Ausbildungslehrgang für Tagesmütter und –väter" ausgezeichnet wurde, gewährt der Bund sogar einen Zuschuss in Höhe von 1.000 €.

Keine Mehrheit fand hingegen der Antrag des BZÖ, der nicht nur auf die Weiterführung der 15a-Vereinbarung, sondern auch auf die Schaffung eines Bildungsplans mit Fokus auf früher sprachlicher Förderung drängt (1237/A[E]). Ebenso erging es dem Entschließungsantrag von G-Mandatarin Daniela Musiol, in dem die Antragstellerin die Festschreibung bundeseinheitlicher Qualitätsstandards in der Kinderbetreuung (1647/A[E]) einfordert.

Der wiederaufgenommene Antrag der Grünen betreffend bundeseinheitliches Grundsatzgesetz für Kinderbetreuung (598/A[E]) wurde erneut vertagt.

Lob und Kritik für die 15a-Vereinbarung

Familienminister Reinhold Mitterlehner informierte die Abgeordneten über das Zustandekommen der vorliegenden 15a-Vereinbarung, die die unmittelbare Anschlussfinanzierung für den begonnen Ausbau der Kinderbetreuung sicherstelle. Was die vorgesehene Ausweitung der Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen anbelange, hätten, wie der Minister ausführte, zunächst acht der neun Bundesländer unter Hinweis auf erhöhten Personaldruck ablehnend reagiert. Im Zuge von Verhandlungen sei jedoch die Einigung auf einen Stufenplan gelungen. Die Umsetzung der angestrebten Qualitätsstandards könne zwar nicht mit Rechtsmitteln durchgesetzt werden, räumte Mitterlehner ein, doch sei man sicher, dass die Bundesländer die entsprechenden Maßnahmen setzten. Mit der Fortschreibung der Vereinbarung sei damit zwar noch nicht alles, was man in diesem Bereich anstrebe, erreicht worden, doch habe man eine seriöse Grundlage schaffen können, die es ermögliche, Beruf und Familie besser in Einklang zu bringen, stand für Mitterlehner fest – eine Auffassung, der sich auch die Abgeordneten Anna Höllerer und Christine Marek (beide V) sowie Gabriele Binder-Maier, Franz Riepl und Angela Lueger (alle S) anschlossen.

Was die sprachliche Frühförderung anbelange, habe man sie bewusst nicht in die gegenständliche 15a-Vereinbarung hereingenommen, um einer "Verwässerung" vorzubeugen, erläuterte der Bundesminister. Zur Bereitstellung der für die Sprachförderung notwendigen Mittel brauche es eine eigene Initiative, die der Abstimmung mit Unterrichtsminister Schmied und Integrationsstaatssekretär Kurz bedürfe, zeigte er sich überzeugt.

Die Förderung von Tageseltern als ergänzender Komponente im System der Kinderbetreuung hielt der Familienminister für einen wichtigen Schritt: Hier werde aber nicht nur auf Quantität, sondern vor allem auch auf Qualität gesetzt, konstatierte er. Zur diesbezüglichen Förderung äußerten sich VertreterInnen aller Fraktionen positiv: Schließlich wären die familienähnlichen Strukturen vor allem zur Betreuung von Kleinkindern gut geeignet, zeigten sich F-Mandatarin Carmen Gartelgruber und B-Abgeordnete Ursula Haubner überzeugt.

Obgleich die Freiheitliche Fraktion der 15a-Vereinbarung vor dem Hintergrund einiger positiver Aspekte zustimme, übe man Kritik an der grundsätzlichen Herangehensweise an das Thema, erklärte Abgeordnete Heidemarie Unterreiner (F). Schließlich orientiere man sich hier vielmehr am EU-Diktat des Barcelona-Ziels als am Wohle der österreichischen Familien. Wie Umfragen zeigten, wollten Eltern ganz kleiner Kinder diese nämlich nicht fremdbetreuen lassen. Mit dem angestrebten Betreuungsziel von 33 % der Unter-Drei-Jährigen werte man außerdem den Beruf der Hausfrau und Mutter ab, zeigte sich die Abgeordnete überzeugt. Ihre Fraktionskollegin Carmen Gartelgruber verwies in diesem Zusammenhang außerdem auf Studien, die Entwicklungsstörungen – verursacht durch zu frühe Übergabe des Kindes in die Obhut anderer – belegten, und forderte vor diesem Hintergrund echte Wahlfreiheit für Mütter.

