Parlamentskorrespondenz Nr. 769 vom 01.07.2015

Schlichtungsstellen sollen Lücken bei Konsumentenschutz schließen

Sozialausschuss billigt Umsetzung von EU-Vorgaben im Verbraucherrecht

Wien (PK) - KonsumentInnen sollen in der Europäischen Union lückenlose Unterstützung zur Durchsetzung ihrer Rechte finden. Darauf zielen EU-Vorgaben zur Schaffung eines flächendeckenden Netzes alternativer Streitschlichtungsstellen (AS) für Verbraucherangelegenheiten ab. Der Sozialausschuss des Nationalrats verabschiedete heute zur Umsetzung der EU-Bestimmungen eine entsprechende Gesetzesvorlage mit breiter Mehrheit. Bestehende Streitschlichtungsstellen, etwa von Post und Energie-Control, werden künftig mit "AS" klassifiziert, als "Auffangschlichtungsstelle" für Beschwerden außerhalb der Zuständigkeit anderer Ombudseinrichtungen soll künftig die Schlichtungsstelle für Verbrauchergeschäfte fungieren. Neben der Stärkung von Verbraucherrechten wird erhofft, die Neuordnung im Konsumentenschutz entlaste auch die Gerichte. Bedenken der NEOS, ob das neue Modell ausreichend Vielfalt an Schlichtungsstellen ermöglicht, begegnete Bundesminister Rudolf Hundstorfer mit dem Hinweis, aufgrund der erforderlichen Zertifizierung von Streitschlichtungsstellen habe man die Zahl der zugelassenen Einrichtungen begrenzen müssen.

Die Situation von Menschen mit Behinderung beschäftigte den Ausschuss anhand zweier Team-Stronach-Anträge, die beide von SPÖ und ÖVP vertagt wurden. In der Warteschleife sind somit die Forderungen zur Vereinfachung der Rehabilitationsförderung und zur Reduktion von ORF-Gebühren für sehbehinderte Menschen.

Mehr Konsumentenschutz durch alternative Streitbeilegung erhofft

Für alle Beschwerden, die aus Kauf- und Dienstleistungsverträgen resultieren, soll künftig eine Anlaufstelle vorhanden sein: das ist Kern einer EU-Richtlinie und einer EU-Verordnung, denen Österreich mit einem eigenen Gesetz, dem "Bundesgesetz über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten", Rechnung tragen will. Gemäß den EU-Vorgaben werden darin einheitliche Qualitätskriterien für Schlichtungsstellen festgelegt. Entsprechen sollen der neuen Klassifizierung als Alternative Streitschlichtungsstelle (AS) die Schlichtungsstelle der Energie-Control, die Telekom- und die Post-Schlichtungsstelle der RTR, die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, die gemeinsame Schlichtungsstelle der österreichischen Kreditwirtschaft, der Internet-Ombudsmann, die Ombudsstelle Fertighaus sowie die Schlichtungsstelle für Verbrauchergeschäfte. Mit 9. Jänner 2016 sollen die neuen Bestimmungen in Kraft treten, die Kosten der Verbraucherschutzeinrichtungen werden vom Sozialministerium auf etwas mehr als 400.000 € jährlich geschätzt.

Zentrales Ziel der Schlichtungsstellen ist laut Regierungsvorlage, Streitigkeiten zwischen KonsumentInnen und Unternehmen rasch und effizient aus der Welt zu schaffen. Der Zugang zu den Schlichtungsstellen soll in der Regel kostenlos sein, allerdings kann von VerbraucherInnen gegebenenfalls ein geringfügiger Beitrag zu den Verfahrenskosten verlangt werden. VerbraucherInnen sind zudem verpflichtet, sich zunächst selbst um eine Einigung mit dem Unternehmen zu bemühen, bevor sie sich an eine Schlichtungsstelle wenden. Die Verfahrensregeln können auch vorsehen, den Parteien während eines anhängigen Verfahrens und danach zu untersagen, die Streitsache an die Öffentlichkeit zu bringen.

Über ihre Tätigkeit müssen die AS-Stellen unter Einhaltung des Datenschutzes laufend die Öffentlichkeit informieren, wobei in Jahresberichten unter anderem Anzahl und Art der Beschwerden, systematische und signifikante Problemstellungen und der durchschnittliche Zeitaufwand für die Lösung von Streitigkeiten aufzuscheinen haben. Grundsätzlich sollen Verfahren binnen 90 Tagen abgeschlossen werden. Ob die Streitparteien einem Lösungsvorschlag der zuständigen Schlichtungsstelle zustimmen, bleibt ihnen überlassen. Informationen über Kontaktstellen im EU-Ausland bietet in Österreich das Europäische Verbraucherzentrum an.

