Parlamentskorrespondenz Nr. 591 vom 17.05.2017

Nationalrat schickt Gewerbeordnungsnovelle zurück an den Start

Fraktionen wollen im Ausschuss neuen Anlauf nehmen, Änderungen im Wirtschaftskammergesetz passieren aber das Plenum

Wien (PK) – Der Beschluss der Gewerbeordnungsnovelle ist vorerst geplatzt. Nachdem sich mangels Zustimmung der Opposition abzeichnete, dass es für das One-Stop-Shop-Prinzip im Gewerbeanmeldungsverfahren nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit geben werde, haben die Parteien heute im Nationalrat einstimmig die Vorlage nochmals an den Wirtschaftsausschuss rückverwiesen. Die SPÖ, die von einem akzeptablen Kompromiss sprach, sieht noch Verbesserungsbedarf und erinnerte an den Vorschlag auf Einführung eines einzigen Gewerbescheins für alle freien Gewerbe. Die ÖVP signalisierte Gesprächsbereitschaft und drückte ihre Hoffnung aus, dass es noch vor dem Sommer zu einem Beschluss kommen werde. Erfreut über die neuerliche Befassung des Ausschusses zeigten sich die Oppositionsparteien, die den Entwurf in der vorliegenden Fassung geschlossen ablehnten.

Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ wurden hingegen Änderungen im Wirtschaftskammergesetz verabschiedet, die Entlastungen für die Unternehmen bei der Grundumlage bringen sollen. Einstimmigkeit bestand schließlich über Adaptierungen im Maß- und Eichgesetz, wobei es hier vor allem um den Wegfall von Eichpflichten bzw. die Verlängerung von Nacheichfristen geht.

Gewerbeordnungsreform will Schritte in Richtung Deregulierung und Liberalisierung setzen

Der Entwurf der Novelle, über den SPÖ und ÖVP im Wirtschaftsausschuss bereits Einigung erzielt hatten, bezweckt vor allem Entlastungen und Erleichterungen für Unternehmen durch Deregulierung und Verfahrensvereinfachungen. So werden die Teilgewerbe gestrichen, was dazu führt, dass nunmehr etwa Nageldesign, Fahrradtechnik oder Änderungsschneiderei als freie Gewerbe gelten. In Zukunft würde es damit 81 reglementierte und rund 440 freie Gewerbe geben. Bei den Nebenrechten ist eine Ausweitung geplant, wobei der Gesetzgeber für die ergänzenden Tätigkeiten Prozentsätze festlegt. Konkret könnten demnach 30% des Jahresumsatzes in einem anderen freien Gewerbe erzielt werden, für Tätigkeiten aus reglementierten Gewerben ist eine Obergrenze von 15% pro Auftrag vorgesehen. Die Gewerbeanmeldung wiederum soll  gebührenfrei sein.

In Anbetracht des kommenden Rauchverbots und damit zusammenhängender allfälliger Lärmbelastungen durch vor den Lokalen rauchende Gäste war im Entwurf auch eine Bestimmung über die Sperrstundenregelung enthalten. Gemeinden hätten damit die Möglichkeit, in Abwägung der Interessen der AnrainerInnen und der Lokalbetreiber und unter Beiziehung von Sachverständigen, die Sperrstunde vorzuverlegen. Adaptierungen der Sperrstundenregelung forderten auch FPÖ, NEOS und Team Stronach in einem gemeinsamen Antrag, der ebenso rückverwiesen wurde wie ein Initiativantrag von SPÖ und ÖVP, in dem klargestellt wird, dass Automatentankstellen als Betriebsanlagen im Sinn der Gewerbeordnung gelten.

Änderungen im Wirtschaftskammergesetz sollen Kammermitglieder entlasten

Auf Basis eines Initiativantrags der Regierungsparteien verabschiedeten die Abgeordneten hingegen mit den Stimmen von SPÖ,  ÖVP und FPÖ Änderungen im Wirtschaftskammergesetz, die auf eine Entlastung bei der Grundumlage abzielen. Bei Neugründungen entfällt nun im ersten Jahr nach der Gründung die Pflicht zur Zahlung der Grundumlage, ein neuer degressiver Staffeltarif wiederum bewirkt bei steigendem Vorsteuervolumen eine Senkung der Umlage. Darüber hinaus soll bei Vorliegen von mehreren Gewerbeberechtigungen, die allesamt zur Mitgliedschaft in ein und derselben Fachorganisation führen, die Grundumlage nur noch für eine einzige Fachorganisation anfallen. Neu im Gesetz ist weiters die ausdrückliche Berechtigung der Wirtschaftskammer, Daten zur Bekämpfung von Pfusch zu sammeln und zu verarbeiten. 

