Parlamentskorrespondenz Nr. 766 vom 21.06.2017

EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert Neuregelungen für Handel mit Derivaten

Skepsis bei direkten Auskunftsrechten der EU gegenüber Unternehmen

Wien (PK) – Mit Vorschlägen zur Stabilität der Finanzmärkte setzte sich der EU-Ausschuss des Bundesrats in seinem zweiten Teil auseinander. So soll die sogenannte EMIR-Verordnung aus dem Jahr 2012 nach einer Überprüfung aktualisiert werden. Geplant sind Vereinfachungen, ohne jedoch die Stabilität zu gefährden. Die Verordnung zielt darauf ab, Mängel hinsichtlich der Funktionsweise des Marktes für außerbörslich gehandelte Derivate (OTC-Derivate) zu beseitigen und diesen Markt transparenter zu gestalten. Die Vorlage wurde von den Bundesrätinnen und Bundesräten grundsätzlich begrüßt.

Auf weniger Gegenliebe stieß ein weiterer Verordnungsvorschlag, der im Rahmen des so genannten Rechtstreue-Pakets vorgelegt wurde. Demnach soll die Kommission in die Lage versetzt werden, die Binnenmarktvorschriften besser zu überwachen und durchzusetzen. Sie legt daher Bedingungen und Verfahren für Auskunftsersuchen an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen fest, um, wie sie in dem Dokument festhält, mithilfe sehr gezielter Auskunftsersuchen von ausgewählten Marktteilnehmern aktuelle, umfassende und verlässliche quantitative und qualitative Informationen einzuholen.

EMIR-Verordnung – Bundesrat begrüßt Vereinfachungen

Die EMIR-Verordnung basiert auf einer Übereinkunft der G20 aus 2009, sich auf weitreichende Maßnahmen zur Erhöhung der Stabilität des OTC-Derivatemarktes zu verpflichten, einschließlich der Vorgabe, dass alle standardisierten OTC-Derivatekontrakte durch zentrale Gegenparteien (CCPs) gecleart und OTC-Derivatekontrakte an Transaktionsregister gemeldet werden müssen. Dieser Rahmen funktioniert insgesamt gut, stellt nun die Kommission nach einer Überprüfung der Bestimmungen im Jahr 2015 fest, dennoch ortet sie Anpassungsbedarf im Hinblick auf die praktische Anwendung. Vor allem hat die Bewertung ergeben, dass die EMIR-Verordnung in einigen ihrer Zielbereiche unangemessene Kosten und Belastungen und übermäßig komplexe Anforderungen bewirkt und das Ziel einer größeren Finanzstabilität effizienter erreicht werden könnte.

Primäres Ziel des vorliegenden Vorschlags ist daher der Abbau von Verwaltungsbelastungen und -kosten sowohl für Marktteilnehmer – insbesondere KMU - als auch deren Aufsichtsbehörden im Sinne der Proportionalität, ohne dabei die Finanzstabilität in der EU zu gefährden. Gleichzeitig soll aber auch die Transparenz von OTC-Derivatepositionen und –risiken erhöht werden. Der Gesetzesentwurf sieht daher unter anderem eine Ausnahme von der Pflicht zum Clearing von OTC-Derivaten über eine zentrale Gegenpartei für kleine finanzielle Gegenparteien sowie die Verlängerung der Ausnahme von der Clearingpflicht für Altersversorgungssysteme vor. Für nichtfinanzielle Gegenparteien soll die Clearingpflicht nur noch für jene OTC-Derivate-Klassen gelten, bei denen der Clearingschwellenwert überstiegen wurde, und nicht automatisch für alle OTC-Derivate-Klassen. Gruppeninterne Geschäfte unter Beteiligung von nichtfinanziellen Gegenparteien sollen von der Meldepflicht befreit werden. Bei börsengehandelten Derivategeschäften (exchange-traded derivatives transactions - ETDs) ist eine einseitige Meldung durch die zentralen Gegenparteien vorgesehen. Die diesbezüglichen Meldepflichten für finanzielle oder nichtfinanzielle Gegenparteien entfallen. Die Verpflichtung zur Meldung historischer Daten (Backloading) soll gestrichen werden. Dadurch werden Kosten und Aufwand der Gegenparteien deutlich verringert und das potenziell unüberwindbare Hindernis, Daten melden zu müssen, die möglicherweise gar nicht zur Verfügung stehen, beseitigt. Darüber hinaus will die EU die Meldevorschriften und -verfahren weiter harmonisieren. Die Transaktionsregister werden verpflichtet, die Qualität der Daten zu gewährleisten. Dies werde zur Transparenz der OTC-Derivatemärkte beitragen, die Aufgabe der zuständigen Behörden zur Überwachung von Systemrisiken werde damit vereinfacht, heißt es in der Information des Finanzministeriums, das die geplanten Maßnahmen als wichtig begrüßt.

