Parlamentskorrespondenz Nr. 138 vom 11.02.2021

Erstes Langfristgutachten der Alterssicherungskommission verzögert sich weiter

Sozialausschuss ebnet Weg für Fristverschiebung auf November

Wien (PK) – Das erste Gutachten der Alterssicherungskommission über die langfristige Entwicklung und Finanzierbarkeit des österreichischen Pensionssystems verzögert sich weiter. Aufgrund der anhaltenden Corona-Krise soll es nun erst im November vorliegen. Der Sozialausschuss des Nationalrats hat heute den Weg für einen entsprechenden Gesetzesantrag der Koalitionsparteien geebnet. Ursprünglich wäre der Bericht bereits vergangenen November fällig gewesen, zuletzt wurde der Termin auf März 2021 verschoben. Massive Kritik an der neuerlichen Verschiebung kommt von den NEOS.

Ebenfalls passiert hat den Sozialausschuss eine Novelle zum Freiwilligengesetz. Sie hat eine rückwirkende Verlängerung von Corona-Sonderregelungen zum Inhalt, etwa was das Freiwillige Sozialjahr betrifft. Verschiedene Initiativen der Opposition wurden vertagt. So pochte die FPÖ neuerlich auf die Beibehaltung der abschlagsfreien Frühpension bei 45 Arbeitsjahren. Ein Antrag der SPÖ, bei dem es um Entschädigungen für selbständig Beschäftigte geht, die der COVID-19-Risikogruppe angehören, soll im Wirtschaftsausschuss weiterberaten werden.

Langfristgutachten der Alterssicherungskommission aufgrund der Pandemie verschoben

Begründet wurde die neuerliche Terminverschiebung für das Langfristgutachten der Alterssicherungskommission (1239/A) damit, dass die derzeitige Pandemiesituation eine zeitgerechte Vorlage nicht zulasse. NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker übte heftige Kritik an diesem Vorgehen. Er vermute, dass nicht die Pandemie schuld sei, dass das überfällige Gutachten immer noch nicht vorliege, sondern die "Angst der Bundesregierung vor der Wahrheit". Offenbar kapituliere der Sozialminister vor einem großen Problem, meinte der Abgeordnete. Der Antrag wurde ohne Stimmen der NEOS, jedoch mit breiter Mehrheit der anderen Fraktionen beschlossen.

Außerordentliches Freiwilliges Sozialjahr kann noch bis August angetreten werden

Einstimmig hat der Sozialausschuss eine Novelle zum Freiwilligengesetz (1173/A) angenommen, die kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Dabei gehe es darum, einige mit Jahresende ausgelaufene Corona-Sonderregelungen zu verlängern, etwa was die Möglichkeit des Antritts eines außerordentlichen Freiwilligen Sozialjahres betrifft, erklärte Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne). Die Bestimmungen sollen rückwirkend mit 1. Jänner 2021 in Kraft treten und bis zum 31. August 2021 gelten, ein bei der Abstimmung mitberücksichtigter Abänderungsantrag hat lediglich die Korrektur einer Jahreszahl zum Inhalt. ÖVP-Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer zeigte sich erfreut über die breite Zustimmung zu dem Schritt, da er für die Freiwilligentätigkeit sehr wichtig sei.

FPÖ pocht auf Beibehaltung der "Hacklerpension"

Neuerlich Thema im Ausschuss war auch die sogenannte "Hacklerregelung". Die FPÖ will sich nicht mit der beschlossenen Abschaffung dieser Frühpensionsvariante abfinden, sondern pocht vielmehr auf deren Ausweitung (1150/A(E)). So sollen etwa auch BeamtInnen mit 45 Arbeitsjahren ohne Abschläge in die Korridorpension gehen können. Zudem drängt FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch darauf, Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes für die 45 nötigen Beitragsjahre anzurechnen und die Pension für Personen, die zwischen 2014 und 2020 mit Abschlägen in Pension gegangen sind, neu zu berechnen. FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm pflichtete Belakowitsch bei und fügte hinzu, die ÖVP lasse konkrete Aussagen über die Arbeitsmarktpolitik in der Pandemie vermissen.

Unterstützung des Anliegens kam auch von den SPÖ-Abgeordneten Alois Stöger und Josef Muchitsch. Gerade in der Krise sei es verfehlt, wenn man die Leistungen von Menschen, die bereits lange gearbeitet hätten, nicht anerkenne. Muchitsch kündigte an, dass die SPÖ das Thema weiterverfolgen werde, da im Pensionssystem einiges zu ändern wäre, um es fairer zu machen. Er hoffe, dass bei geänderten Mehrheitsverhältnissen eine Reparatur der ungerechten Regelung möglich sein werde.

Der Antrag wurde von ÖVP und Grünen mit der Begründung vertagt, dass sich an der Situation weiterhin nichts geändert habe. Die FPÖ bringe den Antrag nur immer wieder ein, ohne auf Gegenargumente einzugehen, meinte Bedrana Ribo (Grüne).

SPÖ urgiert besseren Schutz von Selbständigen vor COVID-19-Erkrankung

Dem Wirtschaftsausschuss weitergeleitet werden soll auf Beschluss der Koalitionsparteien ein Entschließungsantrag der SPÖ (1232/A(E)), der auf einen besseren Schutz von Selbständigen mit schweren Vorerkrankungen vor einer COVID-19-Infektion abzielt. Während ArbeitnehmerInnen, die einer COVID-19-Risikogruppe angehören, unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf Dienstfreistellung bei voller Entgeltfortzahlung hätten, gebe es für selbständig Beschäftigte keine entsprechende Schutzbestimmung, bemängelte SPÖ-Abgeordneter Josef Muchitsch. Die SPÖ plädierte in diesem Sinn dafür, bei Vorliegen eines COVID-19-Risiko-Attests eine angemessene Entschädigung zu gewähren, wenn es Selbständigen vorübergehend nicht möglich ist, ihrer beruflichen Tätigkeit in sicherer Form nachzugehen.

