Parlamentskorrespondenz Nr. 187 vom 14.03.2012

Bodenabfertigung auf Flughäfen - beachten EU-Pläne soziale Dimension?

EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert EU-Datenschutz

Wien (PK) – Massive Bedenken äußerten die Mitglieder des EU-Ausschusses des Bundesrats in der heutigen Sitzung auch zum vorliegenden Verordnungsvorschlag über Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen der Union. In Österreich wäre in erster Linie der Flughafen Wien Schwechat davon betroffen.

Die EU-Kommission will die Bodenabfertigung künftig im Rahmen einer Verordnung regeln, da die derzeitige Richtlinie in den Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Verfahren geführt hat. Mit dem Instrument der Verordnung soll eine harmonisierte Vorgangsweise in den einzelnen Ländern sichergestellt werden. Der Vorschlag enthält auch Regelungen in Bezug auf die Aus- und Fortbildung sowie die Übernahme von Personal und Qualitätskriterien für die Erbringer der Bodenabfertigungsdienste selbst. Die national erteilten Zulassungen sollen künftig gegenseitig anerkannt werden, erbringt der Flughafen selbst Bodenabfertigungsdienste, hat er diese künftig in einer gesonderten rechtlichen Einheit zu erbringen (das gilt für Flughäfen mit zumindest 2 Millionen Passagieren oder 50.000t Fracht jährlich). Das Ausschreibungsverfahren zur Auswahl der Dienstleister wird detaillierter geregelt. Der Flughafen bekommt im Hinblick auf den Einheitlichen Europäischen Luftraum Koordinierungsaufgaben mit dem Ziel übertragen, eine optimale Abwicklung ohne Zeitverluste gewährleisten zu können.

Österreich befürchtet, dass die vorgesehenen Liberalisierungsschritte zum Nachteil der Qualität und auf Kosten der ArbeitnehmerInnen gehen, was sich schlussendlich auch auf die Sicherheit des Luftverkehrs selbst auswirken kann. Das BMVIT drängt daher darauf, dass die im Vorschlag derzeit vorgesehenen Schutzmechanismen für ArbeitnehmerInnen erhalten bleiben und darüber hinaus noch klarer gefasst werden. Besonders kritisch wird in diesem Zusammenhang auch der Punkt im Vorschlag gesehen, nach dem die Zahl der Dienstleister im limitierten Bereich - das sind Vorfelddienste, Post- und Frachtabfertigung, Betankungsdienste und Gepäckabfertigung - von bisher zwei auf drei erhöht werden soll.

Die Bedenken wurden auch von der Arbeiterkammer bekräftigt. Die Bestimmungen seien diametral zum Ziel eines sozialen Europas, sagte die AK-Expertin. Je größer die Zahl der Anbieter sei, desto größer werde der Druck auf die ArbeitnehmerInnen. Es seien daher Dumpinglöhne zu befürchten sowie eine Qualitätsminderung der angebotenen Leistung. Die Expertin forderte daher eine Harmonisierung der sozialen Rahmenbedingungen. Im Verordnungsentwurf würden zwar Vergabekriterien genannt, aber kein einziges Sozialkriterium, bemerkte sie kritisch. Abgelehnt wurde von ihr auch die Tatsache, dass es den Mitgliedstaaten frei stehen soll, die Rechte der ArbeitnehmerInnen beim Betriebsübergang festzuschreiben und zu schützen.

Dieser kritischen Sichtweise schloss sich Bundesrat Stefan Schennach (S/W) an und wies auf die aktuellen Arbeitskämpfe im Bereich des Flugverkehrs aufgrund der Liberalisierung hin. Der Vorschlag der AK-Expertin, den Beruf eines geprüften Luftabfertigers einzurichten, wurde von ihm ausdrücklich begrüßt. Das wäre ein Quantensprung, sagte er. Auch Bundesrätin Ana Blatnik (S/K) unterstrich die Wichtigkeit sozialer Vorschriften, wobei man seitens des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie einräumte, man bemühe sich sehr um Präzisierungen, erhalte aber kaum Unterstützung von anderen Staaten.

