Parlamentskorrespondenz Nr. 1451 vom 17.12.2020

Bundesrat: Lebhafte Debatte über geeignete Maßnahmen gegen den Extremismus

Innenminister Nehammer verteidigt Anti-Terrorpaket als wichtigen Schritt im systemischen Kampf gegen die Gefährdung der Staatssicherheit

Wien (PK) – An Innenminister Karl Nehammer richtete sich heute die Aktuelle Stunde im Bundesrat, bei der es um das Thema "Extremismus in Österreich: Aktuelle Herausforderungen und Ausblick" ging. Am Ende des Tages sei es egal, von welcher Seite die Gefährdungen für die demokratischen Grund- und Freiheitsrechte oder sogar der Terror kommen, erklärte Nehammer, sie müssten jedenfalls mit aller Härte und Konsequenz bekämpft werden. Einen weiteren wichtigen Beitrag dazu werde das vor kurzem präsentierte Anti-Terrorpaket leisten, das etwa die Einführung eines Gefährder-Registers oder die Möglichkeit zur elektronischen Überwachung von bedingt entlassenen StraftäterInnen beinhalte. Außerdem habe er eine Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung mit dem Ziel eingeleitet, neue und effiziente Schutzmauern für die Republik zu bauen. 

Während die VertreterInnen der Regierungsfraktionen das geplante Gesetzespaket lobten, hätte sich die SPÖ gewünscht, dass zunächst einmal die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten besser ausgeschöpft worden wären. Dringenden Handlungsbedarf sahen sie beim BVT, das unter einem jahrelangen Einfluss durch die ÖVP gelitten habe. Von einem populistischen Schnellschuss unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung und von einer Gefährdung des Rechtsstaates sprach der NEOS-Vertreter. Die Freiheitlichen hätten sich angesichts der zahlreichen Pannen im Innenressort in den letzten Monaten einen Rücktritt von Innenminister Nehammer erwartet, da er mit seiner Aufgabe offensichtlich überfordert sei.

ÖVP: Konsequentes Vorgehen gegen politischen Islam zur Verteidigung der Demokratie und der gemeinsamen Werte

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP/O) befasste sich in seiner Wortmeldung vor allem mit dem kürzlich im Ministerrat beschlossenen Anti-Terrorpaket der Regierung, das er als richtigen Schritt in die richtige Richtung bezeichnete. Die Polizei sei sehr gefordert, da sie es mit den unterschiedlichsten Gruppierungen zu tun habe, die von der rechtsextremen Szene, den Identitären, linksextremen Anarchisten bis hin zu gewaltbereiten islamistischen Organisationen reichten. Vor allem von den sogenannten Foreign terrorist fighters gehe ein sehr schwer kalkulierbares Risiko für Österreich aus, urteilte Seeber.

Im Zuge des Gesetzesvorhabens sollen unter anderem die Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen stark ausgebaut werden, erläuterte Seeber, weil gerade auch der jüngste Terrorakt in Wien gezeigt habe, wie wichtig die Reintegration von StraftäterInnen sei. Er unterstrich in diesem Zusammenhang, dass das konsequente Vorgehen gegen den politischen Islam, dessen Ideologie die europäischen Grundwerte in Frage stelle, keinen Angriff auf eine Religion darstelle. Was die Frage der Sicherungshaft betreffe, so müsse zumindest eine Debatte darüber erlaubt sein, zumal es eine Handhabe brauche, um GefährderInnen wirksam entgegentreten zu können. Dass es der Regierung sehr ernst sei im Kampf gegen radikale Ideologien habe erst die vor kurzem durchgeführte Polizei-Aktion Luxor bewiesen, bei der vor allem eine mögliche Finanzierung des Terrors durch Geldwäsche im Fokus stand. Gleichzeitig dürfe nicht vergessen werden, dass die Internetkriminalität mittlerweile der am stärksten gestiegene Tatbestand sei, zeigte sein Fraktionskollege Harald Himmer (ÖVP/W) auf. Damit die Polizei für diese neue Herausforderung ausreichend gewappnet ist, werden deshalb zusätzliche 30 Mio. € bereitgestellt.

