Parlamentskorrespondenz Nr. 776 vom 27.06.2018

Sozialausschuss: Wiedereingliederungsteilzeit bis zu einem Monat nach dem Krankenstand möglich

Deckelung von Säumniszuschlägen bei Verstößen gegen die Anmeldung zur Pflichtversicherung wird beseitigt

Wien (PK) – Mit Fragen des Arbeitsrechts befasste sich der Sozialausschuss des Nationalrats heute und brachte einige Beschlüsse auf den Weg ins Plenum. Einstimmig beschlossen wurde auch eine Regelung, mit der die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Wiedereingliederungsteilzeit anzutreten ist, zugunsten der ArbeitnehmerInnen geregelt werden soll. In dem Gesetzentwurf ist auch vorgesehen, das Betriebspensionsgesetz an EU-Vorgaben anzupassen.

Mit einem im Zuge der Beratungen eingebrachten Abänderungsantrag wollen die Koalitionsparteien zudem eine mit dem Budgetbegleitgesetz beschlossene Bestimmung in Bezug auf die von Unternehmen zu zahlenden Säumniszuschläge für verspätete Meldungen an die Sozialversicherung korrigieren, der eingezogene Zuschlags-Deckel gilt damit nicht für Säumigkeiten bei der Anmeldung zur Pflichtversicherung.

Nur mit Mehrheit von ÖVP, FPÖ und NEOS gab der Ausschuss grünes Licht für eine Regierungsvorlage, mit der die Gesetze im Gesundheits- und Sozialwesen an das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz angepasst werden. In insgesamt 35 Materiengesetzen gilt es, die neuen Vertretungsmodelle, die die bisherige Sachwalterschaft ersetzen, zur berücksichtigen. Der Grund dafür, dass die SPÖ und die Liste Pilz nicht zustimmten, war ein Abänderungsantrag, mit dem ÖVP und FPÖ sicherstellen wollen, dass für Säumigkeiten bei der Anmeldung zur Pflichtversicherung die vollen Zuschläge zu bezahlen sind. Diese Regelung geht SPÖ und Liste Pilz nicht weit genug, sie wollen die Aufhebung der Deckelung auch bei anderen Verstößen gegen die Meldepflichten.

Wiedereingliederungsteilzeit soll bis zu einem Monat nach dem Krankenstand angetreten werden können

Um ArbeitnehmerInnen nach schweren Erkrankungen oder Unfällen den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern, hat das Parlament im vergangenen Jahr die Wiedereingliederungsteilzeit beschlossen. Dieses Instrument ermöglicht es Betroffenen, ihre Arbeitszeit vorübergehend zu reduzieren, wobei daraus resultierende Gehaltseinbußen durch ein aliquotes Krankengeld (Wiedereingliederungsgeld) ausgeglichen werden. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist u.a. eine vorangegangene mindestens sechswöchige Arbeitsunfähigkeit und eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Zweifel gab es bislang darüber, zu welchem Zeitpunkt die Wiedereingliederungsteilzeit anzutreten ist, nun soll diese Frage zugunsten der ArbeitnehmerInnen geregelt werden (164 d.B. ). Der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf sieht außerdem vor, das Betriebspensionsgesetz an EU-Vorgaben anzupassen.

Konkret will die Regierung betroffenen ArbeitnehmerInnen ab Juli dieses Jahres die Möglichkeit einräumen, Wiedereingliederungsteilzeit bis zu einem Monat nach Beendigung des Krankenstandes anzutreten. Die derzeitige Interpretation des Gesetzes, wonach dies nur in direktem Anschluss an den Krankenstand möglich ist, habe zu Rechtsunsicherheit geführt, heißt es dazu in den Erläuterungen. Die Novelle wird außerdem für einige weitere Klarstellungen genutzt, die sich nach ersten Erfahrungen in der Praxis ergeben haben. Dabei geht es etwa um die Frage des Bezugs von Krankengeld bei neuerlicher Arbeitsunfähigkeit, den Verlust von Wiedereingliederungsgeld bei Erwerb eines Pensionsanspruchs und die Auszahlungsmodalitäten.

Die Änderungen im Betriebspensionsgesetz betreffen in erster Linie die Frist für die Unverfallbarkeit von Ansprüchen auf eine Alters- bzw. Hinterbliebenenpension aus direkten Leistungszusagen von ArbeitgeberInnen. Demnach dürfen Unverfallbarkeitsfristen bzw. Wartefristen auf eine Anwartschaft künftig auch im Falle einer Selbstkündigung drei Jahre nicht überschreiten. Derzeit sind Fristen bis zu zehn Jahre erlaubt. Die neuen Regelungen sollen für Beschäftigungszeiten nach dem 21. Mai 2018 – dem vorgesehenen Inkrafttreten der Bestimmungen – gelten. Bei der Abstimmung mitberücksichtigt wurde ein ÖVP-FPÖ-Abänderungsantrag mit technischen Korrekturen.

