Parlamentskorrespondenz Nr. 1028 vom 06.11.2014

Bilanz der Arbeitsinspektion: weniger Arbeitsunfälle, mehr Kontrollen

Sozialausschuss fordert Studie zu Gewalt und sexuellem Missbrauch an Menschen mit Behinderung

Wien (PK) – Eine grundsätzlich positive Bilanz bezüglich der Tätigkeit der Arbeitsinspektion im Jahr 2013 zogen heute die Mitglieder des Sozialausschusses. Im Bericht (III-115 d.B. ), der von Bundesminister Rudolf Hundstorfer vorgelegt und von allen Fraktionen außer den Freiheitlichen zur Kenntnis genommen wurde, wird auf einen Rückgang bei den Arbeitsunfällen um 2,9 % gegenüber 2012 sowie eine Intensivierung der Kontrolltätigkeiten hingewiesen.

Weiters auf der Agenda standen Anträge der FPÖ und des Team Stronach zu pensionsrechtlichen Fragen, die jedoch alle abgelehnt wurden. Zustimmung fand hingegen ein Antrag der Grünen, beim Sozialministerium eine Studie zu Gewalt und sexuellem Missbrauch an Menschen mit Behinderung in Auftrag zu geben. In einer abgeänderten Fassung wurde der Entschließungsantrag von allen Fraktionen mitgetragen. Als einseitig und polemisch formuliert wurde hingegen ein Antrag der FPÖ in Zusammenhang mit Sexismus in einer Getränkewerbung bewertet, er wurde daher mit breiter Mehrheit abgelehnt.

Die Tätigkeit der Arbeitsinspektion: Rückgang der Arbeitsunfälle, aber Zunahme der Übertretungen

Im Jahr 2013 wurden insgesamt 47.975 Arbeitsstätten, Baustellen und auswärtige Arbeitsstellen von 12.147 Unternehmen besucht. Ein Großteil der Tätigkeiten entfiel dabei auf Besichtigungen (63.201). Von den insgesamt 106.180 Übertretungen (ohne Kontrollen von LenkerInnen) betrafen 94.060 den technischen und arbeitshygienischen ArbeitnehmerInnenschutz und 12.126 den Verwendungsschutz, was insgesamt einer Steigerung von ca. 12 % gegenüber 2012 entspricht. Zusätzlich wurden im Zuge von Lenkerkontrollen 9.205 Übertretungen (plus 0,4 %) festgestellt. Was die Folgemaßnahmen betrifft, so kam es in 2.060 Fällen zu Strafanzeigen, 16 Mal mussten Sofortverfügungen wegen Gefahr in Verzug veranlasst werden.

2013 ereigneten sich insgesamt 90.419 anerkannte Arbeitsunfälle im engeren Sinn; dies entspricht einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 2,9 %. Auch die Anzahl der tödlichen Arbeitsunfälle reduzierte sich von 100 auf 98. Die Zahl der anerkannten Berufserkrankungen stieg von 1.189 leicht auf 1.274 an, 90 davon hatten einen tödlichen Ausgang. Auch im Jahr 2013 wurden wieder spezielle Aktionen in ausgewählten Branchen begonnen bzw. weitergeführt. Dies betraf folgende Sektoren: Bau, Bergbau, Möbeltischlerei und mobile Pflege. 2014 startet ein weiterer Schwerpunkt zum Thema Handverletzungen bei jugendlichen ArbeitnehmerInnen.

Opposition wünscht sich bessere Aufschlüsselung der Daten, Wirkungsziele und Analysen

Der Bericht enthalte viele positive Aspekte, meinte NEOS-Vertreter Gerald Loacker, dennoch könnten Verbesserungen erreicht werden. Er hätte sich etwa gewünscht, dass man von Seiten des Arbeitsinspektorats messbare Ziele zur Vermeidung von Arbeitsunfällen definieren würde; dies sei auch eine Forderung des Rechnungshofs. Weiters wollte er wissen, welche Konsequenzen aus dem kontinuierlichen Anstieg der Berufserkrankungen gezogen werden und wie die Kontrolle der Arbeitszeiten in den Krankenhäusern genau erfolgt.

Birgit Schatz von den Grünen erinnerte daran, dass sie schon bei der Behandlung des letzten Berichts des Arbeitsinspektorats angeregt habe, dass nicht nur Daten in tabellarischer Form, sondern auch Analysen und Schlussfolgerungen aufgenommen werden. Generell sei sie der Meinung, dass die Kontrollfrequenzen erhöht werden sollten, was aber nur mit mehr Personal möglich sei. Ihre Fraktionskollegin Judith Schwentner trat dafür ein, dass noch mehr Augenmerk auf die Genderthematik gelegt wird, zumal es Branchen gebe, wo sehr viele Frauen arbeiten, und es ihrer Meinung nach auch noch Nachholbedarf bei der Berücksichtigung von bestimmten Berufserkrankungen (z.B. Beschwerden des Stützapparats aufgrund von Pflegetätigkeiten) gibt.

