Parlamentskorrespondenz Nr. 870 vom 06.07.2017

Datenschutznovelle passiert Bundesrat

15. Zusatzprotokoll zur EMRK kann im Herbst ratifiziert werden

Wien (PK) – Der Bundesrat hat heute den Weg für das Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 geebnet. Die Länderkammer stimmte mehrheitlich dafür, keinen Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrats zu erheben. Damit kann die umfangreiche Novelle wie geplant im Mai kommenden Jahres in Kraft treten. Ziel des Gesetzes ist es, das österreichische Recht mit der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung und einer neuen EU-Datenschutz-Richtlinie für die Bereiche Innere Sicherheit und Justiz in Einklang zu bringen, zudem wird Erfahrungen in der Praxis mit den geltenden Datenschutzbestimmungen Rechnung getragen. Kritik kommt weiter von der Opposition, sie ist nicht nur über das Tempo der Beschlussfassung ungehalten.

Den Bundesrat passiert haben auch ein Bundesverfassungsgesetz, das die gesetzliche Grundlage für die Ratifizierung des 15. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bildet, sowie eine Novelle zum ORF-Gesetz, die die Selbstvertretung behinderter Menschen im ORF-Publikumsrat zum Inhalt hat. Josef Saller (V) nutzte die Debatte über die Datenschutznovelle für seine Abschiedsrede, der aktuell längstdienende Bundesrat verlässt die Länderkammer Ende September nach 18-jähriger Tätigkeit.

Datenschutz-Anpassungsgesetz: Opposition kritisiert Tempo der Beschlussfassung

Die Novelle sei durch das Parlament gepeitscht worden, es habe keinen seriösen Gesetzgebungsprozess gegeben, bemängelte Heidelinde Reiter (G/S) in der Debatte zum Datenschutz-Anpassungsgesetz. Ihrer Ansicht nach hätte nichts dagegen gesprochen, die Beschlussfassung auf den Herbst zu verlegen und die Zeit für konstruktive Verhandlungen zu nutzen. Schließlich seien im Begutachtungsverfahren rund 70 Stellungnahmen eingebracht worden.

Auch inhaltlich hat die Regierungsvorlage Reiter zufolge "viele Baustellen". Als Beispiele nannte sie etwa die fehlende Möglichkeit von Verbandsklagen und die Möglichkeit der Datenschutzbehörde, Beschwerdeverfahren formlos einzustellen, wenn der Beschwerdegegner die behauptete Rechtsverletzung während des Verfahrens beseitigt. Reiter fürchtet, dass diese Bestimmung Unternehmen dazu animieren könnte, einmal abzuwarten, ob sie überhaupt geklagt werden.

Seitens der FPÖ äußerte der niederösterreichische Bundesrat Werner Herbert die grundsätzliche Befürchtung, dass das hohe Datenschutzniveau in Österreich durch die neuen EU-Vorgaben aufgeweicht wird. Die Regierungsparteien hätten sich einmal mehr "dem Diktat aus Brüssel gebeugt", hielt er fest. Konkret vermisst Herbert im neuen Regelwerk etwa ein explizites "Recht auf Vergessen" gegenüber Betreibern von Suchmaschinen und Regelungen für die Weitergabe von Daten an Drittstaaten. Zudem hat es die Koalition seiner Meinung nach verabsäumt, Anregungen des Datenschutzrates in die Novelle einzubauen.

Als guten Ansatz wertete Herbert die vorgesehenen Verwaltungsstrafen bis zu 50.000 €. Er hätte sich aber zusätzlich eine Abschöpfung jener Gewinne gewünscht, die durch eine rechtswidrige Nutzung von Daten erzielt wurden.

SPÖ und ÖVP: Unternehmen brauchen ausreichend Vorbereitungszeit

Verteidigt wurde das Tempo der Beschlussfassung von Wolfgang Beer (S/W). Die EU-Verordnung trete am 25. Mai 2018 in Kraft, also in weniger als zehn Monaten, machte er geltend. Die Unternehmen und Behörden bräuchten ausreichend Zeit zur Vorbereitung.