Tanja Graf (ÖVP) erklärte, die nunmehr getroffene Regelung sei praxisnah. Damit werde auch jenen ArbeitsnehmerInnen, die ihre Arbeits- und Einsatzkraft nach der Genesung zunächst überschätzt haben, die Möglichkeit zu Teilzeit gegeben, und ihnen eine schrittweise Rückkehr in den Arbeitsprozess ermöglicht. Diese Möglichkeit begrüßten auch Dagmar Belakowitsch (FPÖ), Gerald Loacker (FPÖ) und Daniela Holzinger-Vogtenhuber(PILZ).

Anpassungen an das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz im Gesundheits- und Sozialbereich

Die Reform des Vertretungsrechts für Personen mit psychischen Beeinträchtigungen, die der Nationalrat 2017 mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz beschlossen hat, soll nun auch Niederschlag in den Materiengesetzen für das Gesundheits- und Sozialwesen finden. An die neuen Vertretungsmodelle, die anstelle der Sachwalterschaft zum Tragen kommen, und an die veränderte Terminologie will man insgesamt 35 Gesetze anpassen. Darauf zielt eine entsprechende Regierungsvorlage (191 d.B. ) ab.

Vorgesehen sind adaptierte Bestimmungen in Gesetzen für Gesundheitsberufe und Sozialversicherungen, auch das Bundesbehindertengesetz, das Heimopferrentengesetz und das Bundespflegegeldgesetz sind umfasst. So wird beispielsweise beim Pflegegeld klargestellt, dass die Leistung nur dann der gesetzlichen Vertretung auszuzahlen ist, wenn der oder die Anspruchsberechtigte nicht geschäftsfähig ist. Eine beschränkte Geschäftsfähigkeit soll demnach nicht mehr geltend gemacht werden können.

Mit einem im Zuge der Beratungen eingebrachten Abänderungsantrag wollen die Koalitionsparteien unter anderem eine mit dem Budgetbegleitgesetz beschlossene Bestimmung in Bezug auf die von Unternehmen zu zahlenden Säumniszuschläge für verspätete Meldungen an die Sozialversicherung korrigieren. Demnach wird der eingezogene Zuschlags-Deckel nicht für Säumigkeiten bei der Anmeldung zur Pflichtversicherung gelten. Die unbegrenzte Ahndung dieser Verstöße sei für die Bekämpfung von Sozialbetrug bedeutsam, heißt es dazu in den Erläuterungen. Außerdem wird mit dem Abänderungsantrag einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs Rechnung getragen. Demnach gelten künftig nicht nur für Minderjährige, sondern auch für wegen einer geistigen Behinderung geschäftsunfähige Personen längere Fristen für die Geltendmachung einer Hinterbliebenenpension.

Auf den Hinweis des Abgeordneten Gerald Loacker (NEOS), der feststellte, das Justizministerium habe im Begutachtungsverfahren Bedenken gegen einige Regelungen der Zulassung zu Gesundheitsberufen geäußert, antwortete die Ministerin mit der Versicherung, dass im Einvernehmen mit dem Justizressort nun eine grundrechtskonforme Regelung geschaffen worden sei.

Für die SPÖ war der Abänderungsantrag ein Grund, dem Gesetz insgesamt nicht zuzustimmen. In ihren Wortmeldungen wiesen die Abgeordneten Alois Stöger, Josef Muchitsch und Markus Vogl darauf hin, dass die Regelung aus ihrer Sicht nicht weit genug gehe. Es gebe keinen Grund, die Säumniszuschläge bei anderen Verstößen zu deckeln, man fordere damit Sozialdumping geradezu heraus, meinte Muchitsch. Stöger ließ das Argument, dass man damit vor allem KMU bei geringfügigen und unabsichtlichen Verstößen entlasten wolle, nicht gelten. Die Möglichkeit für eine nachsichtige Behandlung in begründeten Fällen gebe es auch jetzt schon, argumentierte er. Die Sicht der SPÖ teilte auch Daniela Holzinger-Vogtenhuber von der Liste Pilz. Sie verstehe nicht, warum etwa eine frühzeitige Abmeldung von der Versicherung nicht mit derselben Strenge geahndet werde, wie ein Verstoß gegen die Anmeldepflichten.

Ernst Gödl (ÖVP) sagte, die Abänderung repariere jenes Versehen, das im Budgetbegleitgesetz passiert sei. Damit werde nun sichergestellt, dass Sozialdumping, das durch Unterlassung der Anmeldung von ArbeitnehmerInnen stattfindet, bekämpft wird. Sein Fraktionskollege Klaus Fürlinger fügte hinzu, man müsse bei der Regelung die Realität der Arbeitswelt im Blickfeld behalten. Eine Reihe von Verstößen ausländischer Firmen seien auch jetzt nie geahndet worden, während inländische KMU bereits wegen kleiner Versäumnisse der Datenübermittlung Zuschläge bezahlen mussten. Für sie wolle man eine Erleichterung schaffen.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein unterstrich, es gehe in dieser Frage um eine Deckelung von Säumniszuschlägen. Strafen, die für eindeutiges Sozialdumping verhängt werden, seien natürlich in voller Höhe zu bezahlen. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs/sox