Parlamentskorrespondenz Nr. 13 vom 12.01.2021

Rechnungshofausschuss diskutiert Präventions- und Behandlungsangebot bei psychischen Erkrankungen und Diabetes

Anschober: Gesundheitsministerium reagiert auf psychische Belastungen, die aus aktueller Krise entstehen

Wien (PK) – Über zwei wichtige Gesundheitsthemen, nämlich über psychische Erkrankungen und Diabetes, debattierte der Rechnungshofausschuss heute anhand von zwei Prüfberichten des Rechnungshofs. Beide Berichte kommen zu durchaus kritischen Befunden, was Datenlage und flächendeckende Versorgung bei psychischen Erkrankungen und im Falle von Typ-2-Diabeteserkrankungen betrifft. Gesundheitsminister Anschober stimmte mit den Abgeordneten überein, dass die Prävention gestärkt werden müsse. Im aktuellen Budget seien dafür deshalb zusätzliche Mittel für Aufklärung und Bewusstseinsbildung vorgesehen.

Angesichts der weiten Verbreitung psychischer Erkrankungen und der zunehmenden Höhe der Kosten für die Versorgung wie auch der Folgekosten vermisst der Rechnungshof eine "angemessene Reaktion" des Gesundheitswesens. Übergreifende Versorgungskonzepte fehlten ebenso wie eine konkrete Angebotsplanung, so das Ergebnis der Prüfung. Der als Auskunftsperson eingeladene Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse Bernhard Wurzer betonte, dass die Kranken- und Sozialversicherungen die große Bedeutung eines Ausbaus der psychotherapeutischen Versorgung schon lange erkannt hätten und auch die ÖGK bereits Schritte zur Verbesserung gesetzt habe.

Der Rechnungshof sieht auch einen hohen Verbesserungsbedarf bei den Maßnahmen gegen die Volkskrankheit Diabetes. Sowohl bei der Prävention, als auch der Früherkennung und der Versorgung erkennt das Kontrollorgan des Parlaments Verbesserungsbedarf, sagte RH-Präsidentin Margit Kraker. Auch hier wird vom Rechnungshof eine Verbesserung der Datenlage eingemahnt. Gesundheitsminister Anschober betonte, dass sein Ressort dieser Frage ebenso wie der Ausweitung der Präventionsmaßnahmen hohe Aufmerksamkeit schenke.

Rechnungshof: Folgen psychischer Erkrankungen führen zu Mehraufwendungen von rund 300 Mio. €

Grundlage des Berichts über das Angebot der Sozialversicherung für psychisch Erkrankte war die Durchleuchtung der psychosozialen Angebote in den Ländern Salzburg und Steiermark, die das Prüforgan des Parlaments 2016 durchgeführt hatte (III-24 d.B.). Der Rechnungshof weist darauf hin, dass laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund die Hälfte der Bevölkerung zumindest einmal im Leben von psychischer Erkrankung betroffen ist. Die Mehraufwendungen für Krankheitsfolgen aufgrund psychischer Erkrankungen in Österreich allein für das Jahr 2016 bezifferte der Rechnungshof mit etwa 300 Mio. €.

Laut dem Rechnungshof liegen keine vollständigen Daten zu Verbreitung, Ursachen und Folgen psychischer Erkrankungen, aber auch zur Inanspruchnahme von Psychopharmaka oder psychosozialen Diensten und zur Wirkung der Behandlungen vor.

In der Diskussion nahmen die Abgeordneten aller Fraktionen die Kritikpunkte und Feststellungen des Berichts auf. Für Felix Eypeltauer (NEOS) ist die fehlende Zusammenführung von Daten ein immer wieder auftretendes Problem des Föderalismus. Auch Karin Greiner (SPÖ) sah die Datenlage als Bereich, in dem Verbesserungen notwendig sind. Sie sprach sich für den Ausbau der Kinder und Jugendpsychiatrie aus. Laurenz Pöttinger (ÖVP) sah angesichts der starken Zunahme der Zahl an psychischen Erkrankungen eine hohe Herausforderung für Sozialversicherungen.