Bundesrat und Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) schlug vor, das Flughafenpaket insgesamt zu diskutieren, besonders auch in Bezug auf die Lärmbelästigung, weshalb der Bundesrat Stellungnahmen dazu von den Bundesländern benötige. Die Vertreterin des Resorts informierte, die Aufhebung der bisherigen Richtlinie sei deshalb nötig, weil man Präzisierungen sowie eine Anpassung an neue Verhältnisse brauche. Die EU will bei der Bekämpfung des Fluglärms ein harmonisiertes Verfahren, man wolle den Fluglärm an der Quelle bekämpfen, wobei Betriebsbeschränkungen die kostengünstigste Variante seien.  Die Bewertungsmethode soll sich ihr zufolge nach internationalen Standards richten. Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) wies in diesem Zusammenhang auf die Stellungnahme des Deutschen Bundesrats zum Thema Fluglärm hin.

Datenschutz soll innerhalb der EU vollständig harmonisiert werden

Um die sensible Frage des Datenschutzes innerhalb der Union ging es bei den beiden letzten Tagesordnungspunkten des heutigen EU-Ausschusses des Bundesrats. Die derzeitige Regelung stammt aus dem Jahr 1995, seither haben sich die Rahmenbedingungen geändert, weshalb eine Modernisierung dringend geboten erscheint.

Die EU plant, den Bereich vollständig zu harmonisieren, da die Umsetzungsstandards und die Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich gestaltet ist. Deshalb soll die derzeitige Datenschutzrichtlinie durch eine Datenschutz-Grundverordnung ersetzt werden. Für den Bereich Justiz und Inneres hat die Kommission zeitgleich einen Vorschlag für eine Richtlinie "zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zweck der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr" vorgelegt, welche statt des jetzt gültigen Rahmenbeschlusses in Kraft treten soll.

Die Notwendigkeit, auf diesem Gebiet an die Entwicklung anzuschließen, wurde von allen anerkannt, das Vorhaben der EU wurde von den BundesrätInnen grundsätzlich positiv gesehen.

Seitens der Arbeiterkammer wurde jedoch zu einigen Detailbestimmungen Kritik geäußert. Als positiv bewerteten es die ExpertInnen, dass die ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen bei der Verwendung ihrer Daten erforderlich sein wird, dass man auch auf Facebook reagiere und US-Firmen miteinbeziehe. Sie begrüßten auch die Kompetenz zum Strafen sowie eine präzisere Dokumentationspflicht und die Installierung von Datenschutzbeauftragten in Betrieben. Als einen Wermutstropfen empfanden es die VertreterInnen der AK, dass bei Direktwerbung nur ein Widerspruchsrecht eingeräumt, aber kein Zustimmungsrecht verankert wird. Dem setzte Bundesrat Franz Perhab (V/St) entgegen, dass die Direktvermarkter in einer Stellungnahme die Befürchtung äußern, bei noch strengeren Bestimmungen würde die Direktvermarktung nicht mehr möglich sein. Im Entwurf seien viele Schutzbestimmungen für KonsumentInnen und ArbeitnehmerInnen enthalten. Er reagierte damit auch auf die Ausführungen der zweiten AK-Expertin, die vor allem die Passagen zur Datenschutzfolgeabschätzung kritisiert hatte und im Hinblick auf den betrieblichen Datenschutz "schwarz sah". Sie hielt auch die Zahl von 250 ArbeitnehmerInnen für die verpflichtende Installierung eines Datenschutzbeauftragten für zu hoch angesetzt. Die Verordnung sollte sicher stellen, so die Expertin, dass in bestehendes Arbeitsverfassungsrecht nicht eingegriffen wird.

Bundesrat Stefan Schennach (S/W) zeigte sich nach diesen kritischen Darstellungen etwas "ratlos" und meinte, die Vorlage, die er grundsätzlich begrüße, müsse man sich noch genauer anschauen. Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) unterstrich, der Datenschutz brauche eine europäische Sichtweise.

