Parlamentskorrespondenz Nr. 722 vom 18.09.2013

Demokratiepaket und Lehrerdienstrecht nicht mehr vor den Wahlen

Fristsetzungsanträge der Opposition blieben in der Minderheit

Wien (PK) – Das Demokratiepaket sowie das neue LehrerInnendienstrecht wird aller Voraussicht nach Aufgabe des neu gewählten Nationalrats sein. Entsprechende Versuche der Opposition, doch noch zu einem Beschluss vor den Wahlen zu kommen, erhielten in der heutigen Sondersitzung keine ausreichende Unterstützung.

Auslöser für die Diskussion über das so genannte Demokratiepaket, das von den Regierungsparteien vorgelegt worden war und insbesondere eine Aufwertung der Volksbegehren zum Ziel hat, war ein Fristsetzungsantrag des BZÖ. Abgeordneter Herbert Scheibner verlangte darin, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den erwähnten Antrag eine Frist bis zum 24. September 2013 zu setzen. Ein gleichlautendes Verlangen hat auch Abgeordnete Daniela Musiol seitens der Grünen, jedoch ohne Debatte, gestellt. Beide Initiativen wurden abgelehnt.

Der dem Verfassungsausschuss vorliegende Entwurf wurde Ende Juni 2013 einem Begutachtungsverfahren unterworfen. Erfolgreiche Volksbegehren sollen demnach künftig einer Volksbefragung unterzogen werden, wenn das Parlament den Forderungen nicht von sich aus Rechnung trägt. Voraussetzung dafür ist, dass die Initiative von mehr als 10 % der Wahlberechtigten – bzw. 15 % im Falle von Verfassungsgesetzen – unterstützt wurde und ein konkretes Gesetzesanliegen zum Inhalt hat. Unzulässig soll eine Befragung über Forderungen, die gegen geltendes EU-Recht, Völkerrecht oder gegen Grund- und Freiheitsrechte verstoßen, sein, außerdem müssen die InitiatorInnen bei einer drohenden erheblichen finanziellen Belastung des Bundes einen finanziellen Bedeckungsvorschlag unterbreiten. Vorgesehen ist darüber hinaus, die parlamentarische Behandlung von Volksbegehren generell aufzuwerten. Sowohl Volksbegehren als auch Bürgerinitiativen sollen dem Vorschlag zufolge elektronisch unterstützt werden können. Die eingelangten Stellungnahmen zum Demokratiepaket sind jedoch teilweise äußerst kritisch ausgefallen.

Seitens des BZÖ lag ein weiterer Fristsetzungsantrag vor, der ohne Debatte abgestimmt wurde. Klubobmann Josef Bucher hatte den Ministerialentwurf der Regierung zu einem neuen LehrerInnendienstrecht (Dienstrechts-Novelle 2013 – Pädagogischer Dienst) als Initiativantrag seiner Fraktion eingebracht. In der Begründung heißt es, der vorliegende Entwurf soll "getreu dem Motto 'besser der Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach', die ohnehin nicht in Sicht" sei, beschlossen werden. Auch dieser Vorstoß, das Dienstrecht noch vor dem Wahlgang zu beschließen, blieb bei der Abstimmung erfolglos.

Scheibner schlägt Zukunftskonvent vor

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) erinnerte in seiner Begründung für die Fristsetzung daran, dass die Regierungsparteien die Einführung verbesserter Instrumente der direkten Demokratie als ein wichtiges Projekt der noch laufenden Gesetzgebungsperiode bezeichnet haben. Man sei in den gut arbeitenden Arbeitsgruppen weit gekommen, Einfluss von außen, von Parteisekretariaten und Regierungsbüros, hätte aber dazu geführt, dass SPÖ und ÖVP darauf verzichtet haben, die repräsentative Demokratie noch vor der Wahl um Instrumente der direkten Demokratie zu ergänzen. Nur darum, nicht um den Ersatz der repräsentativen Demokratie durch die direkte Demokratie handle es sich bei dem Vorschlag der Opposition, ausreichend unterstützte Volksbegehren verpflichtender Volksbefragung zuzuführen, hielt Scheibner fest. Auch andere wichtige Projekte der Regierung, etwa die Verwaltungsreform oder eine Föderalismusreform zur Stärkung von Gemeinden und Bezirken seien nicht realisiert worden, klagte Scheibner und schlug vor, sich diesen Themen in der kommenden Gesetzgebungsperiode in Form eines Zukunftskonvents zu widmen. Das Demokratiepaket sollte laut Scheibner aber noch vor der Wahl beschlossen werden. 

Cap: Bedenken ernst nehmen

Der Primat der Politik, vor allem des Nationalrats müsse unbestritten bleiben, replizierte Klubobmann Josef CAP (S) auf seinen Vorredner und hob die Notwendigkeit hervor, bei wesentlichen Veränderungen mit den Bundesländern Konsens zu erzielen. Wir haben eine Konsensdemokratie, sagte er, Länder und Gemeinden stellen ein großes kulturelles Identitätsmerkmal dar. Was das Demokratiepaket betrifft, so räumte Cap ein, dass die Stellungnahmen dazu "sehr durchwachsen" gewesen seien. So fordere etwa der Verfassungsgerichtshof eine grundlegende Überarbeitung, der Verwaltungsgerichtshof trete dafür ein, die Sache nochmals zu überdenken, und der Rechnungshof habe eine lückenhafte Darstellung der budgetären Auswirkungen festgemacht. Vielfach würden aber auch Befürchtungen hinsichtlich der Gefahr einer populistischen Stimmungsmache geäußert. Über all diese maßgeblichen Einrichtungen und Bedenken könne man nicht einfach drüberfahren, stellte der SPÖ-Klubobmann fest und sprach sich für einen intensiven weiteren parlamentarischen Diskussionsprozess aus.