Wolfgang Zanger (FPÖ) meinte, die von der Bundesregierung im Zuge der COVID-19-Pandemie verhängten Maßnahmen würden zweifellos eine weitere Welle der psychischen Belastungen auslösen. Hier müsse man bereits jetzt präventiv handeln, etwa auch in der Suizidprävention. NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff und SPÖ-Abgeordneter Michael Seemayer verwiesen in diesem Zusammenhang auf die starke psychische Belastung, denen Kinder und Jugendliche derzeit ausgesetzt sind. Auch Martin Litschauer (Grüne) ist es ein Anliegen, das Therapieangebot für diese Gruppe zu stärken. Allerdings sei man gerade im ländlichen Raum mit einem Mangel an Fachkräften konfrontiert.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober betonte, das Gesundheitsministerium sei laufend bemüht, das psychotherapeutische Angebot an den Bedarf anzupassen. Er setze hier auf die Fortführung und Ausweitung von bereits erfolgreich in Pilotversuchen erprobten Modellen, wie etwa den Clearingstellen, die dafür sorgen sollen, dass PatientInnen die für sie passende Therapie und Beratung erhalten. Er habe in Gesprächen mit den beteiligten Stellen eine hohe Bereitschaft erkennen können, die vom Rechnungshof angesprochenen Verbesserungen umzusetzen, etwa was die verbesserte Koordination der Daten betreffe.

Die aktuelle Krise haben den Fokus zwar verschoben, sein Ressort reagiere aber selbstverständlich auf die psychischen Belastungen, die aus der derzeitigen Krise entstehen. Die Krisentelefone seien dementsprechend ausgebaut worden und man habe auch die bewährten Maßnahmen der Suizidprävention verstärkt. Für Kinder und Jugendliche sei besonders das Wegbrechen der Tagesstrukturen ein besonderes Problem. Dabei sei auch mit längerfristigen Folgen zu rechnen, da die Konsequenzen psychischer Belastung sich typischerweise oft erst mit dem Ende der akuten Krisensituation manifestieren. Aktuell hätten besonders die Gruppen der KleinstunternehmerInnen und die Alleinerziehenden mit Mehrfachbelastungen und deren negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit zu kämpfen.

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker sagte, neben den Unklarheiten über die tatsächliche Versorgungslage bemerke der Rechnungshof im Bericht auch das Fehlen klarer Versorgungsaufträge, die die konkreten Aufgaben für die ÄrztInnen festlegen. Darüber hinaus müssten AllgemeinmedizinerInnen stärker eingebunden und die Kinder- und Jugendpsychiatrie weiter ausgebaut werden. Zur besseren Versorgung mit Therapieangeboten spreche sich der Rechnungshof auch für eine gesetzliche Neuregelung der Psychotherapieversorgung und mehr Transparenz in Bezug auf die Leistungen aus.

Generaldirektor Bernhard Wurzer betonte, dass die Österreichische Gesundheitskasse sich den Herausforderungen stelle, die der Bericht aufzeige und die von der Erstversorgung bis zur Rehabilitation psychisch erkrankter Menschen reichten. Der Ausbau des niederschwelligen Angebots an psychotherapeutischen Behandlungen und insbesondere auch der Kinder- und Jugendpsychiatrie sei für die Sozialversicherungen seit Langem ein Thema. Vor allem bemühe man sich, die Datenlage zu verbessern und das Versorgungsgefälle zwischen Stadt und Land auszugleichen. Hier sei es wichtig, auch die AllgemeinmedizinerInnen besser einzubeziehen, die oft die Erstdiagnose stellen. Er sei sich bewusst, dass die derzeitige Krise sich auch auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung auswirke, sagte Wurzer.

