Parlamentskorrespondenz Nr. 445 vom 13.04.2021

Sozialausschuss beschließt weitere Hilfen für KünstlerInnen in Notlage

Anträge der SPÖ zum Berufskrankheitenregister sowie der FPÖ zu Hacklerregelung und Freiwilligkeit von Impfungen vertagt

Wien (PK) – Am Beginn der heutigen Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales sprach Ausschussobmann Josef Muchitsch (SPÖ) den Rücktritt von Gesundheitsminister Rudolf Anschober an, den dieser kurz davor bekanntgegeben hatte. Muchitsch betonte seine hohe Wertschätzung für die Arbeit des Ministers und wünschte ihm alles Gute und vor allem Gesundheit. Den Wünschen für den Minister auf seinem weiteren Lebensweg schlossen sich auch die Abgeordneten der anderen Fraktion an. Dagmar Belakowitsch (FPÖ), Fiona Fiedler (NEOS), Ralph Schallmeiner (Grüne) und Laurenz Pöttinger (ÖVP) würdigten das Engagement Anschobers sowie seine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Parlament und den Ausschüssen des Nationalrats.

Mit Stimmeneinhelligkeit stimmte der Sozialausschuss einer weiteren Aufstockung des COVID-19-Überbrückungsfonds für selbständige KünstlerInnen um zusätzliche 20 Mio. €. Ausgangspunkt war ein Initiativantrag von ÖVP und Grünen zum Fonds, der im Ausschuss nochmals abgeändert wurde. Staatssekretärin Andrea Mayer rechnet damit, dass damit der Fonds die bis Mitte 2021 zu erwartenden Zahlungen bedecken kann.

Mit den Stimmen der ÖVP und der Grünen vertagt wurden drei Anträge der Oppositionsparteien. Die SPÖ ist der Ansicht, dass das Register der Berufskrankheiten aktualisiert werden muss. Die FPÖ sieht diskriminierende Bestimmungen auf Personen zukommen, die keine Impfung gegen COVID-19 erhalten haben. Das sei nicht hinzunehmen, meinen die Freiheitlichen. Sie machten auch einen erneuten Vorstoß zur Wiedereinführung der so genannten "Hacklerregelung".

Der Ausschuss diskutierte außerdem mit Bundesministerin Leonore Gewessler, die die Vertretung des zurückgetretenen Gesundheitsministers übernommen hatte, über dessen Bericht zu den Vorhaben der EU im Gesundheits- und Sozialbereich 2021. Der Bericht wurde mehrheitlich, mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS, zur Kenntnis genommen.

Hilfen für selbstständige KünstlerInnen nach dem Überbrückungsfonds-Gesetz werden um 20 Mio. € ausgeweitet

Der Sozialausschuss debattierte auch eine von den Koalitionsparteien vorgeschlagene Novelle zum Überbrückungsfonds-Gesetz für selbständige KünstlerInnen (1475/A), mit der ursprünglich lediglich ein Redaktionsversehen berichtigt werden sollte. Im Ausschuss brachten ÖVP und Grüne einen gemeinsamen Abänderungsantrag ein, um die Dotierung des bereits etablierten Instruments der Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler, die zur Abfederung von Corona bedingten Einnahmenausfällen von Künstlerinnen und Künstlern eingerichtet wurde, nochmals aufzustocken.

Der Schritt gehe von der Annahme aus, dass Veranstaltungen im Kunst- und Kulturbereich zumindest bis zur Mitte des Jahres 2021 entfallen werden und es zu weiteren Einnahmenausfällen für die Zielgruppe der KünstlerInnen kommt, erklärte Eva Bliminger (Grüne). Die derzeit vorgesehene Dotierung des Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler soll so erhöht werden, dass der Rahmen von bis zu 120 Mio. € auf bis zu 140 Mio. € erhöht wird. Unterdessen gebe es eine breite Palette von Hilfsmaßnahmen, mit denen man auch auf die Vielfalt des Kulturbetriebs reagieren könne, meinte ÖVP-Kultursprecherin Maria Großbauer. Der Fonds leiste gute Arbeit und erhalte nun die Möglichkeit, diese noch bis zum Sommer fortzusetzen.

