Parlamentskorrespondenz Nr. 359 vom 15.04.2015

Sozialausschuss diskutiert über Bekämpfung der Arbeitslosigkeit

Hundstorfer setzt auf Qualifizierung und breites Maßnahmenpaket

Wien (PK) – Die schwierige Situation am Arbeitsmarkt sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene stand heute zu Beginn der Sitzung des Sozialausschusses im Mittelpunkt der Debatte. Die Probleme können nur durch ein Bündel an Maßnahmen, wie etwa Ausbau des Qualifizierungsangebots, Bekämpfung von Schwarzarbeit sowie Lohn- und Sozialdumping, Tarifentlastung durch die Steuerreform, Wohnbaupaket, europäisches Investitionsprogramm etc., gelöst werden, meinte Bundesminister Rudolf Hundstorfer. Angesichts der aktuellen Arbeitslosenzahlen werde er sich jedenfalls bei den kommenden Finanzverhandlungen dafür einsetzen, dass das AMS-Budget nicht gekürzt wird.

Höhere Mobilität der Arbeitskräfte in der EU: Fluch oder Segen?

Basis für die Diskussion über aktuelle EU-Vorhaben im Bereich Arbeit und Soziales bildete ein Bericht von Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der mit S-V-G-N-Mehrheit zur Kenntnis genommen wurde. Daraus geht unter anderem hervor, dass die EU-Kommission voraussichtlich noch vor dem Sommer ein Arbeitspaket zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit vorlegen wird. Außerdem strebt sie eine Fortführung der Jugendbeschäftigungsinitiative an und will die Mobilität von Arbeitskräften forcieren, bei gleichzeitig verstärkter Bekämpfung illegaler Migration. Die seit dem Jahr 2008 in Diskussion stehende neue Mutterschutz-Richtlinie, die einheitliche Mindeststandards vorsieht, könnte hingegen bald zurückgezogen werden, sollte sich weiterhin keine Einigung zwischen den EU-Mitgliedern abzeichnen. Im Bereich Konsumentenschutz liegen zwei Verordnungsentwürfe betreffend die Sicherheit und die Kennzeichnung von Verbraucherprodukten vor.

FPÖ-Vertreter Herbert Kickl war der Auffassung, dass die Förderung einer hohen Mobilität der Arbeitskräfte in der EU eher einen Fluch als einen Segen darstelle. Im Prinzip führe dies zu einer schiefen Ebene, da Menschen aus "Fluchtländern" natürlich versuchen, in "Zielländern" wie Österreich Jobs zu finden. Dies bestätigen auch die aktuellen Zuwanderungszahlen aus Rumänien und Bulgarien im letzten Jahr, führte er ins Treffen. Insgesamt sind nämlich 11.000 BürgerInnen aus diesen Ländern nach Österreich gekommen, wobei die 20.000 Scheinselbständigen (v.a. im Bereich der 24-Stunden-Pflege) noch gar nicht inkludiert sind. Kickl befürchtete zudem, dass die erwarteten positiven Auswirkungen der Steuerreform wieder nicht den inländischen ArbeitnehmerInnenn zugute kommen, sondern vielmehr den Arbeitsmigranten. Er wiederholte daher die Forderung seiner Partei nach einer sektoralen Schließung des Arbeitsmarktes, weil man damit – ähnlich wie bei der deutschen Autobahnmaut – die nationalen Interessen schützen könnte.

Abgeordneter Michael Hammer (V) interessierte sich vor allem für die Programme der EU im Hinblick auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und plädierte dafür, die höhere Mobilität von Beschäftigten auch positiv zu bewerten, da sie viele Chancen beinhalten könne.

Ein Beitrag zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit in Europa sei die Förderung der Mobilität, urteilte NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker. Wichtig wären jedoch noch Verbesserungen bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen sowie Entbürokratisierungsmaßnahmen. In den länderspezifischen Empfehlungen der EU wird in Österreich teilweise großer Handlungsbedarf gesehen, vor allem im Hinblick auf die Pensionsreform (Anpassung des Antrittsalters an die Lebenserwartung, Frauen- und Invaliditätspensionen), zeigt Loacker auf.

Weitere Fragen der MandatarInnen befassten sich u.a. mit den Themen Lohn- und Sozialdumping (Dietmar Keck, S), der geplanten Einführung von Einpersonengesellschaften mit einem Euro Stammkapital (Johann Hechtl, S), dem aktuellen Verhandlungsstand bezüglich der Mutterschutz-Richtlinie, der Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen (Judith Schwentner, G) sowie der Plattform zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (Birgit Schatz, G).

Sozialminister Rudolf Hundstorfer stellte eingangs fest, dass 83 % der ArbeitnehmerInnen österreichische Staatsbürger sind; 10 % kommen aus anderen EU-Ländern und 7 % aus Drittstaaten. Natürlich gebe es auch Tagespendler, aber in beide Richtungen, hob der Minister hervor. So pendeln allein 14.000 Vorarlberger täglich aus, um in den benachbarten Staaten an ihre Arbeitsplätze zu kommen. Sein Ressort lege jedenfalls großen Wert darauf, dass für alle die gleichen fairen Rahmenbedingungen gelten. Was die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping betrifft, sei es wichtig, die EU-Entsende-Richtlinie umzusetzen, weil damit die verpflichtende grenzüberschreitende Vollstreckung von Verwaltungsstrafen in diesem Bereich ermöglicht wird. Die bisherigen Kontrollen greifen gut, zeigte sich Hundstorfer erfreut, 50 % der Strafen ergehen an inländische Firmen. Sorgen bereiten leider immer die drei gleichen Branchen, und zwar Bau, Landwirtschaft und Tourismus. Er hoffe, dass es durch das neue Vergaberecht – der Entwurf ging am Freitag in Begutachtung – zu weiteren Fortschritten auf diesem Sektor kommen wird. Begrüßenswert sei sicherlich auch die Einrichtung einer europäischen Plattform gegen Schwarzarbeit.

