Parlamentskorrespondenz Nr. 473 vom 06.05.2015

Energieunion: Bundesrat befürchtet Ausbau der Atomenergie

EU-Ausschuss beschließt kritische Mitteilung an EU-Institutionen

Wien (PK) – Mit einer äußerst kritischen Mitteilung an die europäischen Institutionen reagierte heute der EU-Ausschuss des Bundesrats auf die Mitteilung der EU-Kommission hinsichtlich einer "Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzstrategie". Die Vertreterinnen und Vertreter der Länderkammer hielten es zwar für richtig, dass sich die EU Gedanken über eine Energieunion macht, diese könne aber nicht einen Schritt zurück gehen und sich gegen die Interessen der Österreichischen Energiepolitik wenden. Gemeint ist damit die von der EU unterstützte Nutzung der Atomenergie. Die Vorhaben der Kommission trügen auch dem Subsidiaritätsprinzip nicht Rechnung, so der weitere Vorwurf. 

Die Anti-Atompolitik Österreichs wird damit neuerlich seitens des Bundesrats bekräftigt. Gestern hatte Umweltminister Andrä Rupprechter im Umweltausschuss des Nationalrats angekündigt, dass Österreich wegen der Genehmigung staatlicher Beihilfen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C demnächst die EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof klagen werde. 

Große Diskrepanz zwischen Ankündigung und konkreten Vorschlägen

Nach Ansicht des Bundesrats stellt die Kommission entgegen ihrer Ankündigungen bei den von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Sicherstellung vor allem von fossilen und atomaren Energieströmen ab, geben die Ausschussmitglieder mit Sorge zu bedenken. Die mit der Nutzung der Kernenergie sowie der Gewinnung von Öl und Gas aus nicht konventionellen Quellen verbundenen Probleme und Gefahren würden im Papier der Kommission nicht thematisiert. Der Mitteilung der Kommission seien eindeutige Hinweise zu entnehmen, dass die EU plant, finanzielle Investitionen in die Atomenergie zu tätigen. Die Dekarbonisierung dürfe im Rahmen der Energieunion zu keiner Aufwertung der Atomenergie führen, halten die Bundesrätinnen und Bundesräte dezidiert fest. Während öffentliche Förderungen erneuerbarer Energieformen problematisiert werden, sehe die Kommission offenbar in der staatlichen Förderung der Atomenergie kein Problem. Sie klammere damit auch die Kostenwahrheit in dem vorliegenden Dossier völlig aus, so der weitere Vorwurf des Ausschusses. Die LändervertreterInnen zeigen auch kein Verständnis für die positive Darstellung der ihrer Ansicht nach keineswegs nachhaltigen Technologie der CO2-Abtrennung und –Speicherung (CCS), sowie der Gewinnung von Schiefergas (Fracking).

Dem Ausschuss fehlt zudem eine langfristige Vision für den Ausbau erneuerbarer Energien über das Jahr 2030 hinaus. Außerdem unterstreicht er die Bedeutung von Energieeffizienzmaßnahmen.

Nach Auffassung des Bundesrats besteht somit die Gefahr, dass der nun vorliegende Vorschlag für die Energieunion die Förderung von erneuerbaren Energieträgern behindert. Die von der Kommission erfolgte Darstellung, die nicht frei von Tendenzen sei, beeinträchtige in letzter Konsequenz die Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten bezüglicher ihrer Energiequellen und Energieversorgung. Die Kommission lasse eine generelle Zentralisierungstendenz im Energiebereich erkennen, so die Sorge des Bundesrats, der in diesem Zusammenhang darauf drängt, den Europäischen Grundsatz, dass der jeweilige Energiemix Sache der einzelnen Mitgliedstaaten ist, nicht zu beschneiden.

Energieunion Thema im Bundesratsplenum am 3. Juni

Wie der Ausschuss auf Antrag von Marco Schreuder (G/W) einhellig beschloss, soll die Mitteilung auf die Tagesordnung der Plenarsitzung am 3. Juni 2015 gesetzt werden, um dieses wichtige Thema nochmals in breiter Öffentlichkeit zu beraten.  

