Parlamentskorrespondenz Nr. 887 vom 17.12.2013

Regierungsprogramm für die Opposition kein großer Wurf

SPÖ und ÖVP wollen an Taten gemessen werden

Wien (PK) - Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers Werner Faymann wurde im Nationalrat gleich einer ersten Analyse durch die sechs Klubobleute unterzogen, wobei die Bewertungen sehr unterschiedlich ausfielen. Während die Vertreter von SPÖ und ÖVP von einem guten Programm sprachen, das eine stabile Grundlage für die Arbeit in den nächsten fünf Jahren darstellt, handelte es sich für die Opposition um eine Festschreibung des Stillstands, da nur wenige positive Maßnahmen erkennbar sind.

Strache: Regierungsparteien haben alle Wahlversprechen gebrochen

Der Klubobmann der Freiheitlichen, Heinz Christian Strache, sprach von einem äußerst ambitionslosen Regierungsprogramm, das zwar einige positive Überschriften enthalte, aber keine wesentlichen Weichenstellungen vorsehe. Auf inhaltlicher Ebene vermisste Strache vor allem dringend notwendige Reformvorschläge und Innovationen in den Bereichen Verwaltung, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung, steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer oder bei der Armutsbekämpfung; und vom Budgetloch sei überhaupt keine Rede mehr. Aber auch auf personeller Ebene werde das "Kasperltheater" fortgesetzt, kritisierte Strache. Während man Wissenschaftsminister Töchterle einfach abserviert habe, wurde als PR-Gag eine unabhängige ORF-Expertin als Schmalspurministerin installiert. Zusätzlich gebe es einen neuen Justizminister, der einige interessante Mandaten aufweisen könne.

Für eine Abdankung der österreichischen Außenpolitik halte er auch die Nominierung von Sebastian Kurz für dieses Ressort, der zwar in den vergangen Jahren durchaus eine gute Figur gemacht habe, aber über keine diplomatische Erfahrung verfüge. Vorschusslorbeeren dürfe man sich von Seiten der Opposition auch nicht für die Staatssekretäre erwarten, erklärte Strache, für diese Regierung gelte für ihn die "Unfähigkeitsvermutung". Generell müsse man feststellen, dass die Regierungsparteien alle Wahlversprechen gebrochen haben und sich darauf ausreden, dass der andere Partner die jeweiligen Vorhaben verhindert habe. Es sei daher kein Wunder, dass es sogar in den eigenen Reihen sehr viel Unmut gebe. Das Regierungsprogramm stehe bedauerlicherweise für weiteren Stillstand und Realitätsverweigerung, konstatierte Strache, und es sei zu befürchten, dass auf die Österreicher in den nächsten fünf Jahren noch viele Belastungen und Erhöhungen zukommen werden. Er sei daher sicher, dass die rot-schwarze Stillstandsregierung die Rechnung bei den nächsten Wahlen präsentiert bekomme.

Schieder: Regierung soll an Taten gemessen werden

Bei der Rede von Klubobmann Strache konnte man den Eindruck gewinnen, dass er eher die Zeitschrift "Hör Zu" gelesen habe als das Regierungsprogramm, meinte einleitend Andreas Schieder, da populistische Kommentare, aber keine inhaltliche Kritik im Vordergrund stünden. Auch von Seiten der Medienvertreter, die eine große Koalition noch nie als spannend und "sexy" bewertet hätten, werde die Zusammenarbeit der großen Parteien als etwas langweilig empfunden, bedauerte Schieder. Wenn man sich aber ernsthaft mit dem Regierungsprogramm befasse, dann müsse man sehen, dass sehr viele wichtige Maßnahmen geplant seien, die eine stabile Grundlage dafür schaffen, dass sich Österreich in wirtschaftlichen schwierigen Zeiten weiter gut entwickelt.

Schieder ging sodann vor allem auf Budget- und Steuerfragen ein und erinnerte daran, dass der Vorsitzende des Fiskalrats erst gestern wieder betont habe, dass das angestrebte Nulldefizit und somit ein strukturell ausgeglichener Haushalt im Jahr 2016 erreichbar sei. Dazu beitragen werden u.a. die geplante Abschaffung von diversen Ausnahmen im Steuerrecht, die als ungerecht empfunden würden, wie beispielsweise die Begünstigung des "Golden Handshakes", sowie Einschränkungen bei der Gruppensteuer und den investitionsbedingten Gewinnfreibeträgen. Gleichzeitig sollen durch die Senkung des Einstiegssteuersatzes von 36,5 % auf 25 % und die Verflachung der gesamten Progressionskurve die ArbeitnehmerInnen deutlich entlastet werden, kündigte Schieder an.