Auch die inhaltlichen Einwände teilte Beer nicht. Mit der vorliegenden Novelle würden KonsumentInnen mehr Rechte erhalten, um zu entscheiden, was mit ihren Daten passiert, hob er hervor. Zudem begrüßte er ausdrücklich, dass die Datenschutzbehörde künftig nicht nur als Kontrollorgan agieren werde, sondern auch beratend tätig sein könne. Neu sei auch der ausdrückliche Schutz von Whistleblower-Hotlines. Die bisherigen Einwilligungen für Datenveränderungen würden, so Beer, aufrecht bleiben.

Beers Wiener Fraktionskollege Stefan Schennach erinnerte daran, dass über die EU-Grundverordnung und die EU-Richtlinie intensivst im EU-Ausschuss des Bundesrats beraten wurde. Aufgrund des breiten Engagements habe Österreich schließlich auch substantielle Änderungen in der EU-Verordnung erwirken können. Was die vorliegende Novelle betrifft, wies Schennach darauf hin, dass Österreich einige Regelungsspielräume genutzt habe, etwa was den Schutz von Kindern hinsichtlich der Einwilligung zur Datenverwendung betrifft.

Der oberösterreichische ÖVP-Bundesrat Robert Seeber räumte ein, dass bei der Erstellung der Novelle ein gewisser Zeitdruck geherrscht habe. Es sei aber gelungen, ein praktikables Ergebnis zu erzielen, ist er überzeugt. Zuletzt seien mit einem Abänderungsantrag noch 109 Änderungen in den ursprünglichen Regierungsentwurf eingearbeitet worden. Das neue Datenschutzrecht ist Seeber zufolge eine große Herausforderung für die Unternehmen, er sieht in diesem Sinn auch die Datenschutzbehörde als Beratungsorgan gefordert. Allgemein hob er die hohe Bedeutung des Datenschutzes hervor.

Die EU-Datenschutz-Grundverordnung zielt auf mehr Eigenverantwortung von Unternehmen ab und sieht unter anderem die Durchführung von Datenschutz-Folgenabschätzungen und die Bestellung von Datenschutzbeauftragten vor. Bei Verletzung der Bestimmungen drohen empfindliche Strafen. Künftig nicht mehr zu führen ist das Datenschutzregister, auch die bisherigen Meldepflichten für neue Datenanwendungen entfallen.

In Reaktion auf die EU-Verordnung und die neue Datenschutz-Richtlinie für die Bereiche Innere Sicherheit und Justiz hatten die Regierungsparteien zunächst geplant, das österreichische Datenschutzgesetz komplett neu zu fassen und begleitende Verfassungsänderungen zu beschließen. Davon wurde wegen der erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und im Bundesrat jedoch wieder Abstand genommen.

Saller verabschiedet sich nach 18 Jahren aus dem Bundesrat

Der Salzburger ÖVP-Bundesrat Josef Saller nutzte die Debatte über die Datenschutznovelle dazu, um sich von seinen KollegInnen in der Länderkammer zu verabschieden. Er werde mit 30. September aus dem Bundesrat ausscheiden, kündigte er an. Saller ist seit mehr als 40 Jahren politisch tätig und mit einer Dauer von 18 Jahren längstdienender Mandatar in der Länderkammer. Im ersten Halbjahr 2016 fungierte er als Präsident des Bundesrats. Er habe sich stets um konstruktive Arbeit und um Konsens bemüht, bekräftigte er in der Abschiedsrede. Den Bundesrat nannte er ein unverzichtbares Bindeglied zwischen der EU, Österreich und den Regionen.