SPÖ klagt Versagen des BVT an und fordert rasches Handeln angesichts der sich verschärfenden sozialen Krise

Weniger Lob für das neue Terrorpaket kam vonseiten der Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ/W), da ihrer Meinung nach die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten ausgereicht hätten. Sowohl der islamistische Attentäter von Wien als auch der Neonazi, der als Hauptverdächtiger im Zusammenhang mit einem spektakulären Waffenfund geführt wird, waren der Polizei und den Gerichten bestens bekannt. Beide hatten einschlägige Vorstrafen und eine gewisse Zeit in österreichischen Gefängnissen verbracht. Diese Fälle zeigten mehr als deutlich, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) nicht in der Lage sei, die vorgesehen Aufgaben zu erfüllen und die Bevölkerung entsprechend zu schützen. Zum Glück habe vor kurzem verhindert werden können, dass der Polizei noch die Kontrolle der Corona-Maßnahmen in den Wohnzimmern der Menschen zugemutet wurde; dies sei eine der absurdesten Ideen der Regierung gewesen. Abseits aller terroristischen Bedrohungen war es Schumann ein großes Anliegen, die soziale Krise anzusprechen, die sich ihrer Einschätzung nach zunehmend verschärfe. Es gebe über 472.000 Menschen ohne Jobs und ohne Perspektiven, zeigte sie auf, dennoch fehlten noch immer konkrete Lösungen wie z.B. die Einrichtung von Arbeitsstiftungen oder eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen.

Ein wichtiger Schlüssel zur Verhinderung jeglicher Form von Extremismus liegt nach Ansicht von Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ/W) in der Prävention. Das angesprochene Anti-Terrorpaket sehe er "vorsichtig positiv", da es noch einmal überarbeitet wurde und nun nicht mehr allein auf den politischen Islam abziele. Ebenso wie Schumann übte er deutliche Kritik am BVT, das im Vorfeld des terroristischen Anschlags für zahlreiche Pannen verantwortlich zeichne. Mitverantwortlich für Missstände in dieser Organisation seien aber auch die ÖVP sowie insbesondere Innenminister Nehammer, unterstrich er. Eine diesbezügliche Reform müsse jedenfalls eine Einbeziehung des Parlaments vorsehen.

FPÖ tritt für hartes Verbotsgesetz gegen den politischen Islam ein

Die heutige Aktuelle Stunde sollte eher "Willkommen beim schwarz-grünen Inkompetenz-Roulette-Spiel" heißen, schlug Bundesrat Josef Ofner (FPÖ/K) als neuen Titel vor. Dass Innenminister Nehammer angesichts der vielen Pannen und Fehler noch immer nicht sein Amt zurückgelegt habe, betrachte er als Verhöhnung der Opfer des eiskalten islamistischen Terroranschlags in Wien sowie all jener PolizistInnen, die unter Einsatz ihres Lebens für die Sicherheit der Bevölkerung gesorgt haben. Nehammer trage die politische Verantwortung dafür, dass die Warnungen der deutschen und slowakischen Behörden bezüglich des Attentäters ignoriert wurden, war Ofner überzeugt. Außerdem habe der Innenminister auch nach der schrecklichen Tat versucht, die Verantwortung für das Versagen auf andere abzuschieben. Kritisch beurteilte Ofner das vorgeschlagene Anti-Terrorpaket, weil es wieder keine harten Maßnahmen gegen den politischen Islam enthalte. Handlungsbedarf sah er zudem beim Kampf gegen den Linksextremismus, der vor allem vom Grünen Regierungspartner totgeschwiegen werde.

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) führte die Missstände beim BVT vor allem darauf zurück, dass die ÖVP dort seit Innenminister Strasser alles daran gesetzt habe, einen "hofeigenen Spitzelverein aufzuziehen". Ihm tuen nur die vielen guten PolizistInnen im BVT leid, die nun bedauerlicherweise auch in ein schlechtes Licht gerückt werden. 