Im Wohnbereich stehen sowohl die Durchforstung des Mietrechts als auch die Ankurbelung der Neubauleistungen im Mittelpunkt, führte Schieder weiter aus. Geplant sei auch eine deutliche Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters von 58,4 auf 60,1 Jahre, wobei die materielle Absicherung im Alter für alle Menschen absolut gewährleistet werden müsse. Weiters wurde im Regierungsprogramm vereinbart, dass die Kinderbetreuungseinrichtungen ausgebaut, die Familienbeihilfe erhöht und ein Papa-Monat für alle Angestellten umgesetzt werden sollen. Auch die Einführung eines zweiten kostenfreien Kindergartenjahres für die Vier- bis Fünfjährigen oder die kostenlose Bereitstellung von Zahnspangen für einkommensschwächere Familien seien absolut herzeigbare Verhandlungsergebnisse. Was das Wissenschaftsministerium betrifft, so dürfe man die Debatte nicht allein auf die Ressortverteilung beschränken, gab er zu bedenken. Wichtig sei, was sich inhaltlich tue und er sei überzeugt davon, dass Reinhold Mitterlehner diese Agenden hervorragend wahrnehmen wird. Die Regierung habe es sich jedenfalls verdient, eine Chance zu bekommen, wünschte sich Schieder, und sollte letztendlich an ihrer Arbeit gemessen werden.

Glawischnig-Piesczek vermisst Maßnahmen für junge Menschen, sozial Schwache und Umwelt

Die Klubobfrau der Grünen, Eva Glawischnig-Piesczek, räumte eingangs ein, dass im Regierungsprogramm auch viele positive Dinge zu finden sind. Als Beispiele nannte sie die Beschränkung der steuerlichen Absetzbarkeit von Managergehältern, die Einführung eines zweiten kostenfreien Kindergartenjahres oder den Ausbau ganztägiger Schulformen und sozialer Dienstleistungen. Begrüßenswert seien auch die Vorhaben im Bereich Volksbegehren und das geplante Informationsfreiheitsgesetz. Allerdings stehe das gesamte Regierungsübereinkommen unter dem Titel Finanzierungsvorbehalt, was nur das neue Wort für Budgetloch sei, bemängelte Glawischnig-Piesczek. Im Mittelpunkt der Koalitionsverhandlungen standen auch vielmehr die Befindlichkeiten von Rot und Schwarz, urteilte sie, gerade am Schluss habe man sich gegenseitig darin überboten, "dem anderen noch die Projekte hinauszuschießen".

Österreich stehe im internationalen Vergleich sicherlich nicht schlecht da, meinte die Rednerin, es gebe aber viele Bereiche, wie etwa den Bildungssektor, wo die Bevölkerung dringend auf Reformen warte. Generell bedauerte sie sehr, dass die Interessen der jungen Menschen kaum berücksichtigt werden, was man u.a. an der Abschaffung des Wissenschaftsressort erkennen könne. Die Grünen werden daher eine namentliche Abstimmung in dieser Frage fordern. Ganz besonders unsolidarisch seien auch die geplanten Maßnahmen im Pensionsbereich sowie die Tatsache, dass die Reichen und Vermögenden wiederum nicht zur Kasse gebeten werden, kritisierte Glawischnig-Piesczek. Keinen einzigen Satz finde man auch zum Ausbau der Kontrollrechte; dies sei ein Armutszeugnis. Was das Umweltkapitel betrifft, dass das schwächste sei, das Österreich jemals gehabt habe, so werden keinerlei zukunftsweisende Maßnahmen bezüglich Energieeffizienz, Klimaschutz oder "grüne Arbeitsplätze" angeführt. Hinsichtlich der personellen Ebene merkte die Klubobfrau der Grünen an, dass alle neuen Mitglieder in der Regierung sicher eine faire Chance verdienen. Wenn man sich allerdings die sehr eingeschränkten Kompetenzen der Familienministerin ansieht, dann gebe es die berechtigte Sorge, dass es sich um eine PR-Aktion handelt. Dem neuen Justizminister, der einen interessanten Rollenwechsel vornimmt, gab sie mit auf den Weg, dass die Frage des Weisungsrechts und der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft massiv auf dem Prüfstand stehe.

Lopatka: Regierungsprogramm ist Garant für Fortsetzung der Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik

Der neue ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka stellte in Richtung seiner Vorrednerin mit Nachdruck fest, dass die Koalition bestmöglich und professionell zusammenarbeiten wird; dies werde der Charakter der neuen Regierung sein. Es sollte das gemeinsame Anliegen aller Abgeordneten sein, sich den Herausforderungen mit Optimismus zu stellen und danach zu trachten, die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik in den nächsten fünf Jahren fortzusetzen. Lopatka war überzeugt davon, dass das vorliegende Regierungsprogramm eine sehr gute Grundlage darstelle, um Österreich an der Spitze der Europäischen Union zu halten. Aus der Sicht der Volkspartei stehen dabei folgende Schwerpunkte im Mittelpunkt: ein Nein zu neuen Schulden, die Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters sowie zusätzliche Mittel für die Familien. Ein weiteres wichtiges Anliegen für Lopatka war die Unterstützung der ländlichen Regionen, weshalb er froh sei, dass die Kofinanzierung der EU-Förderungen sichergestellt werden konnte. All diese Vorhaben können jedoch nur dann umgesetzt werden, wenn die Wirtschaft wieder wächst und auch wenn die richtigen Menschen die politische Verantwortung dafür tragen. Er halte das gesamte Regierungsteam der ÖVP für eine sehr starke Mannschaft, die Garant dafür sei, dass der erfolgreiche Weg fortgesetzt wird, unterstrich Lopatka. So begrüße er es etwa sehr, dass Vizekanzler Spindelegger das Finanzressort übernommen hat, weil am Ende von politischen Entscheidungen immer Finanzfragen stünden. Auf Reinhold Mitterlehner wiederum komme eine große Aufgabe zu, da er mit den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft für Schlüsselagenden zuständig ist. Dies sei sicher ein gute Wahl, da er ein großes Bewusstsein für die Bedeutung von Forschung und Wissenschaft besitze, bestens vernetzt sei und in der Regierung stets ein Aktivposten war.

Nachbaur: Leistungsträger werden bestraft und Wirtschaftsstandort geschwächt

Auch die Klubobfrau des Team Stronach, Kathrin Nachbaur, schloss sich der Kritik der Grünen an, wonach die gesamten Vorhaben im Regierungsprogramm unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen. In der Folge befasste sie sich in ihrer Wortmeldung besonders mit den wirtschaftspolitischen Aspekten des Übereinkommens, denen sie ein sehr negatives Zeugnis ausstellte. Viele Vorschläge seien nämlich keine Verbesserungen, sondern eher als Bestrafung für die Leistungsträger zu werten, kritisierte sie. Obwohl Österreich bei den Abgabenbelastungen weltweit ganz oben rangiere, werden noch weitere Belastungen angedacht. Dies sei ihrer Ansicht nach grob fahrlässig und ein Anschlag auf den Wirtschaftsstandort Österreich. Was die Pläne bezüglich der ÖIAG betrifft, so mache sie sich Sorgen, dass eine Repolitisierung nach dem Proporzsystem die Unternehmen schwäche. Das wirkliche Geld, was Privatisierungen anbelangt, liege ihrer Meinung nach bei den Ländern, aber für eine richtige Föderalismusreform habe wiederum der Mut gefehlt, bedauerte sie. Negativ beurteilte sie auch die Auflösung des Wissenschaftsministeriums sowie die geringe Frauenquote innerhalb der Regierung und der Klubs. Was den Justizsektor betrifft, so sei es gerade sehr aktuell, wieder über die Abschaffung des Weisungsrechts nachzudenken. Nachbaur plädierte in diesem Zusammenhang auch für die Wiedereinführung der unabhängigen Untersuchungsrichter. Insgesamt verurteilte Nachbaur die "unheilbare Schuldensucht" der Regierung, die das Land schwäche und weiter abhängig von den Geldgebern mache.

Strolz: Lehrer sind die Goldschmiede Österreichs

Auch wenn das Regierungsprogramm einige gute Punkte enthalte, so fehle ihm der "Schub nach vorn", erklärte Klubobmann der NEOS, Matthias Strolz. Seine Partei sei angetreten, um aus Österreich ein Land der Zuversicht und Entschlossenheit zu machen, in dem die Bürger ihr persönliches Leben in die Hand nehmen. Die NEOS stehen für ein aktives Gemeinwesen und ein starkes soziales Netz, das nicht auf Schulden gebaut werden dürfe. Ein besonderes Herzensanliegen sei ihm der Bildungssektor, der dringend reformiert werden müsse, weil in der Vergangenheit viele Chancen und Talente vernichtet wurden. Neben der Einführung der Gesamtschule forderte Strolz, dass DirektorInnen künftig an der Schule selbst bestellt werden und zudem die Möglichkeit haben sollten, sich auch selbst ihr Lehrpersonal aussuchen zu können. Außerdem soll es die Möglichkeit geben, sich von Lehrern verabschieden zu können, die sich in diesen Beruf verirrt haben. Er sei überzeugt davon, dass die Lehrer und Lehrerinnen den wichtigsten Beruf inne haben, sie sind sozusagen die Goldschmiede der Nation. Mehr Geld soll es auch für die Wissenschaft und Forschung geben, weil dort die Landebahnen für die Zukunft gebaut werden. In einem entsprechenden Entschließungsantrag forderte er daher auch, dass das Wissenschaftsministerium nicht aufgelöst wird. Außerdem trat er dafür ein, dass sich neue Regierungsmitglieder vor ihrer Angelobung einem Hearing im Nationalrat stellen. (Fortsetzung Nationalrat) sue

HINWEIS: Fotos von der Regierungserklärung finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.