Nicht nur Bundesratspräsident Edgar Mayer, auch die BundesrätInnen Mario Lindner (S), Monika Mühlwerth (F) und Heidelinde Reiter (G) wünschten Saller für die Zukunft alles Gute. Saller habe nicht nur als Präsident des Bundesrats, sondern auch in seinen anderen Funktionen, etwa als Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses und als Schriftführer, die Länderkammer mit zahlreichen Initiativen geprägt, hob Mayer hervor und bedankte sich bei Saller ausdrücklich für dessen langjähriges Wirken in der Länderkammer.

Weg für Ratifizierung des 15. Zusatzprotokolls zur EMRK ist frei

Frei gemacht hat der Bundesrat auch den Weg für die Ratifizierung des 15. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Gegen das Bundesverfassungsgesetz, das das parlamentarische Genehmigungsprocedere regelt, wurde mehrheitlich kein Einspruch erhoben. Die Abstimmung über das Protokoll selbst ist für den Herbst geplant. Inhaltlich geht es vor allem um organisatorische und verfahrensrechtliche Fragen in Bezug auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), so soll die Beschwerdefrist von sechs auf vier Monate verkürzt werden.

Michael Lindner (S/O), Gregor Hammerl (V/St) und Heidelinde Reiter (G/S) erläuterten die Entwicklung dieser nunmehr zweistufigen Vorgangsweise. Heute gehe es inhaltlich noch nicht um das Zusatzprotokoll, sondern um die verfassungsrechtliche Änderung, sagte etwa Heidelinde Reiter. Man habe auf Vorschlag der Grünen diesen Weg gewählt, zuerst mit der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit die gesetzliche Grundlage und erst danach das Zusatzprotokoll zu beschließen. Die Vorgangsweise habe man auch deshalb gewählt, um nicht eine Präjudiz für eine nicht saubere – etwa umgekehrte - Vorgangsweise zu schaffen. Grundsätzlich gehe es um das Problem einer hohen Zahl an eingebrachten Beschwerden und einen entsprechenden Rückstau an Verfahren beim EGMR, den man sich bemühe, abzubauen, erläuterte Michael Lindner. Zugleich ging es ihm darum, dass man sich etwa für das Individualbeschwerderecht und das Subsidiaritätsprinzip eingesetzt hat.

Behinderte Menschen werden sich im ORF-Publikumsrat künftig selbst vertreten

Einstimmigen Konsens gab es in der Länderkammer in Bezug auf die Novelle zum ORF-Gesetz . Die Grünen konnten sich mit ihrer Forderung durchsetzen, dass jenes Mitglied im Publikumsrat, das die Interessen behinderter Menschen vertritt, in Hinkunft selbst aus dem Kreis der Betroffenen kommen muss, zeigte sich Heidelinde Reiter (G/S) erfreut. Das sei gelebte Inklusion, so Reiter, die hofft, dass der Weg in diesem Sinne weitergeht und Inklusion und Teilnahme Normalität wird.

Gelten wird die neue Bestimmung ab der nächsten Funktionsperiode des Publikumsrats. Auch Stefan Schennach (S/W), Anneliese Junker (V/T) und Werner Herbert (F/N) begrüßten den Beschluss ausdrücklich. Zudem appellierte Schennach an den ORF, mehr über die Partizipationsmöglichkeiten von gehörlosen Kindern nachzudenken und mehr Augenmerk auf das Behinderteneinstellungsgesetz zu legen. Für Anneliese Junker ist unverständlich, warum nicht schon zuletzt jemand genommen wurde, der aus dem Kreis der Menschen mit Behinderung kommt, zumal qualifizierte KandidatInnen zur Verfügung standen. Daher brauche es jetzt dieses Gesetz. Der Ansatz stelle einen Mehrwert dar, unterstrich auch Werner Herbert. Gerade Personen aus dem betroffenen Kreis könnten weitaus besser und weitsichtiger agieren als jeder Experte. (Fortsetzung Bundesrat) gs/mbu


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