Unternehmen, die gesetzlich oder anderweitig verpflichtet sind, an Schlichtungsverfahren teilzunehmen, müssen künftig auf ihrer Website die für sie zuständige Schlichtungsstelle bekannt geben. Alle Unternehmen trifft außerdem die Pflicht, die KonsumentInnen nach nicht anerkannten Beschwerden darüber zu informieren, an welche AS-Stelle sie sich wenden können und ob sie gegebenenfalls bereit wären, an einem Streitschlichtungsverfahren teilzunehmen. Laut Vorlage gebe es jedoch für Betriebe keine Verpflichtung dafür, an Schlichtungsverfahren teilzunehmen, äußerte Birgit Schatz (G) ihre Sorge, ob Unternehmen tatsächlich die Bereitschaft zur unbürokratischen Streitbeilegung zeigen würden. Wiewohl sie die Neuerung im KonsumentInnenschutz grundsätzlich begrüßte, hinterfragte die Grünen-Mandatarin außerdem die Kosten für VerbraucherInnen, die ja laut Entwurf mit "geringfügigen Beiträgen" bei AS-Verfahren zu rechnen hätten. Wie hoch diese Beträge seien, hätten die Alternativen Streitschlichtungsstellen auf freiwilliger Basis in ihren Verfahrensregeln festzulegen, informierte in seiner Zuständigkeit für Konsumentenschutzfragen Bundesminister Hundstorfer. Generell bleibe die Kostenentwicklung der AS-Einrichtungen abzuwarten, da man hier Neuland betrete. Deswegen mache es auch wenig Sinn, das System für sämtliche Verbrauchereinrichtungen zu öffnen, meinte er gegenüber Abgeordnetem Gerald Loacker (N). Die Überprüfung der Standards bei unzähligen Streitschlichtungsstellen hätte einen unangemessenen Aufwand bedeutet. Namens seiner Fraktion verweigerte der NEOS-Mandatar dennoch im Ausschuss die Zustimmung zum Gesetzesentwurf, behielt sich aber vor, im Nationalratsplenum anders zu votieren.  

Bei einem Pilotprojekt zu alternativen Schlichtungsverfahren für Verbrauchergeschäfte habe sich bereits gezeigt, warf Abgeordnete Angela Lueger (S) ein, dass in rund 70 Prozent der Fälle eine Einigung am Verhandlungs- bzw. Vermittlungsweg erzielt werden konnte. Die Neuregelung bilde somit eine gute Grundlage dafür, dass Menschen leichter zu ihrem Recht kommen, was besonders bei kleineren Streitfällen von Bedeutung sei. Einen Vertagungsantrag der FPÖ, die den Gesetzesentwurf lieber im Konsumentenschutzausschuss diskutieren wollten, lehnte die Ausschussmehrheit ab.

Team Stronach will Anpassungen bei Rehabilitationsförderung und ORF-Gebühren

Dem Team Stronach ist eine bundesweite Harmonisierung der Förderungen im Bereich der Rehabilitation ein großes Anliegen. Im Konkreten drängt der frühere Team Stronach-Abgeordnete Marcus Franz, jetzt Mitglied im ÖVP-Klub, in seinem Antrag (169/A[E]) auf eine vereinfachte Abwicklung von Förderansuchen, das gleiche Recht auf Rehabilitation für alle Betroffenen unabhängig vom zuständigen Versicherungsträger, die Gleichstellung von beruflicher und sozialer Rehabilitation sowie eine bundesweit einheitliche Abwicklung von Transferleistungen. Derzeit werde die Förderabwicklung teils vom Bund, teils von den Ländern gesteuert, dadurch würden sich nicht nur lange Wartezeiten für Betroffene, sondern auch enorme Unterschiede bei den gewährten Leistungen ergeben, so die Kritik. Obwohl er generell die Harmonisierung von Unterstützungsleistungen begrüße, sei eine solche im föderalen System des Versicherungswesens schwer umzusetzen, argumentierte Franz-Joseph Huainigg (V) seinen Vertagungsantrag für die Oppositionsforderung. Seine Einschätzung in puncto Föderalismus deckte sich mit jener von Gerald Loacker (N) und Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F). Die Freiheitliche plädierte in diesem Zusammenhang außerdem für eine Zusammenlegung der Krankenkassen, um alle Leistungen flächendeckend zu harmonisieren.

Weiter in Behandlung wissen möchte Huainigg auch die Anregung des Team Stronach, ORF-Gebühren für sehbeeinträchtigte Menschen (639/A(E)) zu reduzieren. Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen könnten nur einen kleinen Bruchteil des ORF-Programms nützen und sollten daher auch nur Gebühren analog zur tatsächlich konsumierbaren Sendezeit, also etwa 8%, zahlen, heißt es im Oppositionsantrag. Huainigg merkte dazu an, vormals hätten Personen mit Behinderung gar keine GIS-Gebühren erbringen müssen, worunter die barrierefreie Programmgestaltung gelitten habe. Mittlerweile seien immerhin 60 Prozent der ORF-Sendungen untertitelt, lobte der ÖVP-Mandatar und zeigte sich zuversichtlich, der öffentlich-rechtliche Rundfunk werde die Barrierefreiheit noch weiter ausbauen. (Schluss Sozialausschuss) rei/gs