Parlamentskorrespondenz Nr. 806 vom 15.07.2020

EU-Vorschläge für Aus- und Weiterbildung und Jugendgarantie: Debatte im EU-Ausschuss des Bundesrats

Jugendbeschäftigung soll auch beim Übergang zum Beruf mehr gefördert werden

Wien (PK) – Mit zwei EU-Vorschlägen für Empfehlungen des Rates und mit einer Mitteilung der Kommission beschäftigte sich der EU-Ausschuss des Bundesrats heute sowohl mit den Themen berufliche Ausbildung und Förderung von Jugendbeschäftigung, als auch mit der sogenannten "Jugendgarantie" und dem Vorschlag, diese auf alle Jugendlichen unter 30 auszudehnen.

Ein SPÖ-Antrag auf Stellungnahme blieb in der Minderheit. Die Regierung sollte damit aufgefordert werden, der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit höchste Priorität zukommen zu lassen sowie sich dafür einzusetzen, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Mittel für Jugendbeschäftigungsprogramme keinesfalls gekürzt werden.

Berufliche Ausbildung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit

Die Berufsbildungssysteme in der EU sollen nachhaltiger, moderner, attraktiver und flexibler für das digitale Zeitalter gestaltet werden, wobei die Verfolgung von drei - rechtlich nicht bindenden - Zielen bis 2025 empfohlen wird: So sollen 60% der Lernenden während ihrer Ausbildung die Gelegenheit zum Lernen am Arbeitsplatz erhalten und 8% von Lernmöglichkeiten im Ausland profitieren. Nach Abschluss der Ausbildung sollen mindestens 82% der AbolventInnen erwerbstätig sein. Laut des aus österreichischer Sicht positiv zu bewertenden Vorschlag für eine Empfehlung des Rates gilt es, die Aus- und Weiterbildung an die dynamischen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt anzupassen sowie modulare Lernpfade und "blended-learning" zu fördern. Dabei sollen Qualitätssicherung und Chancengerechtigkeit künftig eine stärkere Rolle spielen. Auch werde auf Digitalisierung erhöhtes Augenmerk gerichtet, um die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen zu forcieren, berichtete eine Expertin des Bundesministeriums für Bildung.

Eine Mitteilung der Europäischen Kommission zur Förderung der Jugendbeschäftigung soll Jugendliche darüber hinaus beim Übergang von Bildung und Ausbildung zum Beruf unterstützen. Die Mitteilung verweist auf drei zentrale Vorschläge - einerseits für eine Empfehlung des Rates zur Jugendgarantie, andererseits für eine Empfehlung des Rates zur beruflichen Aus-und Weiterbildung sowie einen neuen Impuls für die Lehrausbildung. Die Kommission nutzt diese Gelegenheit auch, um den grünen und den digitalen Wandel in der Jugend- und Beschäftigungspolitik zu verankern. Die Finanzierung soll u.a. im Rahmen des zukünftigen EU-Haushalts erfolgen. Prinzipiell sei es wichtig, gerade im Hinblick auf die Krise, Jugendliche bei Übergängen von Bildung/Ausbildung und Beruf besonders zu unterstützen, heißt es von österreichsicher Seite.

Wie die bereits 2013 beschlossene Jugendgarantie sieht ein weiterer Vorschlag für eine Empfehlung des Rates als Ziel vor, dass alle Jugendlichen innerhalb von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos geworden sind oder ihre Ausbildung beendet haben, ein qualitativ hochwertiges Angebot von Beschäftigung, (Weiter-)Bildung, Lehre oder Praktikum erhalten sollen. Neu ist der Vorschlag, die Altersgruppe auf alle Jugendlichen unter 30 auszudehnen. Die Jugendgarantie unterscheidet mit dem aktuellen Vorschlag demnach nun stärker zwischen temporären "NEETs" und längerfristigen "NEETs". Außerdem sollen Kompetenzen im Hinblick auf eine digitale und grüne Wirtschaft eine stärkere Rolle spielen. Analyse, Prävention, Monitoring und die Datensammlung sollen gestärkt werden. Betreffend Finanzierung seien keine zusätzlichen Mittel zu den bisherigen Vorschlägen (Next Generation EU/MFF, ESF+ etc.) vorgesehen.

