Parlamentskorrespondenz Nr. 993 vom 27.09.2016

Kurz gegen Öffnung weiterer EU-Verhandlungskapitel mit der Türkei

Flüchtlingskrise und Türkei im Fokus einer aktuellen Aussprache des Außenpolitischen Ausschusses

Wien (PK) – Sebastian Kurz will in der Frage eines EU-Beitritts der Türkei "mit offenen Karten spielen". In einer aktuellen Aussprache des Außenpolitischen Ausschusses bekräftigte der Minister, es sei derzeit nicht angebracht, weitere Verhandlungskapitel mit Ankara zu öffnen, vielmehr sollte man klar sagen, dass ein Vollbeitritt der Türkei nicht das Ziel ist. Was die Flüchtlingskrise betrifft, unterstützte er die Idee von Rückführungsabkommen, gab aber zu bedenken, ohne Druck auf die Herkunftsländer werde es nicht gehen. Fest steht für Kurz überdies, dass die MigrantInnen bereits an der Grenze gestoppt werden müssen.

Kurz für "offene Karten" mit der Türkei

Es sei nicht sinnvoll, der Türkei lange etwas vorzugaukeln und dann zuzugeben, dass das nicht ernst gemeint war. Vielmehr sollte man mit offenen Karten spielen und klar aussprechen, dass sich die Türkei in den letzten Jahren weiter weg von der EU entwickelt hat, meinte Kurz. Der Außenminister zog dabei an einem Strang mit Ausschussobmann Josef Cap (S), der ebenso wie Christoph Vavrik von den NEOS für eine strategische Partnerschaft mit Ankara an Stelle eines Vollbeitritts eintrat. Verhaftungen, Massenentlassungen und Säuberungswellen sind inakzeptabel, unterstrich Kurz mit Nachdruck und stellte klar, trotz des Flüchtlingsdeals sei es notwendig, auf Menschenrechtsverfehlungen hinzuweisen. Auch gelte es, gegenüber Ankara weiter Druck für eine friedliche Lösung des Kurdenproblems zu machen, zeigte sich der Minister einer Meinung mit Aslan Aygül Berivan (G).

Rückführungsabkommen: Kurz will Druck auf die Herkunftsländer ausüben

Die Migrationskrise bezeichnete Kurz als globales Problem, meinte aber, von Lösungen auf internationaler Ebene sei man noch weit entfernt. Es sei deshalb wichtig, nationale Maßnahmen an den Grenzen zu setzen und die MigrantInnen bereits an der EU-Außengrenze zu stoppen. Je mehr Menschen wir aufnehmen, desto schwieriger wird es sein, sie wieder zurückzustellen, brachte Kurz die Herausforderung aus seiner Sicht auf den Punkt. Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge, wie sie etwa Johannes Hübner (F) und Christoph Hagen (T) forderten, hält der Minister für sinnvoll, wenngleich er zu bedenken gab, dass es ohne Druck nicht gehen werde und Österreich in diesem Bereich weniger Möglichkeiten habe als etwa Großbritannien oder die EU als Ganzes. Man müsse jedenfalls zur Kenntnis nehmen, dass für viele Staaten in Afrika die Überweisungen ihrer Staatsangehörigen große Bedeutung haben. Vorstellbar ist für Kurz die Streichung von finanzieller Unterstützung einschließlich der Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit an jene Länder, die nicht bereit sind, illegale MigrantInnen zurückzunehmen. In diesem Bereich trat Kurz in Widerspruch zu Tanja Windbüchler-Souschill (G), die wie auch Petra Bayr (S) davor warnte, die EZA-Gelder für Migrationsmanagement einzusetzen.

Außenminister steht zur Schließung der Balkanroute

Die Schließung der Balkanroute sei der richtige Schritt gewesen, betonte Kurz und pflichtete dabei ÖVP-Mandatar Reinhold Lopatka bei. Wenn die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU trotz des Beschlusses vom letzten Jahr noch immer nicht funktioniert, dann liege es daran, dass viele Menschen nicht bereit sind, in Länder wie etwa Rumänien zu gehen. Dass durch die Schließung der Balkanroute nun Griechenland und Italien überfordert wären, wie dies Alev Korun (G) feststellte, ist für Kurz nicht nachvollziehbar. In keinem einzigen Jahr hätte es in diesen beiden Ländern mehr Asylanträge gegeben als in Österreich. Nicht gelten ließ Kurz den Vorwurf Koruns, Österreich betreibe in der Flüchtlingsfrage eine Politik der Abschottung. "Wir dürfen vor dem Leid der Welt nicht die Augen verschließen. Die unbeschränkte Aufnahme von Flüchtlingen in Mitteleuropa kann aber keine Antwort sein, dieses Leid zu lindern".

Insgesamt trat Kurz dafür ein, durch Einsatz von EZA-Mitteln die Situation der Menschen vor Ort zu verbessern.

Abgeordnete besorgt über humanitäre Lage in Syrien und im Nord-Irak

Was Syrien betrifft, fasste Andreas Schieder (S) die aktuelle Situation mit den Worten zusammen, eine friedliche Stabilisierung rücke nach den jüngsten Bombardements in die Ferne. Seine Fraktionskollegin Christine Muttonen zeigte sich in diesem Zusammenhang besorgt über die Situation in den Flüchtlingslagern und sprach dabei auch eine zu erwartende Zuspitzung im Nord-Irak an. Syrien allein brauche 3,2 Mrd. €, bestätigte Kurz, der Bedarf an humanitärer Hilfe für die gesamte Region betrage 4,5 Mrd. €.(Fortsetzung Außenpolitischer Ausschuss) hof