Parlamentskorrespondenz Nr. 105 vom 13.02.2013

Lopatka: Menschenrechte bei bilateralen Gesprächen stets obenan

Öffentlichkeit für Problem der Ausbeutung von Kindern sensibilisieren

Wien (PK) -  Der Bogen der Themen, die der Menschenrechtsausschuss in seiner heutigen Sitzung behandelte, reichte von der Situation der Minderheiten in den österreichischen Nachbarländern und der Türkei bis zur Frage der Sensibilisierung für das Problem des Kinderhandels. Eingeleitet wurde die Sitzung mit einer Aussprache über aktuelle Fragen mit Reinhold Lopatka, Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten. Schwerpunkt der Aussprache mit dem Staatssekretär war die Frage, was Österreich in seiner Außenpolitik für Menschenrechtsfragen, besonders für bedrohte Minderheiten, aber auch in der Frage von Gleichbehandlung von Frauen und in der Durchsetzung der Pressefreiheit unternehme.

Lopatka: Menschenrechte sind Schwerpunkt der Außenpolitik

Staatssekretär Reinhold Lopatka unterstrich, dass bei allen bilateralen Gesprächen der Punkt Menschenrechte ganz oben auf der Liste stehe. So meinte der Staatssekretär zur Situation im Nachbarland Ungarn, die von den Abgeordneten der SPÖ Ewald Sacher (S) und Josef Muchitsch kritisch angesprochen wurde, dass er die Probleme bei Treffen mit ungarischen Politikern stets direkt angesprochen habe. Im Außenministerium sei man sich der Lage sehr wohl bewusst. Ungarn sei jedoch in die Europäische Union eingebunden, über diese Schiene könne man vieles erreichen. So habe etwa in der Frage der Stellung der Staatsanwälte und Richter der EuGH klar entschieden, und er erwarte, dass Ungarn hier letztlich darauf reagieren müsse, wie es schon in anderen Fällen, etwa im Fall der Nationalbank, geschehen ist.

Österreich habe einen eindeutigen außenpolitischen Schwerpunkt auf den Menschenrechten und dem Schutz von Minderheiten, auch den verfolgten religiösen Minderheiten, die Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) angesprochen hatte. Er selbst habe viele Gespräche mit Vertretern Saudi Arabiens und Chinas geführt, wobei die Reaktion darauf nicht immer zufriedenstellend ausfalle. Oft versuche man, eine Missachtung von Menschenrechten mit kulturellen Unterschieden zu rechtfertigen. Österreich setze sich sowohl im Menschenrechtsrat der UNO wie auf EU-Ebene für religiöse Minderheiten ein. Es werde versucht, die Botschaften zu einer Art Frühwarnsystem für Menschenrechtsverstöße zu vernetzen.

Was die Situation in Nordafrika angehe, so habe Vizekanzler Spindelegger die Rechte religiöser Minderheiten bei Besuchen in Ägypten, aber auch im Irak, in Nigeria und in Saudi Arabien angesprochen. Die Lage der Frauen sei leider nach dem arabischen Frühling in fast allen Staaten besorgniserregend, er selbst sehe die Entwicklung leider pessimistisch, sagte Lopatka. Auch in Tunesien sei es nicht gelungen, die Gleichberechtigung der Geschlechter in die Verfassung aufzunehmen, erfuhr Abgeordnete Claudia Durchschlag (V). In Ägypten, dem Irak und anderen arabischen Ländern sei die EU aber einer der größten Geldgeber, und man bemühe sich, in diesem Rahmen auch Institutionen für Frauen zu unterstützen.

Die Bemühungen wahabitischer Gruppen, in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo Fuß zu fassen, die von Abgeordneter Heidemarie Unterreiner (F) angesprochen wurden, seien dem Außenministerium bekannt. Die dort errichteten Zentren seien aber weit kleiner, als manchmal kolportiert werde, und man spreche die Befürchtungen betreffend fundamentalistische Tätigkeit klar an, wie zuletzt bei Treffen mit Vertretern des Kosovo.