Rechnungshof Österreich sieht hohen Verbesserungsbedarf bei Diabetes–Prävention und –Versorgung

In seinem Bericht "Diabetes–Prävention und –Versorgung" weist der Rechnungshof auf einige qualitative Probleme bei der Versorgung von an Diabetes Typ 2 erkrankten Personen, auf Defizite in der Prävention sowie auf eine insgesamt schlechte Datenlage hin (III-58 d.B.). Laut Hochrechnungen der Krankenversicherungsträger waren im Jahr 2016 österreichweit rund 506.700 Personen von der Stoffwechselkrankheit betroffen, wobei rund 294.000 Diabetes-Typ-2–Erkrankungen nicht diagnostiziert worden waren. Wegen der Zunahme der Zahl an Erkrankten, der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der finanziellen Folgen sieht der Rechnungshof eine wesentliche Herausforderung für das österreichische Gesundheitswesen. Geprüft wurde für den Bericht im niedergelassenen Bereich in den Jahren 2013 bis 2017, mit Schwerpunkt auf die Niederösterreichische und Tiroler Gebietskrankenkasse. Der Rechnungshof empfiehlt auch hier, valide und vollständige Datengrundlagen zu schaffen. Zudem sollten regionale und geschlechtsspezifische Besonderheiten von Diabeteserkrankungen analysiert und bei Prävention und Versorgung berücksichtigt werden.

Der Bericht des Rechnungshofs mache die Defizite bei Früherkennung und Prävention deutlich, sagte Abgeordneter Felix Eypeltauer (NEOS), hier müsse eindeutig mehr geschehen. Die Bedeutung der Präventionsarbeit, vor allem auch in jungen Jahren, betonten auch Ulrike Fischer (Grüne), Christian Lausch (FPÖ) und Karin Greiner (SPÖ). Greiner unterstützte auch die Empfehlung des Rechnungshofs zur Einführung von Telemonitoring, der Überwachung der Vitalfunktionen von Erkrankten ohne Ordinationsbesuch, als sinnvolle Ergänzung der Behandlung von Diabetes. Trotz der Anstrengungen aller GesundheitsministerInnen der letzten Jahrzehnte habe sich bei wichtigen Diabetes-Risikofaktoren wie falscher Ernährung, Bewegungsmangel, Alkohol- und Nikotinkonsum keine Verbesserung gezeigt, merkte Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP) an. Da Bewegung wichtig sei, sei es ein richtiger Ansatz, auch im aktuellen Lockdown die Ausübung von Wintersport zu ermöglichen. Die Vorschriften müssten dabei selbstverständlich eingehalten werden.

Neben der Vorsorgeuntersuchung existiere in Österreich leider keine weitere flächendeckende Initiative zur wichtigen Früherkennung von Diabetes, erklärte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Seit dem Jahr 2007 bestehe in Österreich zwar das Disease-Management-Programm (DMP) "Therapie Aktiv – Diabetes im Griff" zur strukturierten Versorgung von diagnostizierten Diabetikern, das eine einheitliche Behandlung gewährleisten solle. Allerdings waren Ende 2017 österreichweit darin nur rund 13 Prozent der Erkrankten eingeschrieben, stellte Kraker kritisch fest. Der Rechnungshof habe auch gesehen, dass nur wenige VertragsärztInnen für Allgemeinmedizin bzw. innere Medizin am DMP–Diabetes teilnehmen. Der Rechnungshof empfiehlt dem Gesundheitsministerium, ähnlich wie bei der erfolgreichen Strategie zur Verringerung des Salzgehalts in Brot und Backwaren mit der Lebensmittelindustrie eine Vereinbarung zur Verringerung des Zuckeranteils anzustreben.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober bedauerte, dass gerade in diesem Bereich die Präventionsbemühungen bisher nicht gegriffen haben. Ein Faktor dabei sei auch eine mangelnde Budgetierung gewesen. Im aktuellen Budget sei das erstmals geändert worden. Zur Verbesserung der Datenlage wäre es wichtig, dass Schul- und BetriebsärztInnen Daten sicher übermitteln können. Sein Ziel sei es, das allgemeine Wissen und das Bewusstsein der Bevölkerung im Bereich Ernährung zu stärken, und zwar schon in möglichst jungen Jahren, betonte der Gesundheitsminister. Schulen und Medien könnten hier wichtige Beiträge leisten. Der Ausweis des Zuckergehalts von Lebensmitteln wäre zweifellos ein wichtiger Schritt. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) sox