Die Mitteilung des Ausschusses wurde schließlich mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen angenommen. Die Freiheitlichen votierten dagegen, auch wenn die Intention der Mitteilung an sich richtig sei. Die FPÖ lehne aber die Energieunion ab, wie Monika Mühlwerth (F/W) erläuterte. Nach Meinung der FPÖ müsste es im Gegensatz dazu zu einer Dezentralisierung kommen, um Abhängigkeiten zu vermeiden.

Die Ankündigungen der EU-Kommission

Die Energieunion - eine der Leitinitiativen von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker – ist als ein politikfeldübergreifender, strategischer Rahmen für die Neuausrichtung der Energiepolitik auf europäischer und nationaler Ebene gedacht. Das fragmentierte System "mit unkoordinierten nationalen Strategien, Markthemmnissen und in Bezug auf die Energieversorgung isolierten Gebieten" soll mit der Verwirklichung der Energieunion der Vergangenheit angehören, so die Kommission. Angestrebt wird laut Kommission eine nachhaltige, CO2-arme und klimafreundliche Wirtschaft, die nicht mehr auf fossile Brennstoffe und veraltete Technologien baut. Ziel einer krisenfesten, auf einer ehrgeizigen Klimapolitik basierenden Energieunion sei die Versorgung der Privathaushalte und Unternehmen mit sicherer, nachhaltiger, auf Wettbewerbsbasis erzeugter und erschwinglicher Energie. Die Verwirklichung dieses Ziels erfordere eine grundlegende Umstellung des europäischen Energiesystems."

Inhaltlich basiert die Energieunion auf fünf miteinander verbundenen Dimensionen: auf der Sicherheit der Energieversorgung, der Solidarität und auf Vertrauen; auf einen vollständig integrierten europäischen Energiemarkt; auf Energieeffizienz als Beitrag zur Senkung der Nachfrage; auf Verringerung der CO2-Emissionen der Wirtschaft sowie auf Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

Kritische Stimmen im Ausschuss

Die Bundesrätinnen und Bundesräte sahen aber zwischen diesen Ankündigungen und dem Inhalt der Kommissions-Mitteilung eine Diskrepanz, die sie in ihrer Stellungnahme an die europäischen Institutionen artikulieren. Dieser Kritik wurde auch in der Diskussion deutlich Ausdruck verliehen.

Marco Schreuder (G/W) sieht im Papier der Kommission eine "Bankrotterklärung" der EU in Hinblick auf den Klimaschutz. Die Atomkraft werde verdeckt vorangetrieben und die EU setze zudem auf Schiefergas, was sich in den USA bereits als Blase herausgestellt habe. Ähnlich reagierte Stefan Schennach (S/W) auf die Vorschläge der Kommission. Diese bezeichne die Atomenergie als sicherste Energie, stelle den Einsatz von Kohle verschwommen dar und nenne Fracking als eine der großen Optionen. Im Gegensatz dazu werde die erneuerbare Energie verschwiegen, fasste er seine Kritik zusammen, der sich auch Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) vollinhaltlich anschloss. Er sehe die Tendenz der EU-Energiepolitik ähnlich drastisch, die Risiken von Atomenergie und Fracking würden verharmlost, so der Ausschussvorsitzende. Mayer, Schennach und Schreuder waren sich auch darin einig, dass Klimaschutz und Energiepolitik ein gemeinsames europäisches Anliegen darstellen. Man müsse dabei aber genau darauf schauen, ob die Ziele des Klimaschutzes auch tatsächlich erreicht werden. In einer neuen Energiepolitik lägen unglaubliche wirtschaftliche Potenziale, sie würde die EU auch unabhängig machen.

Gerd Krusche (F/St) gab im Hinblick auf das Fracking zu bedenken, dass man die technologische Entwicklung abwarten müsse. Wie Fracking derzeit in den USA betrieben werde, komme selbstverständlich nicht in Frage, man dürfe aber das Kind nicht mit dem Bad ausschütten, meinte er mit Hinweis auf die Forschungen der Montanuniversität Leoben. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


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