Gerstl: Einen Schritt nach dem anderen setzen

"Direkte Demokratie ist kein Selbstzweck", leitete der ÖVP-Verfassungssprecher Abgeordneter Wolfgang GERSTL seinen Debattenbeitrag ein. Der Grund für die Vorlage des Demokratiepakets liege in der zunehmenden Politikverdrossenheit, erklärte er. Man wolle daher den BürgerInnen die Möglichkeit zu mehr Mitbestimmung eröffnen. Dazu bedürfe es aber einer breiten Mehrheit. Gerstl erinnerte an die erfolgreichen Verhandlungen zur Landeverwaltungsgerichtsbarkeit, die intensiv aber hinter verschlossenen Türen stattgefunden haben, und plädierte dafür, auch in Fragen der direkten Demokratie mehr Zurückhaltung in der Außendarstellung zu wahren. Man müsse die Stellungnahmen zum vorliegenden Entwurf ernst nehmen, ging er mit Klubobmann Cap konform, und einen Schritt nach dem anderen setzen. Vielleicht wäre es sogar gut, zunächst nur einen kleinen Schritt zu machen und diesen nur befristet, um die Auswirkungen prüfen zu können, schlug er vor. Als wesentlich erachtete es Gerstl, ein neues Vertrauen zwischen Bevölkerung und Volksvertretung aufzubauen.

Stefan plädiert für Volksinitiative und Veto-Volksabstimmung

Der Argumentation der Regierungsparteien konnte Abgeordneter Harald STEFAN (F) jedoch nichts abgewinnen. Man müsse die BürgerInnen ehrlich an der Entscheidungsfindung beteiligen, forderte er und legte nochmals die Vorschläge seiner Partei auf den Tisch, die er sogar eine Koalitionsbedingung nannte. Zum einen verlangt die FPÖ, eine Volksinitiative zu etablieren, zum anderen tritt sie für eine Veto-Volksabstimmung ein. Damit soll ein Gesetzesbeschluss aufgrund eines ausreichenden Verlangens nochmals einer Volksabstimmung unterzogen werden können. Die von der Regierung vorgelegten Entwürfe bezeichnete er als "lächerlich" und stellte die Vermutung in den Raum, die Regierung wolle ohnehin keinen Ausbau der direkten Demokratie. Hinter dieser Ablehnung stünden Scheinargumente, die von einem eigenartigen Menschenbild zeugten, sagte Stefan abschließend.

Musiol: Direkte Demokratie ist kein Allheilmittel gegen Politikverdrossenheit

Den Grünen sei eine Ausweitung der direkten Demokratie schon seit langem ein großes Anliegen, erklärte Abgeordnete Daniela MUSIOL (G). Doch sie verwehre sich dagegen, direkte Demokratie als Allheilmittel gegen gesellschaftliche Politikverdrossenheit zu sehen. Diese werde erst behoben, wenn endlich Missstände etwa im Bildungs- und Sozialbereich oder in der Umweltpolitik ausgeräumt sind, konstatierte die Grün-Mandatarin. In Bezug auf das Demokratiepaket hielt Musiol den Regierungsfraktionen "mangelndes Demokratieverständnis" vor. Denn obwohl bereits am 15. August die Begutachtungsfrist dieses Gesetzesentwurfs geendet hatte, seien weder SPÖ noch ÖVP willens gewesen, die Umsetzung des Pakets zur direkten Demokratie noch in dieser Legislaturperiode in Angriff zu nehmen. Ihre Fraktion fordere dennoch mittels eines Fristsetzungsantrags alle Parteien erneut zur Einberufung des Verfassungsausschusses in dieser Sache auf, so die Grün-Politikerin.

Scheibner kritisiert "Verhinderungstaktik" der Länder

BZÖ-Abgeordneter Herbert SCHEIBNER bezweifelte dagegen den Willen der Grünen, wirklich die direkte Demokratie auszubauen. Immerhin hätten sie nicht die Forderung seiner Fraktion, auch in der tagungsfreien Zeit Sitzungen des Verfassungsausschusses zum Demokratiepaket abzuhalten, unterstützt und seien vielmehr konträr zur Oppositionslinie in Verhandlungen mit den Regierungsparteien eingetreten. Knackpunkt zur Realisierung des Demokratiepakets ist für Scheibner, die "Verhinderungstaktik der Länder" zu überwinden, etwa hinsichtlich Spekulationsverbot oder Kompetenzverteilung. Der Bund solle hier das Heft in die Hand nehmen, plädierte der BZÖ-Politiker, schon aus diesem Grund sei ein Regierungswechsel unbedingt nötig.

Auf Kritik an seinen Vorrednern aus den Regierungsfraktionen, Josef Cap (S) und Wolfgang Gerstl (V), beschränkte Abgeordneter Christoph HAGEN (T) seine Wortmeldung. Cap habe mit seinen Äußerungen einfach die Arbeit der derzeitigen Regierung abgewertet, meinte Hagen, und Gerstls Äußerung, das Demokratiepaket solle hinter verschlossenen Türen ausverhandelt werden, entspreche nicht einem modernen Politikverständnis. (Schluss Nationalrat) red