Parlamentskorrespondenz Nr. 427 vom 24.05.2012

Bundesrat für regionale Produktbezeichnungen, gegen Plastiksackerln

Einstimmige Beschlüsse im EU-Ausschuss

Wien (PK) – Das erste Thema im heutigen EU-Ausschuss des Bundesrates bildete ein EU-Verordnungsentwurf zur Anpassung von Befugnissen der EU-Kommission bei der Änderung und Ergänzung von Lebensmittel-Richtlinien. Wie Experten des Gesundheitsministeriums (Brigitte Magistris und Ingrid Neuner) und des Außenministeriums (Andreas Kumin) ausführten, entsprechen die Anpassungen dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Die vorgesehenen "delegierten Rechtsakte" bei der Änderung oder Ergänzung technischer Merkmale seien nur bei "nicht wesentlichen Vorschriften" möglich. Verständnis für die in einer Stellungnahme des Niederösterreichischen Landtages ausgedrückte Auffassung, man sollte Änderungen des sachlichen, geografischen und zeitlichen Anwendungsbereichs in einer Richtlinie nicht der EU-Kommission überlassen, zeigte hingegen Daniela Nowotny, die Expertin des Landwirtschaftsministeriums, die auch die Sorge teilte, dass lokale Interessen bei Entscheidungen auf EU-Ebene nicht die gebührende Beachtung finden könnten. Vor diesem Hintergrund beschloss der EU-Ausschuss des Bundesrates auf Antrag von Bundesrat Edgar Mayer (V) und Stefan Schennach (S) einstimmig eine "Begründete Stellungnahme", in der das Vorhaben als mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar bezeichnet wurde.

In der Debatte erläuterte Brigitte Magistris (Gesundheitsministerium) die Vorlage und hielt fest, dass mit "delegierten Rechtsakten" nur "nicht wesentliche" Änderungen und Ergänzungen vorgenommen werden dürfen. "Komitologieverfahren" seien bei der EU Routine, sie sehe wenig Spielraum für eine Subsidiaritätsklage. Die vom Niederösterreichischen Landtag zum Ausdruck gebrachte Angst um Produktbezeichnungen, die auf lokalen Märkten zulässig sind, wie etwa die Bezeichnung "Marillenmarmelade", hielt die Expertin für unbegründet, diese Verkehrsbezeichnung wurde durch eine Richtlinienänderung für lokale Märkte und Wochenmärkte in Deutschland und Österreich durchgesetzt.

Andreas Kumin (BMAeiA) beschrieb das neue Gesetzgebungsverfahren im Detail und informierte darüber, dass künftig nationale Experten und Expertinnen des Europäischen Parlaments im Vorfeld der Entscheidung gehört werden. Nachträglich haben der  Rat und das Europäische Parlament die Möglichkeit, Einspruch gegen solche Entscheidungen der Kommission zu erheben.

Bundesrat Edgar Mayer (V/V) legte einen – letztlich einstimmig verabschiedeten - Antrag auf "Begründete Stellungnahme des Bundesrates" vor, weil das gegenständliche Vorhaben mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar sei. Die Möglichkeit delegierter Rechtsakte stehe in einem offenkundigen Spannungsverhältnis zur Subsidiaritätsprüfungsbefugnis nationaler Parlamente und sei daher restriktiv auszulegen, hielt Mayer gegenüber dem EU-Vorhaben fest. Der Bundesrat machte darauf aufmerksam, dass der Kommission die Befugnis zu delegierten Rechtsakten ohne konkrete Befristung und bestimmtes Ziel und Inhalt eingeräumt werden sollen. Lediglich der Gegenstand – technische Merkmale, Verkehrsbezeichnungen und Definitionen - werden genannt. Die Kommission erhalte damit nicht hinreichend determinierte Rechtsgestaltungsbefugnis in Bereichen, die in Durchführungsbefugnisse der Mitgliedsstaaten, etwa bei traditionellen und regionalen Produktbezeichnungen, substantiell eingreifen können. Sachverständige sollen bei der Vorbereitung dieser Rechtsakte zwar konsultiert werden, es sei aber nicht einmal festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten oder die nationalen Parlamente Sachverständige nominieren können. Damit werde, so der Obmann des EU-Ausschusses des Bundesrates, auch der Handlungsspielraum des Bundesrates berührt.

Bundesrat Martin Preineder (V/N) erinnerte an die schlechten Erfahrungen, die Niederösterreich in Produktbezeichnungsfragen mit der EU machen musste, und zeigte sich besorgt, dass die Vorlage womöglich die Vermarktungschancen der Erzeuger regionaler Produkte beeinträchtigen könnte. Preineder nannte als Beispiel "Steinfelder Erdäpfel".

Bundesrat Stefan Schennach (S/W) sah lokale und Wochenmärkte zwar nicht in Gefahr, registrierte aber gleichwohl das Spannungsverhältnis zwischen delegierten Rechtsakten und der Subsidiarität. "Die Identität Europas beginnt zu Hause und auch auf lokalen Märkten", formulierte Schennach, daher unterstütze er die begründete Stellungnahme, sagte der Bundesrat, dem es darum ging, "Brüssel zum Nachdenken zu bringen".  

