Parlamentskorrespondenz Nr. 1434 vom 16.12.2015

EU-Ausschuss erteilt Nationalen Wettbewerbsräten eine Absage

Länderkammer: Gegen Kommissionsplan zur Schaffung von Ausschüssen für Wettbewerbsfähigkeit, uneins bei EU-Arbeitsmarktpolitik

Wien (PK) – Neue Behörden zur Überwachung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit im Land braucht Österreich nicht, meint der EU-Ausschuss des Bundesrats in Reaktion auf einen dahingehenden Vorschlag der Europäischen Kommission. Einstimmig verabschiedeten die Bundesrätinnen und Bundesräte heute eine kritische Mitteilung an Brüssel, die der Schaffung nationaler Wettbewerbsräte (WBR) in der Eurozone eine Absage erteilt. Das Ziel der Kommission, im Rahmen der Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) mehr Konvergenz der einzelnen Volkswirtschaften und der Wettbewerbsfähigkeit unter den Euro-Ländern herzustellen, begrüßten die Ausschussmitglieder zwar grundsätzlich. Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) brachte aber die Kritik auf den Punkt: Das gut funktionierende heimische System der autonomen Lohnverhandlungen durch die Sozialpartner würde mit Wettbewerbsräten, die Einfluss nehmen, geschwächt.

Unterschiedliche Rückmeldungen gaben die Ausschussmitglieder hingegen den EU-Empfehlungen zur staatlichen Unterstützung von Langzeitarbeitslosen bei ihrer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Während Bundesrat Stefan Schennach (S/W) das politische Signal in der europäischen Auseinandersetzung mit Arbeitslosigkeit begrüßte, wertet Bernhard Rösch (F/W) die gegenständlichen Vorschläge als gehaltlos und auch Heidelinge Reiter (G/S) hinterfragte den praktischen Nutzen der empfohlenen Maßnahmen.

Welche Haltung die EU-Ausschüsse der nationalen Parlamente in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu Asylfragen einnehmen, skizzierte eingangs Stefan Schennach (S/W) mit Verweis auf die jüngste Sitzung der COSAC (Konferenz der EU-Ausschüsse) in Luxemburg. Die Visegrád-Gruppe Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn zeigen sich Schennach zufolge weiterhin uneinsichtig in Bezug auf eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Länder, was Deutschland sogar veranlasst habe, einen Stopp finanzieller Zuwendungen der EU an die Visegrád-Staaten anzudenken. Einigkeit bestehe indes über die Notwendigkeit, das Dublin-System zur Aufnahme von Asylsuchenden zu reformieren und die EU-Außengrenzen zu sichern. Unabhängig von der Flüchtlingsfrage warb der SPÖ-Mandatar dafür, Möglichkeiten zu schaffen, um als EU-Ausschuss mit Anregungen zur Gesetzgebung an die Europäische Kommission heranzutreten. Damit würde der Ausschuss seiner gestaltenden Rolle in der EU-Politik weit eher gerecht als nur mit Rügen zu Legislativvorschlägen der Kommission.

Geeintes Auftreten für Sozialpartnerschaft

Konsens bestand unter den Ausschussmitgliedern in ihrer Ablehnung von Wettbewerbsbehörden, die auf die Tarifverhandlungen der Sozialpartner Einfluss nehmen können. Dieses Vorhaben der Kommission mache speziell für Österreich keinen Sinn, waren etwa die Bundesräte Edgar Mayer (V/V), Stefan Schennach (S/W), Bernhard Rösch (F/W) und Ferdinand Tiefnig (V/O) einig. Außerdem, fügten Rösch und Tiefnig an, bestehe bei einer Harmonisierung des Lohnniveaus die Gefahr, dass die heimischen Standards nach unten nivelliert werden – Stichwort 13. und 14. Monatsgehalt. Mayer betonte, mit dem Schreiben an Brüssel wolle man daher Eingriffen in die sozialpartnerschaftlichen Lohnverhandlungen vorbeugen, was Schennach grundsätzlich auch so sieht. Der Sozialdemokrat merkte jedoch an, in der Mitteilung noch stärkeren Protest erwartet zu haben. Immerhin sei die österreichische Sozialpartnerstruktur unverzichtbar für den sozialen Frieden im Land und sollte ein Lehrbeispiel für andere Mitgliedsstaaten sein.

