Kulturausschuss genehmigt Abkommen über Kooperation mit Yad Vashem und zu Gemeinschaftsproduktionen europäischer Kinofilme
Kulturstaatssekretärin Mayer rechnet mit Normalbetrieb des Kulturlebens ab Saison 2022/23
Wien (PK) – Mit breiter Mehrheit gab der Kulturausschuss seine Zustimmung zu zwei internationale Abkommen. Einstimmig beschlossen wurde das Abkommen zwischen Österreich und Israel, das künftig die Nutzung und den Austausch von digitalen Reproduktionen von Archivalien mit Bezug zum Holocaust erlaubt. Österreich schließt sich auch dem Europäischen Übereinkommen über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen in seiner aktualisierten und erweiterten Fassung an, auch hier war die Zustimmung des Ausschusses einstimmig.
Gelegenheit zu einer breiten Debatte über Kunst- und Kulturförderungen gab der Kunst- und Kulturbericht 2019. Der Bericht wurde vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen. Die Diskussion stand dabei im Zeichen der aktuellen Corona-Krise, die die Kulturbranche besonders stark trifft. Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer teilte ihre Einschätzung mit, dass die Krise auch längerfristige Effekte habe und man daher davon ausgehen müsse, dass ein "Normalbetrieb" erst mit der Saison 2022/23 möglich sein wird. Das bedeute für die in Kunst und Kultur Tätigen und die Kulturinstitution große Herausforderungen. Sie sei aber sicher, dass diese mit kreativen Anstrengungen gemeistert werden. Die Bundesregierung bekenne sich zur öffentlichen Finanzierung des Kulturlebens und werde auch weiterhin dort Hilfe leisten, wo es notwendig ist, versicherte die Staatssekretärin.
Europäisches Übereinkommen über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen wird aktualisiert
Seit 1995 beteiligt sich Österreich am vom Europarat beschlossenen Europäischen Übereinkommen über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen. Bei Erfüllung bestimmter Bedingungen sind damit Gemeinschaftsproduktionen von Kinofilmen, die vorher von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten genehmigt wurden, nationalen Filmen gleichgestellt. Damit besteht für sie Anspruch auf dieselben Vergünstigungen. Außerdem regelt das Übereinkommen Einzelheiten zu Koproduktionsanteilen, Eigentumsrechten, der Ausgewogenheit der Investitionen und zum Zugriff der Vertragsparteien auf das fertige Filmwerk.
Dem Nationalrat liegt nun eine revidierte Fassung des Übereinkommens vor, die den grundlegenden Veränderungen der Filmindustrie Rechnung trägt, die seit seiner Formulierung im Jahr 1992 erfolgt sind (350 d.B.). Mit der Neufassung wird auch der Anwendungsbereich erweitert, indem das Übereinkommen auch Nichtmitgliedstaaten des Europarats offensteht. Die aktualisierte Fassung führt den Gedanken der "offiziellen internationalen Gemeinschaftsproduktion" ein und enthält eine Anpassung der Koproduktionsanteile, um den Koproduktionspartnern die Beteiligung an offiziellen Gemeinschaftsproduktionen zu erleichtern. Weitere Bestimmungen beziehen sich auf die Sicherstellung der Überwachung und des Austausches der besten Praxis im Hinblick auf die Anwendung des Übereinkommens. Zudem soll durch die Aktualisierung des Anerkennungsverfahrens die Arbeit der für die Anwendung des Übereinkommens zuständigen Stellen erleichtert werden.
Aufgrund der mit den neuen Regeln verbundenen Kostenersparnisse stimmten die VertreterInnen aller Fraktionen dem Übereinkommen zu. Maria Smodics-Neumann (ÖVP) führte aus, dass viele vor- und nachgelagerte Unternehmen der Filmindustrie mit Aufträgen betraut werden und daher von dem Gesetz profitieren. Auch Staatssekretärin Andrea Mayer hält das Engagement in diesem Bereich für besonders wichtig. Ein großer Teil der in Österreich produzierten Filme würden durch Kooperationen mit anderen Ländern ermöglicht, gab sie zu bedenken.
