Parlamentskorrespondenz Nr. 1186 vom 11.12.2019

Spielerschutz: Nationalrat lehnt Dringlichen Antrag der NEOS ab

SPÖ und FPÖ für Aufstockung des Staatsanteils an den Casinos Austria

Wien (PK) – Eine breite Themenpalette wurde bei der heutigen Diskussion im Nationalrat über den Dringlichen Antrag der NEOS zur Ausweitung des Spielerschutzes angesprochen. Nicht nur um die Gefahren des kleinen Glücksspiels, sondern auch um die Zuständigkeiten des Finanzministeriums, die Vorgangsweise von Glücksspielbetreibern, die Beteiligung des Bundes an der Casinos Austria und den geplanten Untersuchungsausschuss zur Causa Casinos drehte sich die Debatte. Ein Beschluss wurde nicht gefasst, sowohl der Dringliche Antrag der NEOS als auch ein Entschließungsantrag der SPÖ zur Aufstockung der Staatsanteile an der CASAG blieben – bei divergierendem Abstimmungsverhalten der Fraktionen - in der Minderheit. Dass Spielerschutz wichtig ist, darüber waren sich die Fraktionen aber grundsätzlich einig: Laut ÖVP-Abgeordnetem Karlheinz Kopf ist das auch bei den Regierungsverhandlungen ein wichtiges Thema.

Krisper kritisiert Versäumnisse in den vergangenen Jahren

Bekräftigt wurde die Kritik der NEOS an mangelndem Spielerschutz in Österreich von Stephanie Krisper. Sie zitierte aus einer kritischen Studie und wies darauf hin, dass die hohen Einsätze beim kleinen Glücksspiel in keiner Relation zum erzielbaren Gewinn stehen. Es könne passieren, dass Menschen in wenigen Stunden ein ganzes Monatsgehalt verspielen. Krisper plädierte daher vehement dafür, die Spieleinsätze massiv zu reduzieren. Zudem vermisst sie eine betreiberübergreifende Sperrdatenbank: Kein einziger ÖVP-Finanzminister habe seit 2010 in diese Richtung etwas getan und auch sonst seien die Minister untätig geblieben. Ein wesentliches Anliegen ist Krisper auch eine Trennung der verschiedenen Agenden, die das Finanzministerium derzeit im Bereich des Glücksspiels wahrnimmt.

Krainer schlägt Einrichtung einer parlamentarischen Enquete-Kommission vor

Zustimmung zum Dringlichen Antrag der NEOS signalisierte SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer. Die SPÖ sei zwar nicht mit allen Punkten einverstanden, er trage die Intention des Antrags aber mit, hielt er fest. Im Bereich des Glücksspiels gebe es zahlreiche Baustellen. Konkret forderte Krainer etwa eine betreiberunabhängige Spielerkarte mit Spiellimits, wobei seiner Meinung nach alle Glücksspiele, etwa auch Lotto, miteingeschlossen werden sollen. Für bedenklich erachtet er außerdem, dass nur 30% der Online-SpielerInnen beim einzigen legalen Betreiber spielen und alle Glücksspiel-Zuständigen – etwa Einhebung der Glücksspielabgabe, Legistik, Spielerschutz und Eigentümerinteressen – im Finanzministerium gebündelt sind.

Um neue gesetzliche Grundlagen zu erarbeiten, schlägt Krainer die Einsetzung einer parlamentarischen Enquete-Kommission vor. Zudem forderte er eine Aufstockung des Staatsanteils an den Casinos Austria durch die Nutzung des bestehenden Vorkaufsrechts. Das wäre seiner Meinung nach sowohl aus Gründen des Spielerschutzes als auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll. Schließlich zahle der Bund derzeit de facto keine Zinsen und würde in Form von Dividenden profitieren.

Auch FPÖ will Staatsanteile an der Casinos Austria AG aufstocken

Unterstützung erhielt die SPÖ in dieser Frage allerdings nur von der FPÖ. Seine Fraktion werden dem von Krainer eingebrachten Entschließungsantrag zustimmen, hielt FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs fest.