Gegenüber China bemühe sich das Außenamt um einen offenen Dialog, dieser sei aber nicht einfach. China reagiere auf alles, was mit Tibet zu tun habe, sehr vehement. Das Außenamt habe auch seine Haltung zur Pressefreiheit klar ausgedrückt, sagte Lopatka auf diesbezügliche Fragen von Abgeordneter Judith Schwentner (G). Eine Resolution zugunsten der Rechte von JournalistInnen im Menschenrechtsrat der UNO habe bemerkenswerter Weise auch China unterstützt. Letztlich lägen die besten Aussichten auf Erfolg in einer Unterstützung der EU, die mehr erreichen könne als ein einzelnes Land. Was Frauenrechte betreffe, sei die EU nicht immer auf eine gemeinsame Linie zu bringen, auch wenn dies das Ziel sein müsse.

Mali sei ein Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit der EU geworden, erfuhr Abgeordnete Renate Csörgits (S). Österreich habe darauf gedrängt, dass diese Zusammenarbeit auch stets klar mit Menschenrechtsfragen verbunden werden müsse. Zur Situation im Iran, welche die Abgeordnete Alev Korun (G) und Albert Steinhauser (G) angesprochen hatten, meinte Lopatka, es sei schwierig, hier Fortschritte zu erzielen. Kritik werde vom Iran stets mit Abbruch der Gespräche quittiert. Er habe aber bereits in zwei Gesprächen mit dem iranischen Botschafter auch Menschenrechtsfragen angesprochen. Er vertrete grundsätzlich die Meinung, dass man die lange bestehenden Beziehungen mit dem Iran weiter pflegen solle, sei sich aber auch der Schwierigkeiten mit diesem Land bewusst.

Was die europäische Haltung zur Hisbollah betreffe, die Abgeordneter Steinhauser als zu unentschieden kritisiert habe, so versuche die EU, hier zwischen dem militärischen Arm, den man als terroristisch einstufen könne, und dem politischen Arm, mit dem man reden könne, zu unterscheiden, erläuterte Lopatka. Dies sei vielleicht nicht unbedingt zufriedenstellend. Die Frage, ob eine Einstufung der gesamten Hisbollah als terroristische Organisation die Situation verbessern würde, sei jedoch schwierig zu beantworten. Zur Lage in Syrien, die von mehreren Abgeordneten angesprochen wurde, meinte Lopatka, es sei derzeit von Seiten Russlands keine Bewegung zu erwarten, denn man argumentiere dort, dass es keine Garantie gebe, dass der Sturz des Regimes die Situation für die Menschen verbessern werde. Die EU leiste viel für die Versorgung der Flüchtlinge, von denen Hunderttausende in verzweifelter Lage seien.

Die Frage von deutschsprachigen Minderheiten in Slowenien werde vom Außenamt immer wieder erörtert, bemerkte Staatssekretär Lopatka zu Abgeordnetem Josef Riemer (F). Bei Besuchen im Nachbarland treffe man sich immer auch mit Vertretern der Minderheitenvereine. Er wolle die Vereine ermuntern, sich zu einem Dachverband zusammenzuschließen, das würde auch Österreich die Unterstützung erleichtern. Zur deutschsprachigen Minderheit in Oberitalien, deren Probleme Abgeordneter Gerhard Huber (B) erwähnte hatte, meinte der Staatsekretär, bisher habe er sich mit dieser Frage noch nicht befassen können.

UPR-Empfehlungen sollen weiter umgesetzt werden

Einstimmig angenommen wurde ein Entschließungsantrag (1952/A(E)) der  Abgeordneten Franz Kirchgatterer (S) und Wolfgang Großruck (V), der an die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Rahmen der Universellen Staatenprüfung (Universal Periodic Review – UPR) im Jahr 2011 durchgeführte Prüfung der menschenrechtlichen Situation Österreichs erinnert. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, ihre Arbeit an der Umsetzung der angenommenen UPR-Empfehlungen unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft fortzusetzen.