Der Bericht hätte noch mehr Aussagekraft, wenn die Daten besser aufgeschlüsselt wären, urteilte FPÖ-Vertreterin Dagmar Belakowitsch-Jenewein. So sollte man z.B. zwischen in- und ausländischen Firmen sowie den verschiedenen Branchen unterscheiden. Interessant wäre es auch zu wissen, welche Firmen oder Branchen besonders auffällig sind. Ebenso wie ihre Vorrednerin plädierte sie für eine Personalaufstockung des Arbeitsinspektorats, um die Kontrollen ausbauen zu können.

SPÖ-Mandatar Johann Hechtl lobte den detaillierten und informativen Bericht und zeigte sich vor allem erfreut über den Rückgang bei den Arbeitsunfällen.

Aus der Sicht der Praxis berichtete ÖVP-Abgeordneter Gabriel Obernosterer, der selber Hotelier ist, über seine Erfahrungen mit den Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat. Einerseits sollte bei der Überprüfung gerade von Kleinstunternehmen die Beratungstätigkeit im Vordergrund stehen und nicht sofort Strafen verhängt werden, gab er zu bedenken. Andererseits sei es notwendig, die Liste an Auflagen zu evaluieren und auf einen aktuellen Stand zu bringen. Dieser Meinung schloss sich auch Waltraud Dietrich vom Team Stronach an. Es wäre gut, die Vorschriften zu durchforsten und die Unternehmen von unnötiger Bürokratie zu entlasten.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer war überzeugt davon, dass die MitarbeiterInnen der Arbeitsinspektion vor allem im Sinne der Prävention eine sehr wichtige Tätigkeit leisten. Es handle sich dabei auch um den einzigen Bereich seines Ressorts, wo es keinen Aufnahmestopp gibt und der Gesamtpersonalstand nicht reduziert werden muss. Was die angesprochenen Vorgaben betrifft, so gebe es außer den Schwerpunktaktionen keine quantitativen, sondern qualitative Ziele (z.B. Vermeidung von psychischen Belastungen). Man schaue überdies sehr genau auf jene Sektoren, wo häufig Unfälle stattfinden, um daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Bei den Schwerpunktaktionen werden zudem immer wieder Branchen ausgewählt, in denen es viele weibliche Beschäftigte gibt, z.B. Gastronomie (2012) oder Handel (2014), informierte Hundstorfer die Abgeordneten. Gegenüber Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) stellte der Minister fest, dass nach der Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie die Kontrollen noch effizienter werden, da dann Verwaltungsstrafen im Ausland verhängt werden können.

FPÖ für vollständige Abschaffung von Pensionsprivilegien

In einem Entschließungsantrag sprach sich die FPÖ für eine vollständige Abschaffung aller "Luxuspensionen" im öffentlichen Bereich unter Berücksichtigung von Pensionskassenregelungen aus (509/A(E)). Pensionen im Bereich von Bund, Ländern und Gemeinden sowie von ausgelagerten Gesellschaften sollen sich künftig ausnahmslos an den ASVG-Pensionen orientieren, fordert FPÖ-Abgeordneter Herbert Kickl. Trotz Sonderpensionenbegrenzungsgesetz bleiben laut ihm zu viele Pensionsprivilegien erhalten. Kickl meinte auch, dass das ausufernde System der Pensionskassenregelungen durchleuchtet werden müsse. Er fürchtete, dass hier unbemerkt wieder Sonderpensionen eingeführt werden, die aus öffentlichen Mitteln gespeist werden. Zustimmung erhielt er von Waltraud Dietrich (T), die es als moralische Verpflichtung sah, alle Luxuspensionen abzuschaffen.

Abgeordneter Michael Hammer (V) sah die Frage der Sonderpensionen als geregelt an und stellte keinen Handlungsbedarf fest. Judith Schwentner (G) hingegen meinte, ihre Fraktion habe, im Unterschied zu den Freiheitlichen, das bestehende Gesetz zur Begrenzung der Sonderpensionen intensiv mitverhandelt. Sie betrachte es aber nur als ersten Schritt und stimme daher dem Antrag der Freiheitlichen zu. Gerald Loacker (N) sah in der Begrenzung der Sonderpensionen ebenfalls nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Der Freiheitliche Antrag sei so aber nicht beschlussfähig, denn es sei nicht gerechtfertigt, Pensionskassenregelungen pauschal mit Luxuspensionen in Verbindung zu bringen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer gab zu bedenken, dass bei den Sonderpensionen nun ein Pensionssicherungsbeitrag von 17 % eingehoben wird. Das sei das Maximum, das rechtlich überhaupt möglich ist. Er stellte auch fest, das System der Pensionskassen habe nichts mit Pensionsprivilegien zu tun. Es handle sich dabei vielmehr um die zweite Säule des Pensionsversicherungssystems. Dieser Einrichtung hätten im Übrigen auch die Freiheitlichen zugestimmt.