Abkommen Österreich-Israel ermöglicht Austausch von Digitalisaten mit Yad Vashem
Ein neues Abkommen zwischen Österreich und Israel soll ermöglichen, dass die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem einerseits und das Österreichische Staatsarchiv sowie die KZ-Gedenkstätte Mauthausen/Mauthausen Memorial andererseits von ihnen erstellte Digitalisate zum Zweck der weiteren wissenschaftlichen Nutzung austauschen können (413 d.B.). Im Mittelpunkt stehen dabei die umfangreichen Bestände der genannten Einrichtungen mit Holocaust-Bezug. Bisher war von Seiten Österreichs aufgrund des Bundesarchivgesetzes und datenschutzrechtlicher Vorgaben eine Weitergabe digitaler Reproduktionen von Archivalien nicht erlaubt.
Das Abkommen wurde als besonderes Zeichen des Gedenkens am 8. Mai 2019, dem Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung vom Nationalsozialismus in Wien unterzeichnet. Damit vereinbaren Österreich und Israel den wechselseitigen Zugang zu relevanten Archivalien für ausgewählte ForscherInnen sowie die Herstellung von Digitalisaten, damit diese für Forschungszwecke und zur Veröffentlichung genutzt werden können. Für das Inkrafttreten des Abkommens ist die Zustimmung des Nationalrats erforderlich.
Alle Parlamentsparteien begrüßten diesen Schritt. Christian Lausch (FPÖ) wies darauf hin, dass das Abkommen bereits unter der ÖVP-FPÖ-Regierung verhandelt wurde. Harald Troch (SPÖ) begrüßte die Kooperation zwischen Österreich und Israel. Diese sei besonders wichtig, wenn es um das dunkelste Kapitel in der Geschichte Europas und Österreichs gehe. Seitens der Regierungsparteien unterstrich Hermann Weratschnig (Grüne) die hohe Relevanz des Gedenkens und Erinnerns. Martin Engelberg (ÖVP) hob das positive Zeichen hervor, dass das Abkommen für die Erinnerungskultur setze.
Kunst- und Kulturbericht 2019 gibt Anlass zur Debatte über Bewältigung des Krisenjahres 2020
Der Kunst- und Kulturbericht des Jahres 2019 (III-174 d.B.) eröffnet den Blick auf ein Jahr, in dem die Kunst- und Kulturfinanzierung unter völlig anderen Voraussetzungen als heuer stand und noch niemand die gravierenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Rahmenbedingungen für das Kunst- und Kulturleben erahnen konnte. Darüber waren sich die Abgeordneten des Kulturausschusses mit Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer einig. Die Debatte stand demzufolge vor allem unter dem Aspekt der Fragen, mit welchen Maßnahmen die aktuelle Krise überwunden werden kann, wann und wie die Öffnung des Kulturlebens organisiert wird und wann mit einer Normalisierung zu rechnen ist.
Die Kulturstaatssekretärin unterstrich zu Beginn ihrer Ausführungen zum Bericht das Bekenntnis zur öffentlichen Finanzierung des Kunst- und Kulturlebens in Österreich. Mayer betonte auch ihre Bereitschaft zu einem regelmäßigen Austausch mit allen Stakeholdern der Branche, aber auch mit dem Parlament und den Ländern. Das gelte auch für die in Erarbeitung befindliche Kunst- und Kulturstrategie, betonte Mayer in Richtung von NEOS-Kultursprecher Josef Schellhorn, der nach dem Zeitplan der Strategie gefragt hatte. Der Diskussionsprozess dazu sei aufgrund der Krise leider in Verzug. Das Thema sei ihr aber sehr wichtig und die Erarbeitung werde im Frühjahr 2021 beginnen. Auch die Verhandlungen zu Fair Pay in der Kultur werde sie fortführen und dabei auch die Bundesländer einbeziehen. Dabei gehe es auch um Fair Practice, also neben der angemessenen Bezahlung um die allgemeinen Arbeits- und Lebensbedingungen im Kunst- und Kulturbetrieb.