Einstimmigkeit über Novelle zum Maß- und Eichgesetz

Konsens herrschte über Anpassungen im Maß- und Eichgesetz. Die Novelle streicht bei einer Reihe von Messgeräten, etwa bei Abwasserzählern oder Drehzahlmessern, die Eichpflicht. Für andere Geräte, wie z.B. Längenmessgeräte, wiederum entfällt die Nacheichpflicht, während von der Verlängerung der Nacheichfristen schließlich elektronische Elektrizitätszähler, Gaszähler oder Reifendruckmessgeräte betroffen sind. Die Novelle soll nach fünf Jahren für die Verwender der Messgeräte eine Einsparung von rund 15,2 Mio. € jährlich und den Entfall von 164.000 Messungen pro Jahr bringen.

SPÖ sieht bei der Gewerbeordnung noch Verbesserungsbedarf

Die Vorlage sei ein akzeptabler Kompromiss, der Neustart in der ÖVP biete nun aber die Chance, das zu erreichen, was Reinhold Mitterlehner nicht durchsetzen konnte, meinte Christoph Matznetter (S). Die SPÖ hätte sich noch mehr an Verbesserungen gewünscht, bestätigte auch Cornelia Ecker. Aktuell bleibt für die KMU-Sprecherin der SPÖ vor allem die Forderung nach einem einzigen Gewerbeschein für alle freien Gewerbe. Ihre Fraktionskollegen Wolfgang Katzian und Walter Schopf wandten sich mit Nachdruck gegen die Aushebelung der Kollektivvertragszuordnung bei den Nebenrechten. So gehe es nicht an, dass sich Arbeitgeber aussuchen können, welchen Kollektivvertrag sie zahlen, warnte Katzian. Schopf wiederum geht es auch darum, die Lehrlingsausbildung attraktiver zu machen. Die Reform des Gewerberechts versuche, jene Fehler zu vermeiden, die in Deutschland oder den Niederlanden mit einer zu weitgehenden Liberalisierung passiert sind, sagte Josef Muchitsch (S). Der vorliegende Entwurf erfüllt seiner Ansicht nach das Ziel, die Qualität des Gewerbes zu erhalten. Franz Kirchgatterer (S) betonte den Wert der Sozialpartnerschaft und erklärte, die gute Fachausbildung im österreichischen Gewerbe müsse erhalten bleiben. Die Lehre müsse weiter gestärkt werden. Dieter Keck (S) schließlich begrüßte die Änderungen im Maß- und Eichgesetz als wesentliche Entbürokratisierungen und Erleichterungen.

ÖVP bedauert Scheitern der Novelle, signalisiert aber Gesprächsbereitschaft für Nachbesserungen

Gesprächsbereit zeigt sich Peter Haubner namens der ÖVP. Die Volkspartei sei gegen eine komplette Liberalisierung der Gewerbe, stellte er klar und erteilte "amerikanischen Verhältnissen" eine klare Absage. Vielmehr gelte es, Qualität und Qualifikation als Basis für die Gewerbe zu erhalten. Hermann Schultes (V) hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Meisterprüfung hervor und begrüßte im Übrigen alle Schritte, die den Gewerbetreibenden das Leben einfacher machen. Für den Tourismus sei in dem Entwurf sehr viel passiert, betonte Gabriel Obernosterer und bedauerte, dass die Erleichterungen nun nicht beschlossen werden konnten. Für ein mittleres Hotel brauche man derzeit sechs verschiedene Gewerbescheine, mit der Novelle hätte es nur eines einzigen Scheins bedurft, gab der ÖVP-Tourismussprecher zu bedenken. Positiv reagierte Brigitte Jank (V) auf die Novelle des Wirtschaftskammergesetzes, von der sie sich eine erhebliche Entlastung der Betriebe und eine Erneuerung der Kammerstrukturen erwartet. Die Betriebsanlagengenehmigungen sprach Andreas Hanger (V) an. Für Elektrotankstellen werde diese künftig nicht mehr notwendig sein, dies sei ein wichtiger Schritt zur Deregulierung. Josef Lettenbichler (V) bedauerte, dass eine fertig ausverhandelte Novelle nun nicht beschlossen wird. Erfreut zeigte er sich darüber, dass die Entbürokratisierung des Maß- und Eichgesetzes gelungen ist und großes Einsparungspotenzial enthält. Kathrin Nachbaur (V) sah ebenso wie Angelika Winzig (V) die Novelle des Maß- und Eichgesetzes als gutes Beispiel des Bürokratieabbaus. Dies sei möglich, weil man den technischen Fortschritt berücksichtige.   