In der Mitteilung an die Institutionen der Europäischen Union hält der EU-Ausschuss dezidiert fest, Österreich habe eine ausgereifte und gut funktionierende Sozialpartnerschaft, die umfassend und ausgewogen die österreichische Lohnpolitik behandle. Darüber hinaus bestünden in Österreich – sowie in einigen anderen Mitgliedstaaten - bereits Wirtschaftsforschungsinstitute, die sich mit der Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit befassen, weswegen die Einrichtung von eigenen Wettbewerbsfähigkeitsausschüssen nicht notwendig sei. Sollten solche Gremien dennoch installiert werden, will der Bundesrat jedenfalls die volle Achtung der Autonomie der Sozialpartner sichergestellt wissen, um Eingriffe in Lohnverhandlungen auszuschließen. Zu bedenken geben die AntragstellerInnen auch, die vorgeschlagenen Maßnahmen widersprächen dem Vorsatz des Bürokratieabbaus in der EU.

Zu dieser Klarstellung bewogen hat den Ausschuss eine Empfehlung der EU-Kommission, die Staaten der Eurozone mögen weisungsunabhängige Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit einrichten und von ihnen die Entwicklung von Arbeitskosten, Produktivität und Innovationskapazität überwachen lassen. Weiters wird vorgeschlagen, von diesen Wettbewerbsgremien Informationen für den Lohnbildungsprozess auf nationaler Ebene einzuholen. Einschlägige Interessensträger wie die Sozialpartner könnten dabei konsultiert werden, geht es nach dem Kommissionsplan, der Wettbewerbsrat dürfe jedoch nicht zu deren Sprachrohr werden. Zentrale Aufgabe der Wettbewerbsräte sollte neben der Überwachung nationalstaatlicher Politiken in Hinblick auf ihre Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit die Kooperation mit den Schwestergremien in anderen Mitgliedsstaaten und mit der EU-Kommission sein.

Seitens des Bundeskanzleramts und des Finanzministeriums wurde vorab klargestellt, an Österreichs Einstellung zu den angedachten Wettbewerbsräten habe sich seit der letzten Sitzung des EU-Ausschusses nichts geändert (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1278). Weiterhin sei ein Mehrwert zusätzlicher Wettbewerbsbehörden nicht erkennbar, bestätigte in der Ausschusssitzung ein Vertreter der Wirtschaftskammer derartige Bedenken der Ausschussmitglieder, wiewohl er die Wettbewerbsräte als Motor für Wirtschaftswachstum nicht von vornherein ablehne. Eine Einmischung der EU in Lohnfindungsprozesse von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern dürfe es aber nicht geben, zumal Kollektivvertragsverhandlungen weit mehr beinhalten als nur Gehaltsabsprachen. Den Blick alleine auf die Steigerung der Löhne zu richten, greife bei der Wirtschaftspolitik schlicht zu kurz.

Unstimmigkeiten bei EU-Arbeitsmarktpolitik

Unterschiedlich bewerteten die Ausschussmitglieder den Vorschlag der EU-Kommission für eine Empfehlung des Europäischen Rats, der die Verbesserung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung der über 12 Millionen langzeitarbeitslosen Personen in der Europäischen Union zum Ziel hat. So sagte Berhard Rösch (F/W) mit Verweis auf die Steigerung der Arbeitslosenzahl besonders bei den über 50-Jährigen, die Empfehlungen der EU in diesem Bereich nützten tatsächlich wenig. Resultat seien höchstens Mehrkosten für Nettozahlerländer. Kritik an der Finanzierung der angedachten Maßnahmen, die laut Kommissionpapier kostenneutral sein sollen, kam auch von Eduard Köck (V/N). Bei einer Umschichtung von Mitteln aus EU-Töpfen in den Europäische Sozialfonds (ESF) für die Umsetzung der Vorschläge fehle unweigerlich an anderen Stellen das Geld.