Mehrere Fragen der Abgeordneten im Kulturausschuss konzentrierten sich auf die Frage, wann mit einer Öffnung des Kulturbetriebs bzw. mit einem annähernden Normalbetrieb zu rechnen ist. Vor allem sollte bei den Öffnungen nach dem Lockdown die Kunst- und Kultureinrichtungen nicht erst an letzter Stelle kommen. Vielmehr sollten sie so bald wie möglich wieder den Betrieb aufnehmen können, meinten der SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda, Josef Schellhorn (NEOS) und Martin Engelberg (ÖVP) übereinstimmend.
Mayer betonte, dass man auch von Impfungen nicht erwarten dürfe, dass sich sofort wieder die gewohnte Normalität herstellen werde, etwa bei Reisetätigkeit und im Tourismus. Die Effekte der Krise würden damit auch im Kulturbetrieb länger spürbar sein, meinte die Staatssekretärin. Daher rechne sie, dass sich erst in der Saison 2022/23 wieder ein mehr oder weniger gewohntes Bild im Betrieb der Kunst- und Kulturinstitutionen bieten werde. Das verlange den Institutionen und allen Beteiligten zweifellos viel ab, sie sei aber davon überzeugt, dass die Herausforderungen mit Kreativität gemeistert werden können.
Die kleinen Kulturinitiativen, für die sich Drozda einsetzte, bezeichnete Mayer als "wichtige kulturelle Nahversorger", weshalb vor allem das Budget für kleine Vereine erhöht worden sei. Auch der NPO-Fonds leiste wichtige Unterstützung. Sie appelliere an alle Vereine, hier noch Anträge zu stellen, sagte Mayer.
Die Situation des Buchhandels sprachen Maximilian Köllner (SPÖ) und FPÖ-Kultursprecher Volker Reifenberger an. Sie kritisierten, dass Buchhandlungen keine Abholstationen einrichten können. Mayer sagte, der Wunsch nach Büchern sei zwar verständlich, aber rein formal handle es sich um einen Teil des Warenhandels, der auch in anderen Bereichen eingeschränkt sei. Daher sei es schwierig, gerade hier Ausnahmen zu schaffen. Die Leistungen der Buchhandlungen, die nicht erst seit der Pandemie vor großen Herausforderungen stehen, seien aber anzuerkennen. Die Senkung der Umsatzsteuer habe dem Buchhandel bisher rund 45 Mio. € gebracht, der Umsatzersatz für den Lockdown werde rund 20 Mio. € ausmachen. Zusätzlich habe ihr Ressort dem Buchhandel noch 200.000 € für Digitalisierungsprojekte zur Verfügung gestellt.
Kunst und Kultur würden in der derzeitigen Situation nicht gegenüber anderen Branchen benachteiligt, replizierte Mayer auf kritische Anmerkungen von SPÖ-Abgeordnetem Harald Troch. Zweifellos würden sich alle wünschen, dass mehr Veranstaltungen möglich sind. Die Entwicklung der Ansteckungen, die größtenteils nicht mehr nachvollziehbar wären, hätten aber eine Einschränkung der Mobilität der Bevölkerung notwendig gemacht. Nach dem 6. Dezember werde man schrittweise wieder öffnen, über das Konzept sei sie in Verhandlungen.
Schnelltests für BesucherInnen von Kulturveranstaltungen, wie Drozda und Schellhorn sie forderten, um mehr Sicherheit herzustellen, seien zwar auf den ersten Blick ein guter Gedanke, aber im Detail schwer umsetzbar, meinte Mayer. Denkbar wären solche Konzepte erst, wenn es sehr einfach zu handhabende Tests gebe. Die Kosten für Hygienekonzepte und Tests könnten im Übrigen jetzt schon beim NPO-Fonds beantragt und auch über Förderungen abgerechnet werden. Zum Lockdown-Bonus habe es bis 19. November 713 Anträge gegeben und es sei rund eine Million Euro ausbezahlt worden, erfuhr Abgeordneter Reifenberger (FPÖ).
