Parlamentskorrespondenz Nr. 1080 vom 18.11.2014
Österreich zieht Bilanz über 20 Jahre EU-Mitgliedschaft
Wien (PK) – Vor 20 Jahren beschlossen Nationalrat und Bundesrat Österreichs Beitritt zur Europäischen Union, nachdem bei der Volksabstimmung zwei Drittel dafür votiert hatten. Bilanz über die EU-Mitgliedschaft wurde heute im Parlament gezogen, als man das Jubiläum des geschichtsträchtigen Beitrittsbeschlusses auf Einladung von Nationalratspräsidentin Doris Bures, Bundesratspräsidentin Ana Blatnik und Zweitem Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf beging. Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner trafen dabei auf ihre Pendants aus der Zeit der Beitrittsverhandlungen, Franz Vranitzky und Erhard Busek. Übereinstimmung besteht unter den Regierungsspitzen von heute und damals, nur wenn die Mitgliedsländer der Europäischen Union sich als echte Gemeinschaft begreifen, geht die EU in eine sichere Zukunft.
Bures: Europabewusstsein in der Bevölkerung stärken
"Die Entscheidung für ein gemeinsames Europa war auch eine Entscheidung für ein friedliches, weltoffenes und modernes Österreich", betonte Präsidentin Bures bei der Begrüßung. Um wachsender EU-Skepsis in der Bevölkerung und einem Erstarken des Nationalismus beizukommen, müssten die PolitikerInnen allerdings das Europabewusstsein fördern und die Europäische Union greifbar machen. Bures nannte hier die vermehrte Einbindung der Parlamente in EU-Fragen als wichtigen Faktor, weil dadurch die Union eine stärkere demokratische Legitimation erfahre. (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1079)
Ihr Ja zum EU-Beitrittsvertrag, der die Grundlage für Österreichs Eintritt in die Europäischen Union 1995 bildete, gaben am 11. November 1994 bei der Plenarsitzung 141 der 181 anwesenden Nationalratsabgeordneten. Knapp eine Woche später trug auch der Großteil des Bundesrats diese Entscheidung mit. Der politischen Entscheidung vorangegangen war eine Volksabstimmung über das Bundesverfassungsgesetz, das den EU-Beitritt ermöglichte: von allen damaligen Kandidatenländern wies Österreich mit 66,6% bei dieser Volksabstimmung den höchsten Zustimmungsgrad auf. "Europa, das sind wir", sagte heute auch Bundesratspräsidentin Blatnik. In ihren Augen muss ein gemeinsames Europa auf sozialer Gerechtigkeit basieren, es dürfe nicht durch ungleiche Vermögensverteilung in den Grundfesten erschüttert werden.
Tatsächlich sei das Projekt eines gemeinsamen Europas zur nachhaltigen Friedenssicherung angesichts der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise in den Hintergrund gerückt, gab Zweiter Präsident Kopf zu bedenken. Ungeachtet dessen hätte Österreich außerhalb der EU die Krise viel schwerer zu meistern gehabt, daher sei der europäische Gedanke auch in seiner ökonomischen Dimension zu stärken.
Gemeinschaftsdenken als Basis für Zukunft der Europäischen Union
Der große Wert eines gemeinsamen Europas sei noch besser zu vermitteln, war auch der Tenor in der Diskussion zur steigenden EU-Verdrossenheit vieler UnionsbürgerInnen. Alt-Bundeskanzler Vranitzky und sein damaliger Vizekanzler Busek sehen hier vor allem die nationale Politik gefordert, ein neues Europagefühl in den Mitgliedsstaaten zu wecken. Denn Österreich beispielsweise habe von der Mitgliedschaft enorm profitiert, etwa durch Förderungen in der Regionalpolitik, unterstrich Busek. Vranitzky ergänzte, um gerade in Krisenzeiten deutlichen Zuspruch in der Bevölkerung zu erlangen, müsse die Europäische Union verstärkt auch soziale Themen auf ihre Agenda nehmen.
Entscheidend sei eine faire Gestaltung der sozialen Verhältnisse in Europa, bekräftigte Bundeskanzler Faymann, nur so könne man den gesellschaftlichen Frieden sichern. Die besten Lösungen für die soziale Problematik biete wiederum der Binnenmarkt, bemerkte Vizekanzler Mitterlehner, wobei er dafür plädierte, die EU-Politik insgesamt bürgernäher zu machen. (Schluss) rei
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