Diesen Vorhaltungen widersprach Stefan Schennach (S/W), der in den Empfehlungen der EU verdeutlicht sieht, das Arbeitsmarktservice sei weit mehr als eine reine Verwaltungsstelle für Arbeitslose. Zudem würden die bestehenden ESF-Mittel derzeit nicht von allen EU-Mitgliedsländern vollständig ausgeschöpft. Dennoch sei für Österreich ein konkreter Mehrwert der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduktion der Arbeitslosenzahlen nicht erkennbar, führte Bundesrätin Ana Blatnik (S/K) anhand einer Stellungnahme der Kärntner Landesregierung ins Treffen.

In den Augen der Kommission haben die EU-Mitgliedsstaaten die Registrierung von Arbeitslosen bei den öffentlichen Arbeitsmarktverwaltungen zu verbessern und den Anteil von Langzeitarbeitslosen bei Wiedereingliederungsmaßnahmen zu erhöhen, wobei Gewicht gelegt wird auf die individualisierte und kontinuierliche Betreuung der Arbeitssuchenden. Beispielsweise soll es eine gründliche individuelle Bestandsaufnahme für alle gemeldeten Langzeitarbeitslosen spätestens nach 18 Monaten Arbeitslosigkeit geben, um deren Bedürfnisse und Potenziale zu ermitteln. Nach Dafürhalten Österreichs sei diese Zeitspanne allerdings zu lange, meinte ein Experte des Sozialministeriums zu diesem Punkt im Kommissionspapier, das habe man bei den Verhandlungen verdeutlicht. Die Anregung, bereits nach sechs Monaten Initiativen seitens der Arbeitsmarktverwaltung zu setzen, wollte die Kommission ungeachtet dessen nicht aufgreifen, da einige Länder aufgrund ihrer hohen Arbeitslosenzahlen damit nicht zurecht kämen. Bedenken über finanzielle Auswirkungen versuchte der Vertreter des Ministeriums mit dem Hinweis auszuräumen, zusätzliche Mittel seien zur Umsetzung der Maßnahmen nicht veranschlagt. Überhaupt hätten die Vorgaben der EU als Empfehlung des Rats nur einen schwachen Rechtscharakter.

Österreich entspreche mit seiner Arbeitsmarktpolitik bereits im Wesentlichen den angeregten Leitlinien, folgerte Edgar Mayer (V/V), und wurde darin vom Sachverständigen des Sozialministeriums bestätigt. Bei den bisweilen abgeschlossenen Verhandlungen über das Kommissionspapier sei aber kritisiert worden, teilte er mit, dass Österreich für Langzeitarbeitslose nicht eine umfassend zuständige Anlaufstelle habe, die Personen betreut, egal ob sie Notstandshilfe oder bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen.

Zur Erläuterung des Hintergrunds dieses Vorstoßes der Kommission zieht das Sozialministerium die Statistik heran: Trotz der wirtschaftlichen Erholung und der Anzeichen für eine Verbesserung auf dem EU-Arbeitsmarkt hat sich demnach die Zahl der Langzeitarbeitslosen in der EU zwischen 2007 und 2014 verdoppelt, von 2,6% auf 5,1%. Das sei etwa die Hälfte aller Arbeitslosen, wobei der Anteil jener, die innerhalb des zweiten Jahres der Arbeitslosigkeit wieder einen Job finden, im Unionsraum stark schwankt - von 11% in Griechenland bis zu 46% in Dänemark. Der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge sind 73% der Langzeitarbeitslosen bei den öffentlichen Arbeitsverwaltungen registriert, nur etwa 24% erhalten Arbeitslosengeld und an aktivierender Arbeitsmarktpolitik sind von ihnen EU-weit 20% beteiligt. In Österreich schaffen nach einem Jahr Arbeitslosigkeit rund 50% der Personen die Rückkehr in ein festes Arbeitsverhältnis, informierte der BMASK-Vertreter Marianne Hackl (V/B), nach zwei Jahren ohne Beschäftigung verringere sich der Anteil jedoch auf etwa 20%. Das zeige: Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, desto schwerer wird die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. (Fortsetzung EU-Ausschuss) rei


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