Pensionsversicherung: FPÖ will Heimkindern Ersatzzeiten gewähren

In der Vergangenheit waren manche Jugendliche, die in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt untergebracht waren und während dieser Zeit ein Lehr- oder Beschäftigungsverhältnis hatten, sozialversicherungsrechtlich nicht voll abgesichert. Die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein plädiert dafür, diese Zeiten als Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung anzuerkennen (156/A(E)) und erinnert an das große Unrecht, das viele österreichische Heimkinder erlitten haben. Dazu meinte Michael Hammer (V), um solche Probleme zu lösen bestehe bereits die Möglichkeit, individuell Versicherungszeiten feststellen zu lassen und geltend zu machen. Der Antrag wurde nur von den vier Oppositionsparteien unterstützt und blieb damit in der Minderheit.

Team Stronach urgiert einheitliches Sozialversicherungssystem

Das Team Stronach spricht sich in einem Entschließungsantrag für ein einheitliches Sozialversicherungssystem in Österreich aus (681/A(E) ). Für Abgeordnete Waltraud Dietrich ist es nicht einsichtig, dass derzeit viele Personen einer "Mehrfachversicherungspflicht" unterliegen. Die Vertreterin des Team Stronach plädierte für ein einziges System der Sozialversicherung, in dem für alle Beitragsleistenden faire und transparente Beitragsstaffelungen bis zur selben Höchstgrenze gelten. Unterstützung erhielt sie von den Abgeordneten der Freiheitlichen und der NEOS. Der Antrag blieb damit ebenfalls in der Minderheit und wurde abgelehnt.

Markus Vogl (S) hielt Dietrich entgegen, das dezentrale System der Sozialversicherungsträger habe sich bewährt und verursache weniger Verwaltungsaufwand als große Strukturen, das habe sich beispielsweise bei Zusammenlegungen in Deutschland gezeigt. Michael Hammer (V) bezeichnete die Forderung als vereinfachend und populistisch, sie stelle das bewährte System von unabhängigen Sozialversicherungsträgern in Frage. Judith Schwentner (G) sagte, ihre Fraktion wolle zwar ebenfalls die Vereinheitlichungen der Sozialversicherungsträger, der Antrag sei aber nicht klar formuliert, deshalb könne sie ihm nicht zustimmen.

Grüne fordern Maßnahmen gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Menschen mit Behinderungen

Die Grüne Abgeordnete Helene Jarmer thematisierte das oft tabuisierte Thema von sexuellem Missbrauch und Gewalt an Menschen mit Behinderungen. Vor allem behinderte Frauen seien oft betroffen, stellte sie fest (94/A(E)). In vielen Fällen handle es sich um Missbräuche in Behinderteneinrichtungen. Um die Tabus, die das Thema umgebe, zu durchbrechen, forderte sie die Erstellung einer Studie. Jarmer wies außerdem auf die Notwendigkeit von gewaltpräventiven Maßnahmen und barrierefreier Beratungsstellen für Gewaltopfer hin.

Jarmers Anliegen wurde von allen Parteien unterstützt. ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg legte zum Antrag der Grünen einen Abänderungsantrag vor, der von Abgeordneten aller Fraktionen mitgetragen wurde. Der Entschließungsantrag wurde in der abgeänderten Form einstimmig angenommen. Er enthält den Auftrag an den Sozialminister, in Zusammenarbeit mit der Volksanwaltschaft eine wissenschaftliche Studie zu beauftragen, die der Frage nachgeht, inwieweit Menschen mit Behinderungen in Österreich Gewalt und sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind. Dabei sollen auch Betreuungseinrichtungen überprüft werden. Sozialminister Rudolf Hundstorfer versicherte, dass er diese Studie gerne erstellen lasse.

FPÖ kritisiert sexistischen Getränkenamen am Donauinselfest

FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein wies darauf hin, dass beim letzten Donauinselfest in Wien beim Stand der FSG-Fraktion (Fraktion sozialistischer GewerkschafterInnen) auch ein Getränk mit dem Namen "Haxen-Spreizer" angeboten wurde. Die Freiheitliche Mandatarin forderte den Sozialminister per Entschließungsantrag (635/A(E ) auf, sich dafür einzusetzen, dass künftig bei Gewerkschaftsveranstaltungen kein derartiges Getränk beworben und ausgeschenkt wird. Der Antrag wurde nur von ihrer Fraktion unterstützt und blieb so in der Minderheit.

SPÖ-Mandatar Markus Vogl meinte, der Vorfall sei selbstverständlich zu verurteilen, das Problem sei aber sicher nicht auf das Donauinselfest oder die Gewerkschaft beschränkt. Judith Schwentner von den Grünen und August Wöginger (V) stimmten zu, dass es sich um einen klaren Fall von Alltagssexismus handle. Sie waren sich einig in der Ablehnung des Antrags der Freiheitlichen. Sie werteten ihn als unangemessenen Versuch, die ernste Problematik für Polemik gegen eine bestimmte Partei zu nützen. Schwentner erinnerte an den Gleichbehandlungsbericht, der viele Fälle von Sexismus innerhalb und außerhalb der Arbeitswelt dokumentiere, hier wäre Gelegenheit für die Freiheitlichen, das Thema zu unterstützen. Wöginger stellte fest, der Antrag riskiere, ein wichtiges Thema der Lächerlichkeit preiszugeben. (Schluss Sozialausschuss) sue/sox