Die Förderung des österreichischen Films in der derzeitigen Krise sprach Hermann Weratschnig (Grüne) an. Eine rasche Hilfe sei über einen so genannten Comeback-Zuschuss erfolgt, der sicherstellen soll, dass weiterhin Dreharbeiten stattfinden, teilte Mayer dazu mit. Dieser Zuschuss werde nun um ein Jahr verlängert. Außerdem könne das Österreichische Filminstitut im kommenden Jahr 2 Mio. € an zusätzlichen Fördergeldern vergeben. Damit die Filme auch in die Kinos kommen können, wurden bereits als Akuthilfe die Förderungen der Programmkinos verdoppelt und auch 2021 gibt es zusätzliche Förderungen. Auch können die Kinos den 80-prozentigen Umsatzersatz für November beantragen.
Budget für Kunst und Kultur stieg von 2018 auf 2019 leicht an
Laut dem Kunst- und Kulturbericht ist 2019 das Kulturbudget erneut leicht angestiegen. Lag es 2018 bei rund 437,55 Mio. €, so stellte der Bund 2019 für Kunst und Kultur ein Budget von rund 439,46 Mio. € zur Verfügung.
Veränderungen der Budgetzahlen einzelner Sparten von 2018 auf 2019 seien vor allem auf Einzelprojekte zurückzuführen, für die es Sonderzahlungen gab, erfuhr Abgeordneter Rudolf Taschner. Große Projekte seien etwa die Sanierung des Volkstheaters und des Wiener Konzerthauses sowie Investitionen für das Haus der Geschichte Österreich gewesen. Der Musikfonds, der ÖVP-Kultursprecherin Maria Großbauer ein besonderes Anliegen ist, werde deutlich und nachhaltig aufgestockt, versicherte Mayer. Er habe einen wesentlichen Anteil an dem "österreichischen Pop-Wunder" der letzten Jahre mit international erfolgreichen Bands.
Der Bericht weist auch den Anteil der Förderungen für Männer und Frauen genau aus. Bei den Einzelförderungen von Personen sei das Verhältnis unterdessen faktisch ausgeglichen, es gehe aber auch darum, dass auch im Kunst- und Kulturbetrieb Frauen in Spitzenpositionen gelangen können, hier sei einiges geschehen, betonte Mayer gegenüber NEOS-Mandatarin Henrike Brandstötter. Was das Urhebervertragsrecht angehe, nach dem die Abgeordnete gefragt hatte, so liege diese Materie in der Zuständigkeit des Justizministeriums. Ihr sei es wichtig, dass faire Vertragsbedingungen hergestellt werden. Erste Entwürfe lägen bereits vor, sie gehe davon aus, dass das Gesetz Mitte 2021 umgesetzt werden kann.
Die Förderung des Interesses an Kunst und Kultur bei Kindern und Jugendlichen durch freien Eintritt unter 19 Jahren sei eine Erfolgsgeschichte. Von 2010 bis 2019 hätten 2,7 Mio. Kinder und Jugendliche an Führungen und Vermittlungsprogrammen der Bundesmuseen teilgenommen, erfuhr Abgeordneter Weratschnig (Grüne). Die Zahl der BesucherInnen sei heuer natürlich insgesamt zurückgegangen, anteilsmäßig sei die Zahl der Kinder und Jugendlichen aber gleichgeblieben.
Das Thema der Errichtung einer Bundesmuseenholding wurde von Reifenberger angesprochen. Diese Frage werde seit einigen Jahrzehnten diskutiert, sagte Mayer. Der Diskussionsprozess über eine gemeinsame Steuerung der Häuser sei eingeleitet worden, sie gehe davon aus, dass die Erarbeitung eines brauchbaren Konzepts eineinhalb bis zwei Jahre in Anspruch nehmen werde. (Fortsetzung Kulturausschuss) sox
Links
- 350 d.B. - Übereinkommen des Europarats über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen (revidiert)
- 413 d.B. - Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Israel über die Nutzung von Reproduktionen bestimmter Archivalien
- III-174 d.B. - Kunst- und Kulturbericht 2019
- 1/A-KU - Kulturausschuss