Debatte über Jugendbeschäftigungs- und Ausbildungssituation

Da Jugendliche von der Corona-Krise besonders hart getroffen wurden, soll deren Beschäftigung europaweit gefördert und die bereits länger bestehende "Jugendgarantie" verstärkt werden, erläuterte eine Expertin aus dem Arbeitsministerium die EU-Ambitionen. In Österreich würden Maßnahmen der Jugendgarantie bereits seit langem, unter anderem durch Maßnahmen wie der Überbetrieblichen Lehrausbildung, der AusBildung bis 18, Jugendcoaching, AusbildungsFit, etc. umgesetzt.

Ein WKÖ-Vertreter meinte, dass der Fokus auf die sekundäre Bildung in Österreich eine Selbstverständlichkeit darstelle, während dies in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht der Fall sei. Lediglich beim Mobilitäts-Ziel sei man auch hierzulande noch etwas entfernt, meinte er hinsichtlich der handlungsorientierten Empfehlungen. Leicht skeptisch stand er der Idee europäischer Kernberufe gegenüber. Diese könnten seines Erachtens angesichts der unterschiedlichen Standards zu einer Nivellierung nach unten führen.

Die Expertin des Bildungsministeriums versicherte, es werde beim österreichischen Vorzeigemodell keine Revidierung nach unten geben. Die Verhandlungen über die EU-Vorlagen stünden auch erst ganz am Anfang.

Auch Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP/N) betonte, dass in Österreich viele Initiativen gesetzt und bereits in der Schule mögliche Berufsfelder aufgezeigt sowie Eltern mit einer Potentialanalyse unterstützt werden. Auf die Lehrlingsausbildung in Österreich könne man stolz sein, meinte sie. Sie sollte auch zum Standard in anderen EU-Ländern werden. Martin Preineder (ÖVP/N) sprach sich im Hinblick auf den Begriff Jugendgarantie eher für eine Ausbildungsgarantie aus, etwa, sich um Problemfelder wie bei längeren Zeiten bis zum Abschluss oder bei Ausbildungsabbruch zu kümmern. Generell sieht er die Probleme in Österreich anders gelagert und bezweifelt die Vergleichbarkeit mit anderen EU-Ländern.

Das duale Ausbildungssystem biete auch eine "Riesenchance" für Europa, hofft Stefan Schennach (SPÖ/W), dass die Programme auch in diese Richtung gehen. Er hält die Ausdehnung auf das Alter bis unter 30 bei der Jugendgarantie für durchaus gerechtfertigt. Seit 2013 sei durch die Jugendgarantie die Jugendarbeitslosigkeit stark zurückgegangen, so Schennach. Er sprach sich außerdem gegen Kürzungen etwa beim Erasmusprogramm aus. Aus seiner Sicht sollten zudem Lehrlinge in die europäische Perspektive eingebunden werden. Betreffend Jugendbeschäftigungsprogramme plädierte Günther Novak (SPÖ/K) dafür, dass die Mittel nicht nur nicht gekürzt, sondern erhöht werden sollten.

Monika Mühlwerth (FPÖ/W) sieht im Gegensatz zu Stefan Schennach im Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit durch die Jugendgarantie seit 2013 nur einen "Tropfen auf den heißen Stein". Das duale System in Österreich gelte zwar als Vorbild, es hapere aber an der Umsetzung, meinte sie. Für viele Länder der EU gebe es außerdem die Kritik, dass die Ausbildung zu wenig praxistauglich sei. Mühlwerth will außerdem nicht nur über Jugendarbeitslosigkeit sprechen, sondern auch über die Situation, wenn man mit 30 Jahren aus dem System fällt.

Unterstützenswert sind die vorliegenden Programme jedenfalls aus Sicht von Marco Schreuder (Grüne/W) – unter anderem auch, dass in zukunftsträchtige Bereiche wie Klima und Digitalisierung investiert werden soll. Aufpassen müsse man aus seiner Sicht etwa bei der Situation im Bereich Praktika, im Hinblick auf eine geringe Lehrlingsrate in manchen Branchen sowie hinsichtlich eines "Prekariatsfaktors" bzw. einer "Schuldenfalle" für Start-ups bzw. EPU. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) mbu/fan


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