Dem schlossen sich auch Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) und Stefan Schennach (S/W) an. Es sei positiv, dass die Kommission aufgrund einer Überprüfung einsieht, wo sie überzogen hat, und nun Vereinfachungen vornimmt, meinte Schennach. Damit komme es zu einer Verbesserung der Verhältnismäßigkeit. Ebenso unterstützte er die Nachschärfungen im Hinblick auf die Transparenz. Mayer zeigte sich über Verwaltungsvereinfachungen erfreut und lobte den Mut, sich vernünftig mit der Materie auseinanderzusetzen. Das seien aber leider nur Einzelfälle, schränkte er gleichzeitig ein.

Nicht ganz so positiv sah dies Hans-Jörg Jenewein (F/W). Für ihn stellt es keinen großen Erfolg dar, wenn die Regelungen für Termingeschäfte gelockert werden. Seiner Ansicht nach sollte die EU in diesem Bereich viel strenger vorgehen, um den "Perversionen" auf den Finanzmärkten Einhalt zu gebieten. Die Risiken für die Änderungen seien sehr genau geprüft worden, bemerkte der Vertreter des Finanzministeriums gegenüber Jenewein und stellte zudem fest, Derivate seien nicht grundsätzlich böse und stellen einen nicht unwichtigen Bestandteil in der Realwirtschaft dar.

Auskunftsrechte der EU gegenüber Unternehmen – Bundesrat will sich nochmals damit befassen

Mit Skepsis wurden die Pläne der Kommission zu erweiterten Auskunftsmöglichkeiten direkt bei Unternehmen aufgenommen. Man kam daher überein, diese Materie nochmals auf die Tagesordnung des nächsten Ausschusses zu setzen. Um die Durchsetzung der Vorschriften für den Binnenmarkt besser gewährleisten zu können, drängt die Kommission nämlich darauf, gezielte, aktuelle, umfassende und verlässliche Informationen (etwa zur Kostenstruktur, zur Preispolitik oder zum verkauften Produktvolumen) direkt von ausgewählten Marktteilnehmern einholen zu können. Die Kommission unterstreicht, dass dies nur als ultima ratio eingesetzt werde, sollten alle anderen Maßnahmen zur Einholung wesentlicher Auskünfte fehlschlagen. Vergleichbare Instrumente gibt es im Wettbewerbsrecht oder bei staatlichen Beihilfen.

Ausnahmen soll es für Kleinstunternehmen geben – Unternehmen, die weniger als zehn MitarbeiterInnen haben und einen Jahresumsatz von maximal 2 Mio. erzielen bzw. deren Jahresbilanzsumme maximal 2 Mio. € beträgt. Kleine und mittlere Betriebe (KMU) könnten von Anfragen betroffen sein, das Wirtschaftsministerium hält dies jedoch eher für unwahrscheinlich, zumal die Kommission hier strikt an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gebunden sei.

In der Diskussion über den Vorschlag überwog die Skepsis. Die Bundesrätinnen und Bundesräte teilten damit die eher negative Sicht des Wirtschaftsressorts. Vor allem stößt man sich daran, dass die Kommission Informationen direkt von Unternehmen einholen könnte, ohne dass die Mitgliedstaaten in das Auskunftsverfahren voll eingebunden wären. Damit würde die primärrechtlich festgelegte Zuständigkeit zwischen der Union und ihren Mitgliedsländern übergangen, heißt es in der Information des Ministeriums, auch wäre im Sinne des Subsidiaritätsprinzips eine geeignete Miteinbeziehung der Mitgliedstaaten sicherzustellen. Auch befürchtet man einen zusätzlichen Verwaltungs- und Bürokratieaufwand. Positiv gesehen wird die Tatsache, dass Kleinstunternehmen von der Verordnung ausgenommen sein sollen und auch die KMU im Idealfall nicht vom Auskunftsersuchen umfasst wären.

Dieser Sicht schlossen sich auch die VertreterInnen der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer an. Seitens der Wirtschaft wurde darauf hingewiesen, dass die Durchsetzung der binnenmarkt-relevanten Bestimmungen den Mitgliedstaaten obliege und man daher Bedenken in Bezug auf das Subsidiaritätsprinzip hege. Ähnlich sieht das die Vertretung der ArbeitnehmerInnen, wobei aber deren Experte anmerkte, dass es in der globalisierten Welt schwierig sei, an Informationen heranzukommen und auch immer wieder Probleme mit sogenannten schwarzen Schafen aufträten.

Im Gegensatz zu Ausschussvorsitzendem Edgar Mayer (V/V), der ebenfalls kritisch zu der Vorlage Stellung bezog, merkte Stefan Schennach (S/W) positiv an, dass die Kommission dieses Instrument nur als letztes Mittel einsetzen wolle. Außerdem betreffen die Bestimmung nur jene Bereiche, für die die EU zuständig ist, nämlich Verkehr, Umwelt, Energie, Binnenmarkt, Landwirtschaft und Fischerei. Schennach glaubt außerdem, dass die Pläne der EU auch zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes führen können. Unternehmen aus Drittstaaten sind von den Maßnahmen nicht betroffen, stellte der Vertreter des Wirtschaftsministeriums gegenüber Wolfgang Beer (S/W) fest. Für Hans-Jörg Jenewein (F/W) fehlen zur endgültigen Beurteilung noch grundsätzliche Informationen. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


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