Auch Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) schloss sich dem vorliegenden Antrag an und unterstrich die Bedeutung regionaler Produktbezeichnungen für eine lebendige Regionalität.

In einer weiteren Expertenrunde erklärten Brigitte Magistris und Ingrid Neuner (Gesundheitsministerium) den Bundesräten die Richtlinienänderung, mit der Österreich das Recht eingeräumt wurde, auf lokalen Märkten und Wochenmärkten Produkte mit der Bezeichnung "Marmelade" in Verkehr zu bringen. 

Andreas Kumin merkte an, dass mit delegierten Rechtsakten nur technische Merkmale geändert werden können, nicht aber Verkehrsbezeichnungen.

Bundesrat Johann Ertl (F/N) erfuhr von den Experten, dass Produkte mit zulässigen lokalen Bezeichnungen überall auf dem Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden können, wenn sie der Etikettierungs-Richtlinie entsprechen. In der Praxis bedeute dies, zusätzliche Etiketten in der jeweilige Landessprache anzubringen, führte Brigitte Neuner aus.

Einstimmig gegen Plastiksackerln

Ein Vorschlag zur Änderung der EU-Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle zielt auf eine weitere Harmonisierung bei der Definition von Verpackungen in den Mitgliedstaaten ab, um gleiche Ausgangsbedingungen für die Wirtschaftsteilnehmer auf dem Binnenmarkt zu schaffen. Vorgesehen sind zusätzliche Beispiele im Anhang der Richtlinie, die der leichteren Klärung der Frage dienen sollen, was eine Verpackung ist und was nicht.

Georg Fürnsinn (Landwirtschaftsministerium) leitete die Verhandlungen mit dem Hinweis darauf ein, dass diese Vorlage in der EU unmittelbar vor einer Entscheidung stehe, nachdem in den bisherigen Ratsarbeitskreisverhandlungen die notwendige qualifizierte Mehrheit nicht zustande gekommen sei.

Zur Absicht des Bundesrates, eine Mitteilung in Richtung Verbot von Plastiksackerln auszusprechen, wies Axel Steinsberg (WKO) darauf hin, in Österreich bestünden keinerlei Probleme bei der Sammlung und Verwertung von Plastiksackerln. Die Verpackungsrichtlinie hielt der Experte nicht für eine geeignete Grundlage, um zu einem Plastiksackerlverbot zu gelangen.

Bundesrat Stefan Schennach (S/W) hielt es demgegenüber für wichtig, den politischen Willen des Bundesrates für einen Verzicht auf Plastiksackerln zum Ausdruck zu bringen und dabei den Grundsatz der Abfallvermeidung zu betonten. Schennach wies auf die extremen Umweltbelastungen hin, die von Plastiksackerln ausgehen, und hielt es nicht für sinnvoll, solche Verpackungen unter hohem Energieverbrauch zu erzeugen, sie dann in der Landschaft zu deponieren, um sie schließlich einzusammeln und thermisch zu verwerten. Angesichts der Erkenntnisse, die der Film "Plastic Planet" deutlich macht, sei es hoch an der Zeit, das Thema Plastiksackerlverbot auch in der EU breit zu diskutieren. Das werde nun auch von Seiten des Bundesrates untermauert, sagte Schennach.

Auch Bundesrat Edgar Mayer (V/V) sprach von einer politischen Willensäußerung des Bundesrates. Die von Mayer und Schennach beantragte Mitteilung formulierte den Standpunkt des Bundesrates zur Vermeidung von Plastikmüll. Festgestellt wird, dass die EU diesbezüglich keine Maßnahmen getroffen habe, obwohl es in Italien bereits seit 2011 ein "Plastiktaschenverbot" gibt. Diese Verpackungen seien nur 30 Minuten in Gebrauch, ihr Abbau dauere hingegen bis zu 400 Jahre. Der Bundesrat bezeichnete es als eine sinnlose Verschwendung, Erdöl für die Erzeugung eines Wegwerfartikels zu verwenden, zu dem Alternativen bestehen. Die vom EU-Ausschuss des Bundesrats einstimmig verabschiedete Mitteilung enthält ausdrücklich auch den Hinweis auf eine gleichgerichtete Entschließung des Nationalrats vom 17. Mai 2011.

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) unterstützte die Mitteilung, sprach aber zudem die Befürchtung aus, dass die klarere Unterscheidung zwischen Verpackung und Nicht-Verpackung, auf die die Änderung der Verordnung abziele, in einigen Bereichen unlogisch sei und umweltschädliche Systeme bevorzuge. Kompostierbare wiederverwendbare und recyklierbare Produkte würden ihren Kostenvorteil verlieren, sagte Kerschbaum, die die Einordnung von Toner-Kartuschen, CD-Hüllen und Kaffepads als "Nicht-Abfälle" für nicht begründbar ansah. Die Experten Axel Steinsberg und Georg Fürnsinn sahen aber keine Möglichkeit, die Verpackungsrichtlinie im Sinne Kerschbaums zu ändern. (Schluss)


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