Grüne setzen auf Prävention, Reintegration und Deradikalisierung

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O) wies auf das breite Spektrum von Einstellungen hin, die den äußeren politischen Rand jenseits der freiheitlich-demokratischen Grundordnung betreffen. Dem Gesetzgeber müsse es darum gehen, dass jegliche Form des Extremismus, der zu Straftaten führe, auch entsprechend verurteilt werde. Gleichzeitig sei es notwendig, weitreichende Präventionsmaßnahmen zu setzen, um der Ausbreitung von extremistischen Strömungen wirkungsvoll zu begegnen. Nach der Entlassung von StraftäterInnen sollten Reintegration und Deradikalisierung im Fokus stehen, soweit dies unter den jeweiligen Umständen möglich sei. Man könne nicht alle TäterInnen ein Leben lang wegsperren oder überwachen, gab sie zu bedenken. Hauschild-Buschberger wertete es ebenso wie Marco Schreuder (Grüne/W) daher als sehr positiv, dass 8 Mio. € für Extremismuspräventionsprogramme zur Verfügung gestellt werden. Auch sollten einzelne Gruppen wie MuslimInnen nicht unter Generalverdacht gestellt werden, weil dies der ganzen Gesellschaft schaden würde. In Richtung der FPÖ äußerte Schreuder sein Bedauern darüber, dass es auch in Zeiten, wo es dringend ein Zusammenhalten brauche, wieder nur zu Schuldzuweisungen komme.

NEOS warnen vor einer Gefährdung des Rechtsstaates

Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) bezeichnete das gestern angekündigte Anti-Terrorpaket als populistischen Schnellschuss unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung. Außerdem würden die Maßnahmen Gefahren für den Rechtsstaat bergen, zumal nicht einmal die Untersuchungen zum Behördenversagen beim Terroranschlag in Wien abgewartet wurden. Obwohl das BVT in diesem Bereich eine Schlüsselfunktion inne habe, wurde über eine Reform gar nicht einmal gesprochen, beklagte Arlamovsky. Im Bundesamt brauche es neben einem allgemeinen Kulturwandel vor allem eine Entpolitisierung sowie eine interdisziplinäre Ausrichtung des Personals. Skeptisch zeigte er sich auch bezüglich der Ankündigung des neuen Straftatbestands "religiös motivierte extremistische Verbindung", der wohl eher ein Ablenkungsmanöver sei. Die bestehenden Regelungen würden schon jetzt genügend Handhabe bieten, um gegen Extremismus vorzugehen.

Nehammer kündigt systemischen Kampf gegen Terrorismus und umfassende Reform des BVT an

Um einen entschlossenen und systemischen Kampf gegen den Terrorismus führen zu können, brauche es ein Zusammenwirken von Polizei, Justiz und zivilgesellschaftlichen Organisationen, unterstrich Innenminister Karl Nehammer. Das Attentat vom 2. November in Wien habe allen deutlich vor Augen geführt, dass der islamistische Terror auch in Österreich angekommen sei. Er sehe es als seine Pflicht gegenüber den Opfern, den Verletzten und den Angehörigen an, "nicht im Sinne der freiheitlichen Kollegen die Flucht zu ergreifen", sondern für Aufklärung und für noch mehr Sicherheit im Land zu sorgen. Der FPÖ würde er zudem empfehlen, in den Spiegel schauen und darüber nachzudenken, warum der ehemalige Innenminister Kickl aus parteipolitischen Gründen bereit sei, eine geheime Operation der Polizei zu gefährden, die ein wirksamer Schlag gegen die Muslimbruderschaft und die Hamas war. Das Vorgehen der Exekutive habe großes internationales Aufsehen erregt, weil es gezeigt habe, dass Österreich als eines der ersten europäischen Länder bereit sei, einen konsequenten Kampf gegen den politischen Islam zu führen. Außerdem konnte vor kurzem einer der größten Waffenfunde vermeldet werden, wobei sich Verbindungen zur rechtsextremen Szene sowohl in Österreich als auch in Deutschland zeigten.

Die Regierung habe nun ein Anti-Terrorpaket vorgelegt, das weitere wichtige Instrumente enthalte, um noch effizienter gegen die Gefährdung der Staatssicherheit sowie der demokratischen Grund- und Freiheitsrechte vorgehen zu können. Als Beispiele führte er die Einführung eines Gefährder-Registers oder die Möglichkeit der elektronischen Überwachung bei bedingten Entlassungen an. Außerdem kündigte Nehammer an, neue und effizientere Strukturen beim BVT aufbauen zu wollen, wofür insgesamt ein Zeitraum von einem Jahr vorgesehen ist.

Auf der Tagesordnung standen zudem Beschlüsse des Nationalrats, die Änderungen im Staatsbürgerschafts- und Niederlassungsgesetz sowie im Sicherheitspolizeigesetz zum Inhalt hatten. In beiden Fällen erhob der Bundesrat keinen Einspruch. (Fortsetzung Bundesrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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