Den Abgeordneten Herbert Kickl (F) und Gerald Loacker (N) gegenüber merkte der Minister an, dass die "blue card" der EU, die den InhaberInnen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert, in Österreich nur von 458 Personen in Anspruch genommen wird. Es seien ihm auch keine Zahlen bezüglich des Wechsels auf die Rot-Weiß-Rot-Karte bekannt. Beim Thema Asylwesen vertrat der Minister die Auffassung, dass es zu einer innereuropäischen Lastenverteilung kommen müsse.

Was die Mutterschutz-Richtlinie angeht, so gebe es dazu keine Verhandlungen seit dem Jahr 2012. Die neue Kommissarin beabsichtige, den Vorschlag zurückzuziehen. Die von der EU geplante Festlegung einer Frauenquote in Aufsichtsräten würde in Österreich 88 Unternehmen betreffen, führte der Minister weiter aus. Negativ beurteilte Hundstorfer den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission bezüglich der Einführung von Einpersonengesellschaften in der EU; da werde Österreich nicht zustimmen.

Hundstorfer: AMS-Budget soll nicht gekürzt werden

Im Rahmen einer aktuellen Aussprache informierte der Minister den Ausschuss vor allem über die Situation am heimischen Arbeitsmarkt, der von einer hohen Fluktuation geprägt sei. Inklusive der SchulungsteilnehmerInnen seien derzeit 410.000 Menschen arbeitslos, wobei 50 % der Betroffenen maximal einen Pflichtschulabschluss haben. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern setze man daher verstärkt auf Qualifizierungsmaßnahmen. Bei den Verhandlungen mit dem Finanzminister werde er alles tun, damit dem AMS gleich viele Mittel wie bisher zur Verfügung stehen. Positive Effekte erwarte sich man sich auch durch das geplante Wohnbaupaket und das europäische Investitionsprogramm.

Auf eine Frage der Grünen zur bedarfsorientierten Mindestsicherung stellte der Minister fest, dass bis Ende 2016 eine Lösung gefunden werden müsse. Die Vorbereitungen dazu seien im Laufen, insbesondere soll es auch zu Vereinheitlichungen beim Vollzug und der Datenlage kommen.

Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch gab noch gegenüber der G-Mandatarin Birgit Schatz bekannt, dass die Firma Elk ihren Vorschlag, dass die 700 MitarbeiterInnen aufgrund von Expansionsplänen auf einen Teil ihres Gehalts verzichten sollen, heute zurückgezogen hat.

Opposition hinterfragt Auswirkungen der Steuerreform auf den Arbeitsmarkt

In einer weiteren Fragerunde stellten Abgeordnete der Opposition kritische Fragen an den Sozialminister, die vor allem die zu erwartenden Auswirkungen der Steuerreform auf die Leistungen seines Ressorts und die arbeitsmarktpolitischen Effekte betrafen. Abgeordneter Herbert Kickl (F) kritisierte einmal mehr die arbeitsmarktpolitischen Vorgaben der EU und  meinte, dass Österreich Arbeitslosigkeit aus Drittstaaten und anderen Staaten der EU importiere und damit eine Zuwanderung ins Sozialsystem stattfinde. Das System sei grundsätzlich in Frage zu stellen und Österreich sollte sich mehr am Schweizer Modell der Arbeitsmarktpolitik orientieren.

Ihm hielt Sozialminister Hundstorfer entgegen, dass der Anteil der Arbeitskräfte aus Drittstaaten sieben Prozent betrage und nicht mehr ansteige. Es handle sich meist um Personen, die sich schon lange in Österreich aufhalten, man könne diese Menschen nicht einfach heimschicken. Die Freizügigkeit für Arbeitskräfte sei ein Grundprinzip der EU, das nicht verhandelbar sei. Zehn Prozent der Arbeitskräfte stammten aus EU-Staaten und seien in Relation zu setzen mit der Anzahl der ÖsterreicherInnen, die in anderen EU-Staaten, vor allem Deutschland, arbeiten. Hundstorfer verteidigte auch die Inseratenkampagnen seines Ressorts gegen Kritik seitens der FPÖ und meinte, es werde sehr gezielt inseriert und es gebe messbare Effekte der Einschaltungen.

Die Einsparungen seines Ressorts, die von Finanzminister Schelling gefordert werden, betragen 21,3 Mio. €, erfuhr FPÖ-Abgeordneter Werner Neubauer. Was die Erhöhung der Negativsteuer betreffe, so gehe es für BezieherInnen einer Mindestsicherung um minimale Beträge, was sicher den Arbeitsanreiz nicht mindere, wie der Abgeordnete es offenbar befürchtete. Im Bereich der Schwerarbeitspensionen sah Hundstorfer keinen Änderungsbedarf. Die Frage des Teilzeitkrankenstands sei derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern. Probleme im Bereich der Palliativ- und Hospizpflege müssten gemeinsam mit den Bundesländer gelöst werden, von Seiten des Bundes gebe es keine Hindernisse einer Abrechnung von Leistungen, stellte Hundstorfer fest. (Fortsetzung Sozialausschuss) sue/sox