Weniger abgewinnen konnte Fuchs hingegen dem Dringlichen Antrag der NEOS, den er als "Wunschzettel" bezeichnete. Seiner Meinung nach wurde im Antrag außerdem ein wichtiger Aspekt vergessen: Die Bekämpfung des illegalen Glücksspiels. Die bestehenden Instrumente seien zu schwach, die Betreiber würden mit den Behörden "Katz und Maus spielen" beklagte er und bedauerte, dass eine geplante Gesetzesnovelle nicht mehr zustande gekommen sei. Was die Zuständigkeiten des Finanzministeriums betrifft, haben die NEOS ihm zufolge offenbar die Neuorganisation der Finanzverwaltung "verschlafen". Diese habe auch eine Übertragung von Behördenzuständigkeiten zum Finanzamt Österreich und eine Bündelung der ordnungspolitischen Glücksspielaufsicht gebracht.

Kopf: Spielerschutz nimmt bei Regierungsverhandlungen einen prominenten Platz ein

Von Seiten der ÖVP hob Karlheinz Kopf hervor, dass Spielerschutz ein ernstes Thema sei. Die NEOS hätten zu Recht auf viele Gefahren hingewiesen, die mit Glücksspiel verbunden sein können, sagte er. Spielsucht führe immer wieder zu existentiellen Bedrohungen.

Dem Dringlichen Antrag der NEOS wollte die ÖVP dennoch nicht zustimmen. Dieser sei viel zu konkret, man müsste über die einzelnen Punkte ausführlich diskutieren, sagte Kopf. Zudem gelte es, die Länder in die Diskussion einzubinden und deren Erfahrungen zu berücksichtigen. Schließlich liege es an ihnen, ob und in welcher Form sie das kleine Glücksspiel zulassen. Kopf versicherte aber, dass das Thema Spielschutz einen "wichtigen und prominenten Platz" bei den Regierungsverhandlungen einnimmt, es gehe unter anderem um Limits, Überwachungen, Selbstkontrolle und Suchtprävention.

Grünen stimmen Dringlichem Antrag zu

Auch Grünen-Chef Werner Kogler wertete es als schwierig, die einzelnen Punkte des Dringlichen Antrags kurzfristig zu beurteilen. Dieser sei aber sehr gut begründet, konzedierte er und stellte in diesem Sinn – anders als die ÖVP – die Zustimmung seiner Fraktion in Aussicht. Es brauche einen besseren Spielerschutz. Schließlich würden durch Spielsucht Existenzen vernichtet. Zudem seien nicht nur Spielsüchtige, sondern auch deren Familien betroffen. Auch eine Entflechtung der Kompetenzen im Finanzministerium hält Kogler für notwendig.

Scharfe Attacken ritt Kogler gegen Novomatic und andere Glücksspielbetreiber. Es gebe immer wieder den Verdacht von Gesetzeskauf und Bestechung. Wer kritische Fragen stelle, werde mit Klagen bedroht. In diesem Sinn hält Kogler auch den von SPÖ und NEOS verlangten Untersuchungsausschuss für zu eng gefasst: Der Untersuchungszeitraum müsste weiter zurückreichen, schließlich stamme der Satz "Novomatic zahlt alle" von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aus dem Jahr 2017.

Skeptisch äußerte sich Kogler zum Entschließungsantrag der SPÖ betreffend die Aufstockung des Staatsanteils an der Casinos Austria: Dieser sei ihm "zu sehr aus der Hüfte geschossen", man müsste zunächst einmal die Bedingungen der Vorkaufsrechte prüfen.

NEOS wollen Spielerschutz im Gesundheitsministerium ansiedeln

Im weiteren Verlauf der Debatte ortete Gerald Loacker (NEOS) einen Zielkonflikt in Bezug auf das Finanzministerium, da es einerseits an Mehreinnahmen interessiert sei und andererseits die SpielerInnen optimal schützen sollte. Seiner Ansicht wäre der Spielerschutz besser im Gesundheitsministerium, das sich mit Suchterkrankungen auskenne, angesiedelt. Dieser Meinung schloss sich auch Josef Schellhorn (NEOS) an, der auf eine ganz klare Differenzierung zwischen der Aufsicht, dem Glücksspielgesetz und der Casinos Austria AG Wert legte.