FPÖ vermisst Bürokratieabbau und Liberalisierung

Von den ambitionierten Ankündigungen sei nicht viel übrig geblieben, kommentierte Axel Kassegger (F) die nun rückverwiesene Vorlage. So habe man die Möglichkeiten des Bürokratieabbaus nicht ausgeschöpft, die Zahl der regulierten Gewerbe sei zudem nicht gesenkt, sondern sogar noch erhöht worden. Ein "Bürokratiemonster" drohe durch die Bestimmung, wonach sämtliche Nebenrechte einem Kollektivvertrag zugeordnet werden müssen, warnte Bernhard Themessl (F). Beide Mandatare pochten überdies ebenso wie Christian Höbart (F) auf die Schaffung eines einheitlichen Gewerbescheins für alle freien Gewerbe. Wolfgang Klinger (F) begrüßte die Beitragssenkung im Wirtschaftskammergesetz, forderte aber auch eine rasche Änderung des Wahlsystems der Wirtschaftskammer. Er bezeichnete die "Zwangsmitgliedschaft" als anachronistisch und forderte eine Modernisierung der Kammern. Auf die Komplexität des Gewerberechts wies Thomas Schellenbacher (F) hin. Viele geplante Regelungen seien noch nicht eindeutig genug, um etwa für die KundInnen von Handwerkern bei Versicherungsfällen Rechtssicherheit zu garantieren

Grüne warnen vor Verschlechterungen für Umwelt und AnrainerInnen

Die Vorlage sei bloß ein Flickwerk, eigentlich sollte das Gesetz komplett neu geschrieben werden, kritisierte Matthias Köchl (G) und lehnte vor allem die Regelung über die Nebenrechte als unpraktikabel ab. Schwere Vorbehalte erhob er auch gegen die Neuerungen im Betriebsanlagenrecht. Die Grünen seien nicht gegen Verfahrenskonzentration, es dürfe aber nicht zu Verschlechterungen für die Umwelt und die AnrainerInnen kommen, stellte er im Einklang mit Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner klar. Was die Wirtschaftskammer betrifft, verlangte er in einem bei der Abstimmung allerdings abgelehnten Entschließungsantrag eine Verschlankung, insbesondere eine Bereinigung der Mehrfachstrukturen. Die Wirtschaftssprecherin der Grünen, Ruperta Lichtenecker, begrüßte die Rückverweisung ausdrücklich und sieht darin auch eine Chance, weitere Verbesserungen für Start-Ups zu beschließen. Heftige Kritik übte Birgit Schatz (G) daran, dass die ÖVP offenbar im Gewerberecht die Lärmbelästigung durch Gaststätten verharmlosen wolle. Bewilligungsverfahren sollten die Frage der Lärmbelästigung berücksichtigen, forderte sie. Georg Willi (G) zeigte sich verärgert über das Wirtschaftskammergesetz. Die gesetzlich nicht gedeckte Praxis der Wirtschaftskammer, selber Jagd auf Pfuscher zu machen, werde per Antrag der Abgeordneten Matznetter und Haubner kurzum legalisiert. Die Bekämpfung von Pfusch müsse aber Aufgabe der Finanzpolizei bleiben.

NEOS fordern Aufhebung der Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer

Auch für NEOS-Klubobmann Matthias Strolz ist die Rückverweisung nun wichtig. Wenn man es ernst meint mit einer unternehmerischen Linie und mit neuen Jobs, dann könne man keine zusätzlichen Reglementierungen beschließen. Seinen Unmut weckt dabei auch die Rolle der Wirtschaftskammer bei der Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch die Unternehmer. Mit Nachdruck forderte er die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in der Kammer, wobei er feststellte, hier werde für das neue ÖVP-Team bald die Stunde der Wahrheit kommen. NEOS-Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn urgierte weiteren Bürokratieabbau und plädierte für eine schlankere, serviceorientierte Wirtschaftskammer ohne Pflichtmitgliedschaft. Am Ende des Tages werde der Wettbewerb immer zu einer Qualitätsverbesserung führen, dies gelte für die Gewerbe ebenso wie für die Kammer, zeigte er sich überzeugt. Sein Fraktionskollege Gerald Loacker (N) fasste die Kritik der NEOS an der Wirtschaftskammer in einem Entschließungsantrag zusammen und forderte darin die gesetzliche Verankerung einer Möglichkeit für die Kammermitglieder auf Beendigung der Pflichtmitgliedschaft. Diese Initiative fand bei der Abstimmung keine Mehrheit.

Team Stronach: Unternehmen werden zu Tode reguliert

Die Unternehmen werden nach wie vor bevormundet und zu Tode reguliert, befand Leopold Steinbichler (T), der vor allem praxisferne Gesetze beklagte. In Entschließungsanträgen, die mit der Gewerbeordnungsnovelle rückverwiesen wurden, erhob er die Forderung nach Streichung von zwei alten Regelungen für jede neue Regulierung. Zudem tritt er für die Erhöhung des Netto-Jahresumsatzes auf 50.000 € als Voraussetzung für die Registrierkassenpflicht ein.

Der fraktionslose Abgeordnete Rupert Doppler sah positive Aspekte der Gewerberechtsnovelle, forderte aber weitere Entlastungen der Unternehmer. Gerhard Schmid (o.F.) verwies auf die Probleme des Wirtschaftsstandorts Österreich. Diese brauche Bürokratieabbau, dieser dürfe aber nicht zu einer Verschlechterung im Bereich der Lehre führen. Das Gewerberecht müsse entrümpelt und Unternehmen bei den Lohnnebenkosten entlastet werden. (Fortsetzung Nationalrat) hof

  


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