Parlamentskorrespondenz Nr. 458 vom 05.05.2015

Gedenktag 2015: Rede von Bundesratspräsidentin Sonja Zwazl

Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus im Parlament

Wien (PK) – Die Rede von Bundesratspräsidentin Sonja Zwazl bei der Gedenkveranstaltung am 5. Mai 2015 im Historischen Sitzungssaals des Parlaments in vollem Wortlaut:

- es gilt das gesprochene Wort -

Sprache ist verräterisch. Und sie steht immer am Beginn. Sie zeigt, wenn etwas in einer Gesellschaft schief läuft. Sie ist das erste Zeichen, wenn sich Menschen und Gesellschaften radikalisieren. Wo die Sprache verroht, dort verroht auch der Umgang der Menschen miteinander. Wo Sprache die Verrohung und Brutalisierung einer Gesellschaft zum Ausdruck bringt, dort ist ein Weg beschritten, der direkt in eine Welt der Gewalt  führt – und es ist dabei völlig gleichgültig, ob die sprachliche Hetze offen oder in der Anonymität des Internets erfolgt. Die Verrohung der Sprache ist das Alarmsignal, das dringend zu Umkehr mahnt.

Der Auftrag bleibt stets gleich: Immer und immer wieder aufzustehen und ein klares "Nein" zu sagen, wenn Radikalismus ein friedvolles Zusammenleben zu bedrohen beginnt. Aufzustehen und "Nein" zu sagen, wann und wo auch immer Gewalt den Dialog oder den politischen Wettbewerb der Ideen zu ersticken droht.  Aufzustehen und "Nein" zu sagen, wann und wo auch immer Menschen das Menschsein abgesprochen wird. Aufzustehen und "Nein" zu sagen, wenn die Sprache und damit der Umgang der Menschen miteinander verroht.

Wenn wir heute – am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen – der Millionen von Opfern von Rassismus und Gewalt des verbrecherischen NS-Regimes gedenken, so ist das nicht einfach ein Rückblick in eine furchtbare, menschenverachtende Geschichte. Dahinter steckt die stete Mahnung, Gewalt und Rassismus keinen Platz in unserer Gesellschaft zu lassen.

Diese Mahnung kennt kein Gestern, Heute oder Morgen. Diese Mahnung ist zeitlos gültig und notwendig. Das "Nein" zu Rassismus und Gewalt ist ein Dauerauftrag – für heute, für morgen, für immer. Menschenrechte sind unteilbar. Und in der Erinnerung an und in der Trauer um die Opfer steckt die stärkste Immunisierung gegen jegliche Form neuer Radikalisierungen. Das ist der Kern und die Botschaft, die von diesem Gedenktag nicht nur ausgehen soll, sondern ausgehen muss.

"Ich möchte, dass sich jemand erinnern wird, dass einst ein Mensch gelebt hat, der David Berger hieß", ist in einer bis heute erhaltenen Postkarte Bergers an eine Freundin namens Elsa zu lesen. 1941 wurde er erschossen. Er wurde 19 Jahre alt. (Schluss) red

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.