Gänzlich anders gestaltete sich die Kritik der Grünen an der vorliegenden Vereinbarung: Sie hielten ihre Zielrichtung zwar für richtig, die Maßnahmen aber für zu wenig weitreichend. Schließlich gehe es, so G-Mandatarin Daniela Musiol, um nicht weniger als um gleiche Bildungschancen für alle Kinder. Für sie und ihre Fraktionskollegin Judith Schwentner, die vor allem auch auf die unverhältnismäßig geringe Entlohnung von KindergartenpädagogInnen zu sprechen kam, stand deshalb außer Frage, dass Qualitätsstandards in der Kinderbetreuung verpflichtend vorgeschrieben werden müssen. Was die sprachliche Frühförderung anbelange, sei außerdem nicht einzusehen, warum man die diesbezügliche Initiative nicht parallel zur gegenständlichen 15a-Vereinbarung auf den Weg gebracht habe. Nun verstreiche wieder wertvolle Zeit, kritisierte Musiol, die in diesem Punkt Unterstützung von B-Mandatarin Ursula Haubner erhielt: Hier werde die Lösung eines wesentlichen Problems unnötig hinausgezögert, zeigte sich die BZÖ-Familiensprecherin überzeugt.

V-Mandatarin Christine Marek, S-Abgeordneter Franz Riepl und Bundesminister Reinhold Mitterlehner nahmen in ihren Wortmeldungen vor allem auf die seitens der FPÖ geäußerten Kritik Rekurs und betonten, niemand werde zur Annahme eines Betreuungsangebots gezwungen. Mit der vorliegenden Vereinbarung schaffe man im Gegenteil die Basis für echte Entscheidungs- und Wahlfreiheit.

Regierungsfraktionen vertagen Oppositionsanträge

Die Anträge von FPÖ und BZÖ, die sich der Themen Schwangerschaftsabbruch, Jugendhilfe und Früh-Väterkarenz annehmen, wurden mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt. Der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Pflegefreistellung, in dem sich G-Mandatarin Daniela Musiol für das Abrücken vom Erfordernis des gemeinsamen Haushalts ausspricht (1524/A[E]), wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen dem Sozialausschuss zugewiesen.

Die Entschließungsanträge (167/A[E] und 168/A[E]), in denen sich die Freiheitliche Fraktion für die statistische Erfassung der jährlich in Österreich durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche und die Schaffung öffentlich finanzierter Einrichtungen zur finanziellen Unterstützung werdender Mütter, die trotz Notlage ihre Schwangerschaft fortsetzen möchten, ausspricht, trafen bei SPÖ und Grünen auf wenig Gegenliebe. G-Mandatarin Judith Schwentner sprach in diesem Zusammenhang sogar von einer "Entmündigung" von Frauen, die eine solche Entscheidung ohnehin nicht leichtfertig treffen würden. Abgeordnete Andrea Kuntzl hielt es überdies für unangebracht, Schwangere, die sich in einer schwierigen Situation befänden, mit weiteren Hürden zu konfrontieren. Der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch müsse schließlich niederschwellig bleiben. Auch ihre Fraktionskollegin Gabriele Binder-Maier konnte den Anträgen der Freiheitlichen nichts abgewinnen: Schließlich belegten Studien, dass die Entscheidung für eine Abtreibung nicht aus "Jux und Tollerei" gefällt werde.

V-Mandatarin Christine Marek wollte über die Verbesserung des bestehenden Beratungsangebots und die Einführung einer derartigen Statistik noch weiter diskutieren und stellte daher einen Antrag auf Vertagung.

Das BZÖ signalisierte seine uneingeschränkte Zustimmung zu den Forderungen der Freiheitlichen. B-Abgeordnete Martina Schenk hielt in diesem Zusammenhang fest, dass der Schutz des menschlichen Lebens ihrer Fraktion besonders am Herzen liege. Einmal mehr forderte das BZÖ außerdem die Vorlage eines Gesetzesentwurfs zum Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz (1406/A[E]). B-Mandatarin Ursula Haubner erkundigte sich in diesem Zusammenhang nach dem Stand der Verhandlungen mit den Bundesländern und votierte gegen eine "Verwässerung" der diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen. Abgeordnete Angela Lueger (S) hielt die Umsetzung des Vier-Augen-Prinzips und die Etablierung bundesweiter Qualitätsstandards für notwendig und richtig. Da die Verhandlungen mit den Ländern aber noch liefen, stellte sie einen Antrag auf Vertagung.

Ein weiterer Antrag des BZÖ betreffend Einführung eines "freiwilligen Vatermonats" im Sinne der Einräumung eines Anspruchs auf Parallelbezug des Kinderbetreuungsgeldes für den Vater während des Wochengeldbezugs der Mutter für maximal einen Monat innerhalb der ersten beiden Monate nach Geburt des Kindes (1503/A[E]) wurde von F-Mandatar Christian Höbart und G-Abgeordneter Daniela Musiol grundsätzlich begrüßt. V-Mandatar Nikolaus Prinz stellte angesichts der zu diesem Thema im Sozialministerium tagenden Arbeitsgruppe allerdings einen Antrag auf Vertagung. (Schluss)