Parlamentskorrespondenz Nr. 513 vom 13.05.2015

EU-Abgeordnete dürfen künftig an Debatten im Nationalrat teilnehmen

GO-Ausschuss ebnet Weg für gemeinsame Initiative von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS

Wien (PK) – Österreichische Europaabgeordnete können künftig auch an Debatten im Nationalrat teilnehmen. Der Geschäftsordnungsausschuss hat heute den Weg für eine entsprechende Initiative der Koalitionsparteien, der Grünen und der NEOS geebnet. Das Rederecht wird demnach für Aktuelle Europastunden und Debatten über EU-Erklärungen der Regierung gelten. Außerdem sollen die EU-ParlamentarierInnen auch dann im Hohen Haus mitdiskutieren können, wenn es um eine Änderung des EU-Grundlagenvertrags geht oder wenn hochrangige internationale Gäste vor dem Nationalrat eine Erklärung abgeben. Der Beschluss im Ausschuss fiel mit breiter Mehrheit, lediglich die FPÖ und das Team Stronach stimmten dagegen.

Voraussetzung für Wortmeldungen von Europaabgeordneten in Plenardebatten ist eine zeitgerechte Nominierung durch den eigenen Klub, und zwar spätestens 48 Stunden vor der Diskussion. Zudem wird das Rederecht auf je einen Europaabgeordneten bzw. eine Europaabgeordnete pro Fraktion beschränkt, als Redezeit sind fünf Minuten vorgesehen. Bei Erklärungen namhafter internationaler Persönlichkeiten entscheidet die Nationalratspräsidentin nach Beratungen in der Präsidiale über die etwaige Beiziehung von EP-Abgeordneten zur Debatte.

Basis für den Beschluss bildete ein Gesetzesantrag der Koalitionsparteien (674/A), der durch einen gemeinsamen Abänderungsantrag von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS umfassend überarbeitet wurde. Neben einem Rederecht bei Plenardebatten sieht er auch ein ausgeweitetes Rederecht von Europaabgeordneten in den Ausschüssen des Nationalrats vor. Die EU-MandatarInnen haben künftig nicht nur die Möglichkeit, an den Beratungen der EU-Ausschüsse, sondern, im Falle eines entsprechenden Verlangens des eigenen Klubs, auch an den Beratungen von Fachausschüssen teilzunehmen, etwa wenn diese eine Aktuelle Europa-Aussprache auf der Tagesordnung haben oder über einen vom zuständigen Regierungsmitglied vorgelegten EU-Vorhabensbericht diskutieren. Neu ist überdies die Möglichkeit der beiden EU-Ausschüsse des Nationalrats, einen Fachausschuss durch Vorlage eines Berichts direkt mit einem bestimmten EU-Vorhaben zu befassen.

Schließlich wird mit dem gemeinsamen Antrag von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS auch ein Rederecht herausragender Persönlichkeiten der europäischen und internationalen Politik im Hohen Haus geschäftsordnungsrechtlich verankert. Wichtige ausländische PolitikerInnen können demnach vom Nationalratspräsidenten bzw. von der Nationalratspräsidentin nach Beratung in der Präsidialkonferenz zur Abgabe einer Erklärung zu einem bestimmten Thema eingeladen werden. Im Gegenzug zu dieser neuen Bestimmung entfallen die geltenden Bestimmungen über die Abhaltung einer EU-Enquete, sie war bislang als Vehikel für Diskussionen von Abgeordneten mit internationalen Persönlichkeiten gedacht.

Abseits des Themenkomplexes Rederecht wird normiert, dass nicht nur eine Krankheit, sondern auch andere medizinische Ursachen ein triftiger Verhinderungsgrund für die Nichtteilnahme von Abgeordneten an Nationalratssitzungen sind. Das betrifft etwa für weibliche Abgeordnete die Zeit unmittelbar vor oder nach der Geburt eines Kindes oder Rehab-Behandlungen nach einem Unfall.

Begründet wird die Gesetzesinitiative von den AntragstellerInnen mit der zunehmenden Bedeutung von EU-Themen in der politischen Diskussion. Durch die Beiziehung von Europaabgeordneten zu Debatten könne deren Expertise, Erfahrung und Sichtweise verstärkt in die Beratungen des Nationalrats einfließen, heißt es in den Erläuterungen.

Mit dem Beschluss des Antrags gelten eigenständige Anträge der Grünen (547/A) und der NEOS (502/A) als miterledigt. In Kraft treten soll die Novelle zum Geschäftsordnungsgesetz am 1. August.