Antrag unterstützt Rechte religiöser Minderheiten in der Türkei

In einem weiteren S-V-Entschließungsantrag (1953/A(E)) wurde, wie Abgeordnete Durchschlag (V) darlegte, auf die anhaltende Benachteiligung christlicher, jüdischer und anderer religiöser Minderheiten in der Türkei und insbesondere auf die akute Existenzbedrohung des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel hingewiesen. Die Bundesregierung solle sich für die genannten Minderheiten in der Türkei einzusetzen, die derzeit keine Rechtspersönlichkeit erwerben und deshalb viele Rechte nicht in Anspruch nehmen können. Der Rechtsstreit um die Enteignung von Grundbesitz des Klosters Mor Gabriel sei vor Gericht leider gegen dieses entschieden worden, berichtete Staatssekretär Lopatka. Von türkischer Seite gebe es aber Zusagen, dass man sich um eine politische Lösung bemühen werde.

Die Anregung von Abgeordneter Heidemarie Unterreiner (F), man solle in der Frage der Minderheiten mittels der Drohung eines Abbruchs der EU-Beitrittsverhandlungen Druck auf die Türkei aufbauen, beurteilte Lopatka skeptisch. De facto ruhten die Beitrittsverhandlungen, und das Interesse der Türkei an einem EU-Beitritt verringere sich, sie setze zunehmend auf andere Varianten. Es sei prinzipiell besser, wenn man Gespräche weiterführe, so seine Meinung. - Der Entschließungsantrag wurde ebenfalls einstimmig angenommen.

Individualbeschwerderecht soll auch nach Reform des EGMR bleiben

Einstimmig angenommen wurde vom Ausschuss weiters ein Entschließungsantrag zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (2007/A(E)). Die Abgeordneten Franz Kirchgatterer (S) und Franz Glaser (V) wiesen darauf hin, dass aufgrund des starken Rückstaus an Beschwerden eine Reform des Gerichtshof anstehe. Dabei dürfe aber auch künftig das Recht des Einzelnen auf eine richterliche Entscheidung des EGMR und die Unabhängigkeit des EGMR nicht in Frage gestellt werden. Auch Abgeordnete Judith Schwentner (G) meinte, es dürfe zu keiner Einschränkung des Individualbeschwerderechts durch neue Zugangsbeschränkungen oder neue Zulässigkeitsvoraussetzungen kommen. Auch die Abgeordneten Josef Riemer (F) und Gerhard Huber (B) schlossen sich der Entschließung an.

BZÖ: Bericht zur Aufarbeitung der Beneš-Dekrete ans Parlament

Abgeordneter Gerhard Huber (B) meinte, die weiter Geltung der Beneš-Dekrete in den Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei widerspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention. Er forderte vom Außenminister einen Bericht über die Arbeit einer zu den Dekreten 2009 eingesetzten Historikerkommission Österreichs mit Tschechien vorzulegen (2103/A(E) ). Eine Information der Abgeordneten über die Ergebnisse sei das Mindeste, was man hier tun könne. Eine Vertagung des Antrags und die Weigerung, sich mit dieser Frage zu befassen, käme einer Absage an die Menschenrechte gleich, meinte Huber. Unterstützung fand der Antrag durch Abgeordneten Josef Riemer (F). Es sei Zeit, endlich im 21. Jahrhundert anzukommen und nicht mehr an Bestimmungen der unmittelbaren Nachkriegszeit festzuhalten. Die Abgeordneten der Grünen Albert Steinhauser und Ausschussvorsitzende Alev Korun meinten, es sei im Sinne einer erwünschten sachlichen Befassung mit dem Thema durchaus von Interesse, was die österreichisch-tschechische Historikerkommission ergeben habe. Eine Vertagung des Antrags sei daher nicht zu begründen.