Das Bundeskanzleramt begrüßte die Vorhaben der Kommission, insbesondere bewertete dessen Vertreter die Sanktionsregime positiv. Die inhaltlichen Bedenken werden aber weitgehend geteilt. Der Experte des Kanzleramts ging mit Bundesrätin Susanne Neuwirth (S/S) konform, die gemeint hatte, die Entwürfe seien noch intensiver zu diskutieren, aber die inhaltlichen Bedenken könnten nicht mit einer etwaigen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips gleichgesetzt werden. Einen Verstoß gegen die Subsidiarität konnten beide nicht erkennen.

Die Vorschläge zum EU-Datenschutz

Der Vorschlag zur Datenschutz-Grundverordnung sieht trotz des in jedem Mitgliedstaat unmittelbar gültigen und anwendbaren Rechtsrahmens vor, dass in einigen explizit genannten Bereichen dennoch nationale Regelungen zulässig sein sollen bzw. sogar erforderlich sein werden. Dies betrifft etwa die Einrichtung und Organisation unabhängiger Datenschutzbehörden, Regelungen zur Zulässigkeit von "Profiling", mögliche Beschränkungen von Betroffenenrechten und Vorschriften für besondere Datenverarbeitungssituationen.

Die Neuerungen betreffen unter anderem die Beschränkung der Möglichkeit der Zustimmung von Kindern zur Datenverwendung vor Vollendung des 13. Lebensjahrs in Zusammenhang mit Diensten der Informationsgesellschaft, die Erweiterung der besonderen Kategorie von personenbezogenen Daten (sensible Daten), die allgemeine Pflicht von Auftraggebern zur Meldung von Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten an die Aufsichtsbehörden und die Betroffenen sowie die Einführung einer verpflichtenden Datenschutz-Folgenabschätzung bei risikobehafteten Datenverarbeitungen. Weiters ist ein Datenschutzbeauftragter für den öffentlichen Sektor sowie im privaten Sektor für Großunternehmen (ab einer Mitarbeiterzahl von 250 oder mehr) verpflichtend vorgesehen. Darüber hinaus soll die Unabhängigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden gestärkt und deren Befugnisse ausgebaut werden. Sie sollen auch die Kompetenz erhalten, in der Datenschutz-Grundverordnung grundgelegte Verwaltungsstrafen bei Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung zu verhängen.

Die Kommission schlägt auch vor, einen Europäischen Datenschutzausschuss, bestehend aus den Leitern der nationalen Aufsichtsbehörden und dem Europäischen Datenschutzbeauftragten, einzurichten.

Auch der Entwurf für die Bereiche Justiz und Inneres sieht eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs vor.

Derzeit ist beispielsweise nur die Datenverarbeitung bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten untereinander oder zwischen Mitgliedstaaten und EU-Informationssystemen erfasst. Demgegenüber soll sich der Anwendungsbereich in Zukunft auf jede Datenverarbeitung durch die zuständigen Behörden für Strafverfolgungs- und Verhütungszwecke erstrecken, es sei denn, dies geschieht im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des EU-Rechts fällt.

Es soll auch jene Klausel entfallen, wonach die Mitgliedstaaten im innerstaatlichen Recht ein strengeres Datenschutzniveau vorsehen dürfen. Zudem sieht der Entwurf eine stringentere Formulierung der Voraussetzungen der Zulässigkeit der Verwendung personenbezogener Daten vor, sowie die Pflicht zur Unterscheidung verschiedener Kategorien von betroffenen Personen (Verdächtige, Opfer, Beschuldigte, Verurteilte, etc.). Hinsichtlich der Kategorie von sensiblen Daten soll die Abgrenzung durch Einführung eines grundsätzlichen Verarbeitungsverbots strikter erfolgen.

Automatisierten Einzelentscheidungen und "Profiling" sind dann verboten, wenn dies mithilfe sensibler Daten geschieht, ansonsten soll das unter Vorbehalt angemessener Schutzgarantien erlaubt sein.

Der Entwurf sieht weiters exaktere Regelungen über die Dokumentationspflichten des Auftraggebers vor sowie eine allgemeine Pflicht von Auftraggebern, Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten an die Aufsichtsbehörden zu melden.

Der Datenschutzbeauftragte ist verpflichtend einzusetzen, auch soll es im Bereich Justiz und Inneres eine Anknüpfung an den Europäischen Datenschutzausschuss geben. (Schluss EU-Ausschuss Bundesrat)


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