FPÖ gegen Rederecht von Europaabgeordneten im Plenum

Abgeordneter Gernot Darmann begründete die Ablehnung des Antrags durch die FPÖ damit, dass es keine Notwendigkeit gebe, Europaabgeordneten im Plenum des Nationalrats ein Rederecht einzuräumen. Es wäre sinnvoller, würden die EU-ParlamentarierInnen in den Ausschüssen mitdiskutieren und dort ihre Expertise einbringen, sagte er. Darmann bezweifelte außerdem, dass die Anknüpfung des Rederechts an die Zugehörigkeit zu einem Parlamentsklub im Hohen Haus EU-Recht entspricht und damit verfassungskonform ist. Europaabgeordnete, die keinem Klub angehören und damit keine Verbindung zum Nationalrat haben, seien von den Beratungen ausgeschlossen.

Für das Plenum stellte Darmann ein differenziertes Abstimmungsverhalten der FPÖ in Aussicht. Unter anderem will die FPÖ der stärkeren Einbeziehung von Europaabgeordneten in die Ausschussarbeit und der geänderten Verhinderungsregelung für Abgeordnete zustimmen.

Ausdrücklich begrüßt wurde die Gesetzesinitiative, die bereits im Geschäftsordnungs-Komitee des Nationalrats ausführlich vorberaten worden war, von den Abgeordneten Otto Pendl (S), August Wöginger (V) und Dieter Brosz (G). Die erzielte Kompromissvariante sei eine gute, nicht zuletzt, weil sie auch praktikabel sei, betonte Brosz. Er sieht auch kein Problem darin, dass Europaabgeordnete, die keinem Parlamentsklub angehören, vom Rederecht ausgenommen sind, schließlich könnten von den anderen Europaabgeordneten auch nicht alle, sondern immer nur jeweils einer pro Fraktion sprechen.

Vorab-Prüfung von Staatsverträgen durch den VFGH: FPÖ-Antrag vertagt

Vom Geschäftsordnungsausschuss mit breiter Mehrheit vertagt wurde ein Gesetzesantrag der FPÖ (79/A), der darauf abzielt, dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu geben, Staatsverträge schon vor ihrer Kundmachung im Bundesgesetzblatt auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Derartige Prüfanträge sollen demnach von 20 Abgeordneten zum Nationalrat, 7 Mitgliedern des Bundesrats oder einer Landesregierung eingebracht werden können. Stellt der Verfassungsgerichtshof fest, dass der Staatsvertrag verfassungswidrig ist, wäre gemäß dem FPÖ-Vorschlag eine Genehmigung durch den Nationalrat unzulässig und der Ratifikationsprozess umgehend zu stoppen.

SPÖ-Abgeordneter Otto Pendl begründete die Vertagung damit, dass man noch genauer prüfen müsse, wie man den Sachverhalt am besten geschäftsordnungsrechtlich regle. Grundsätzlich stehe er dem Anliegen positiv gegenüber, versicherte er. Auch Grün-Abgeordneter Dieter Brosz und Zweiter Nationalratspräsident und Ausschussvorsitzender Karlheinz Kopf (V) sehen noch einigen Klärungsbedarf. Man habe sich in der Präsidiale ohnehin darauf geeinigt, offene Geschäftsordnungsfragen möglichst bald im GO-Komitee zu besprechen, hoben Brosz und Kopf hervor, dort könnte man dann auch über den Vorschlag der FPÖ beraten.

FPÖ verlangt Ausweitung des Interpellationsrechts

Einstimmig vertagte der Ausschuss schließlich einen Antrag der FPÖ (7/A) zur Ausweitung des Interpellationsrechts von Abgeordneten. Geht es nach Abgeordnetem Harald Stefan und seinen FraktionskollegInnen sollen die Regierungsmitglieder verpflichtet werden, Abgeordneten und BundesrätInnen auch Auskünfte über Fragen zur Geschäftsführung staatsnaher Unternehmen zu erteilen. Das Fragerecht der Abgeordneten sei in der Vergangenheit durch die Ausgliederung von Unternehmen sukzessive eingeschränkt worden, klagt er. Der Vertagungsantrag wurde von der FPÖ selbst eingebracht, mit dem Argument, dass eine Neuformulierung des Interpellationsrechts ohnehin im Zuge der Beratungen über das geplante Informationsfreiheitsgesetz in Diskussion stehe. (Schluss) gs