Die Abgeordneten Franz Glaser (V) und Ewald Sacher (S) meinten hingegen, der Antrag sei nicht schlüssig, denn er enthalte Forderungen gegenüber der Slowakei, die erwähnte Kommission sei aber nur mit Tschechien eingerichtet. Er sei daher zu vertagen. Staatssekretär Reinhold Lopatka ergänzte, er werde die nächste Gelegenheit bilateraler Gespräche nützen, um an Vertreter der slowakischen Regierung die Frage zu richten, ob eine gemeinsame slowakisch-österreichische Historikerkommission denkbar sei. - Der Antrag wurde mit S-V-Mehrheit vertagt.

BZÖ will stärkeren Druck auf Slowenien zur Geschichtsaufarbeitung

Neuerlich mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP wurde ein Antrag des BZÖ vertagt, der die Bundesregierung auffordert, auf Slowenien in Hinblick auf eine Aufarbeitung der Verbrechen wider die Menschlichkeit, die nach Ende des Zweiten Weltkrieg geschehen sind, einzuwirken (1073/A(E)). Der BZÖ-Abgeordnete Gerhard Huber meinte, diese Aufarbeitung der Geschehen sei man einer Generation von Vertriebenen schuldig, die nicht mehr lange unter uns sein werde. Auch Abgeordneter Josef Riemer (F) argumentierte, es gehe um die formale Anerkennung, dass Menschen Leid angetan worden sei, nicht um Vermögensforderungen. Abgeordneter Ewald Sacher (S) meinte, er stimme der Ansicht von Staatssekretär Lopatka zu, dass der Antrag mit seinen Formulierungen Slowenien unnötig brüskieren würde. Auch Abgeordneter Albert Steinhauser (G) war der Ansicht, man dürfe nicht ignorieren, dass Slowenien bereits viel zur Aufarbeitung der Massenmorde nach Kriegsende unternommen habe, der Antrag negiere das alles aber.

Mehr Öffentlichkeit für Maßnahmen gegen Sex-Handel mit Kindern

Der Ausschuss behandelte auch eine vom Unternehmen "The Body Shop" und der Kinderschutz-Organisation "ECPAT" initiierte Bürgerinitiative, die auf einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung abzielt (32/BI). In Zusammenhang damit brachte Abgeordnete Christine Marek (V) einen Entschließungsantrag im Ausschuss ein, der die Bundesregierung auffordert, dem Nationalrat die jeweiligen aktuellen Berichte der Task Force Menschenhandel zuzuleiten. Sensibilisierung und Schaffung von Öffentlichkeit seien wichtige Waffen im Kampf gegen diese Probleme, sagte Marek dazu. Sie verwies auf eine neue Broschüre des Familienministeriums, die Personen, die mit Opfern von Kinderhandel in Berührung kommen könnten, sensibilisieren und Hinweise für den Umgang mit diesem Problem bieten soll. Abgeordneter Bernhard VOCK (F) meinte, dem Antrag sei zwar prinzipiell zuzustimmen. Maßnahmen wie eine zusätzliche Hotline seien aber keine Lösung, es sollten vielmehr bestehende Hotlines zusammengefasst und ausreichend besetzt werden.

Ein Antrag von Abgeordneter Alev Korun (G) betreffend eine bessere Betreuung von Opfern von Kinderhandel (2204/A(E)) wurde hingegen mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt. Korun wies darauf hin, dass es derzeit nur in Wien eine Anlauf- und Betreuungsstelle spezifisch für die Betroffenen von Kinderhandel gebe, nicht aber in den Bundesländern. Abgeordnete Marek (V) meinte hingegen, es seien dazu bereits Gespräche im Familienministerium im Gange, welche auch die Bundesländer einbeziehen. Die Forderungen der Grünen seien damit abgedeckt. (Schluss) sox