Tanja Graf (ÖVP) argumentierte die Zuweisung an den Wirtschaftsausschuss damit, dass dieser überprüfen müsse, ob es zu keiner Doppelförderung kommen würde. Für Selbständige gebe es selbstverständlich eine Reihe von Förderungen, um sie in der Krise zu unterstützen. Gerald Loacker (NEOS) sagte, die Frage seien nicht die Förderungen, sondern wann man Selbständige endlich wieder arbeiten lasse, damit sie ein Einkommen erwirtschaften könnten.

FPÖ kritisiert Einmahnung gestundeter Sozialversicherungsbeiträge von Unternehmen

Im Ausschuss zur Diskussion stand auch ein Entschließungsantrag der FPÖ (1244/A(E)) zur Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen. Der FPÖ ist es ein Dorn im Auge, dass die Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) mitten in der dritten Phase des Lockdowns begonnen habe, von unter enormen Zahlungsschwierigkeiten und Liquiditätsengpässen leidenden Unternehmen gestundete Beiträge einzumahnen. Sie will die Bundesregierung in diesem Sinn auffordern, mit Nachdruck darauf einzuwirken, dass die SVS von diesem Vorhaben umgehend wieder Abstand nimmt.

Peter Wurm argumentierte, dass auch die Stundungen von Bankkrediten, die vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie erfolgt seien, verlängert werden müssten. Er brachte, anknüpfend an den Antrag seiner Fraktion zu gestundeten Sozialversicherungsbeiträgen, einen Entschließungsantrag ein, auch Corona-Kreditstundungen zu verlängern.

Scharfe Kritik am Vorgehen der SVS kam von NEOS-Abgeordnetem Loacker. Solange die Pandemie anhalte, müssten auch die Stundungen weiterbestehen, meinte er. ÖVP-Abgeordneter Laurenz Pöttinger stellte einen Vertagungsantrag zur geforderten Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen. Die Situation sei nicht, wie dargestellt werde. Die Sozialversicherung versuche keine Zwangseintreibung, sondern weise auf bestehende Probleme hin und biete den Betroffenen an, mit ihnen individuelle Lösungen zu erarbeiten. Die beiden Anträge wurden daraufhin mit Stimmenmehrheit von ÖVP und Grünen vertagt.

Sozialminister Rudolf Anschober konzedierte, dass die Frage der Stundungen eine große Herausforderung der aktuellen Krise darstellt. Er habe sich bereits mit der SVS in Verbindung gesetzt und es sei ihm mitgeteilt worden, dass die Versicherung ihre Versicherten derzeit darauf hinweise, dass sie bei Problemen mit den Zahlungen Kontakt aufnehmen sollte.

FPÖ weiter gegen COVID-19-Zwangstestungen und -Zwangsimpfungen

Schließlich vertagte der Sozialausschuss mit den Stimmen von ÖVP und Grünen einen Entschließungsantrag der FPÖ (1255/A(E)), der sich gegen COVID-19-Zwangsimpfungen bzw. Zwangstestungen richtet. Auch für einzelne Berufsgruppen, Bevölkerungsgruppen oder Einzelpersonen soll es demnach keine Impfpflicht geben dürfen, betonte FPÖ-Sozialsprecherin Belakowitsch. Maßnahmen der Regierung, wie die faktische Testpflicht an den Schulen, würden aber in die Richtung von umfassenden Zwangstestungen und letztlich eines Impfzwangs weisen. Sie sehe hier eine bedenkliche Entwicklung, sagte die FPÖ-Abgeordnete. Ihr Fraktionskollege Peter Wurm nützte die Gelegenheit, um auf die Verordnungen des Gesundheitsministers zu Tirol zu sprechen zu kommen. Diese seien vielfach nicht schlüssig, meinte er. Alois Stöger (SPÖ) übte ebenfalls Kritik und bezweifelte die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen über die Ausreise aus dem Bundesland. Auch das Epidemiegesetz erlaube solche Bestimmungen nicht, wie man sie derzeit verhängt habe.

Der Nationalrat habe gleichlautende Initiativen der FPÖ bereits mehrfach abgelehnt, diese bringe aber umgehend neue Anträge ein, sagte ÖVP-Abgeordnete Bettina Zopf. Da die Situation unverändert sei, spreche sie sich für die Vertagung des Antrags aus. Ralph Schallmeiner (Grüne) betonte, es gebe weder Zwangstests noch Zwangsimpfungen.

Bundesminister Rudolf Anschober wies Kritik an der "Tirol-Verordnung" zurück und betonte, dass alle Bestimmungen der jüngsten Verordnungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft worden seien. Sie stünden auch mit dem Epidemiegesetz in Einklang. Die wichtigste Aufgabe sei es jetzt, die Verbreitung der hochansteckenden südafrikanischen Mutation des Virus zu verhindern, da sie drohe, die Bekämpfung der Pandemie noch schwieriger zu machen. Tirol setze sehr intensive Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus hintanzuhalten, was er auch anerkenne.

Auch die Kritik an den Tests in den Schulen ließ Anschober nicht gelten. Die Schulöffnungen seien überfällig gewesen, auch wenn allen bewusst sei, dass jede Öffnung ein gewisses Risiko bringe. Letztlich müsse immer eine sorgfältige Abwägung der Vorteile und Risiken von Öffnungsschritten erfolgen, sagte der Minister. Allen sei bewusst, dass man Lockdowns nicht endlos fortsetzen könne. (Schluss Sozialausschuss) sox