Nach Ansicht des ÖVP-Mandatars Andreas Hanger soll der Staat eine starke Rolle beim Glücksspiel einnehmen. Der in diesem Sinne eingebrachte SPÖ-Entschließungsantrag sei aber das falsche Instrument, um dies zu gewährleisten. Die Spielerschutzstelle des Bundes leiste eine großartige Arbeit, urteilte Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP), weiterführende Maßnahmen sollten unter Einbeziehung von ExpertInnen in aller Ruhe diskutiert werden. Auf jeden Fall sollte man danach trachten, bereits in den Schulen mit einer umfassenden Aufklärungsarbeit zu beginnen.

Gefahr Online-Glücksspiel

Das Suchtverhalten von SpielerInnen werde heutzutage nicht mehr nur in Casinos, sondern im zunehmenden Maße im digitalen Raum ausgelebt, zeigte Abgeordnete Eva Maria Holzleitner (SPÖ) auf. Ein großes Problem stellten dabei die sogenannten Lootboxen (Beutekissen) dar, die in Apps eingebaut sind. Die Kombination aus Glücksspiel und Gaming sei insbesondere für Kinder gefährlich. Die Abgeordnete stellte daher einen diesbezüglichen Antrag in Aussicht. Zahlreiche Vorschläge der NEOS, wie etwa die Ansiedelung der Beratungsstelle für Spielsucht im Gesundheitsministerium, seien zu begrüßen, erklärte Abgeordneter Markus Vogl (SPÖ). Aus seiner Sicht brauche es jedoch noch weitere Präventionsmaßnahmen.

Ihre Fraktion werde dem Antrag der SPÖ zustimmen, da die Mehrheit an der CASAG in Österreich bleiben sollte, kündigte Abgeordnete Dagmar Belakowitsch (FPÖ) an. Den Vorschlägen der NEOS, die zwar gut gemeint seien, könne sie nicht zustimmen, da viele Fragen noch offen blieben. Vor allem müsste man verhindern, dass die SpielerInnen in den illegalen Bereich ausweichen. Davor warnte auch Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ), der dafür eintrat, die "legalen Möglichkeiten am Leben zu erhalten".

Abgeordnete Nina Tomaselli (Grüne) sprach von einem Geschäftemachen auf die schäbigste Art und Weise, da jedes Jahr zehntausende Personen in die Spielsucht getrieben werden. Allein im letzten Jahr verspielten die ÖsterreicherInnen über 1,6 Mrd. €. Der größte Teil davon komme aus den Taschen der Spielsüchtigen, beklagte Tomaselli. Insgesamt handle es sich um ein gesellschaftliches Lose-Lose-Geschäft, da den Einnahmen des Staates hohe Ausgaben für Therapiekosten der Betroffenen gegenüberstehen. David Stögmüller erinnerte daran, dass auf Initiative der Grünen das "kleine Glücksspiel" in Wien verboten wurde. Die Vorschläge der NEOS gingen zwar in die richtige Richtung, stellten jedoch noch keine umfassende Lösung dar.

Bei der Abstimmung fanden sowohl der Dringliche Antrag der NEOS betreffend Umsetzung notwendiger Spielerschutzmaßnahmen im Glückspiel (dafür: SPÖ, Grüne, NEOS) als auch der SPÖ-Entschließungsantrag betreffend Wahrung des Einflusses bei der Casinos Austria AG durch Nutzung des Vorkaufrechts (dafür SPÖ und FPÖ) keine Mehrheit.

Kurz eingreifen musste Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wegen Missfallskundgebungen von der Besuchertribüne: Die Störung der Sitzung war aber nicht von langer Dauer. (Fortsetzung Nationalrat) gs/sue