Auch seitens der Oppositionsfraktionen gab es Zustimmung zu der Erhöhung der Mittel, wenn auch mit einigen kritischen Anmerkungen. Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) beklagte etwa, dass unterdessen ein "Förderdschungel" entstanden sei, der es Betroffenen erschwere, an Hilfen zu gelangen. NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker wiederum meinte, die KünstlerInnen wollten keine Almosen, sondern endlich Gelegenheit, wieder vor Publikum auftreten zu können.

Staatssekretärin Andrea Mayer teilte den Abgeordneten mit, dass mit Ende März der Fonds bereits etwas über 100 Mio. € an AntragstellerInnen ausgezahlt habe. Sie gehe davon aus, dass der bisherige Rahmen von 120 Mio. € ausreichen werde, damit der Fonds bis Ende April weitere Zahlungen leisten kann. Aus derzeitiger Sicht werde es mit den zusätzlichen Mitteln möglich sein, die zu erwartenden Anträge an den Fonds bis Ende Juni abzudecken.

SPÖ fordert Erweiterung der Berufskrankheitenliste

Die Erweiterung der Berufskrankheitenliste ist ein Anliegen der SPÖ. Seitens des Sozial- und Gesundheitsministeriums solle daher eine Arbeitsgruppe mit VertreterInnen der Wissenschaft und der Sozialpartner zur zeitgemäßen Überarbeitung der bestehenden Liste bilden und einen Gesetzesvorschlag vorlegen, fordert Rudolf Silvan (1217/A(E)). Das Thema Berufskrankheiten werde in Österreich – anders als in Deutschland – stark vernachlässigt, kritisierte der SPÖ-Abgeordnete. Die österreichische Berufskrankheitenliste habe nur 53 Positionen, die deutsche hingegen mehr als 80 und werde immer weiter aktualisiert. Unter anderem müssten verbreitete arbeitsbedingte Schädigungen, wie Lungenerkrankungen durch Passivrauchen im Gastgewerbe, weißer Hautkrebs oder Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats bei bestimmten Berufsgruppen aufgenommen werden. Das Thema Berufskrankheiten müsse zudem stärker in der Ärzteausbildung verankert und die hohe Dunkelziffer bei den Berufskrankheiten reduziert werden.

Unterstützung für den Antrag kam von FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. ÖVP-Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer widersprach hingegen der Aussage des Antrags, dass zu wenig für die Prävention getan werde. Das Gegenteil sei der Fall. Auch sei bei den ÄrztInnen bereits ein hohes Bewusstsein für berufsbedingte Krankheiten vorhanden. Markus Koza (Grüne) wies darauf hin, dass das Gesundheitsministerium bereits an einer Aktualisierung des Registers arbeite und diese bald vorliegen werde. Daher sei eine Vertagung des Antrags gerechtfertigt.

FPÖ spricht sich gegen Diskriminierung von Personen ohne COVID-19-Impfung aus

Die FPÖ sei der Ansicht, dass Personen ohne COVID-19-Impfung künftig eine klare Diskriminierung drohen wird. Die Regierung müsse daher bei allen politischen Entscheidungen eine im Jänner vom Europarat zum Thema COVID-19-Impfstoffe gefasste Resolution mit verschiedenen ethischen, rechtlichen und praktischen Überlegungen berücksichtigen, fordern die Freiheitlichen in einem Entschließungsantrag (1365/A(E)). Die FPÖ sei klar gegen eine Impfpflicht sowie gegen eine Diskriminierung von Personen, die nicht geimpft sind. Das oberste Prinzip müsse hier Freiwilligkeit statt Zwang sein, betonte FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm.

Aus Sicht von Alois Stöger (SPÖ) besteht eine große Herausforderung darin, dass hart erkämpfte Freiheitsrechte nicht aufgrund der derzeitigen Situation über Bord geworfen werden. Vielmehr müsse alles getan werden, um die Freiheiten der Menschen zu erhalten. In ähnlicher Richtung argumentierte Gerald Loacker. Nachdem man Freiheiten teilweise überschießend beschnitten habe, gebe es jedenfalls keinen Grund, Geimpften und Genesenen diese weiterhin vorzuenthalten und ihre Bewegungsfreiheit an Auflagen, etwa an regelmäßige Tests, zu knüpfen.

Ralph Schallmeiner (Grüne) wies in seinem Vertagungsantrag auf Widersprüche hin, die aus seiner Sicht in der Position der FPÖ bestehen. Sie habe zuletzt einer Maßnahme, die genau der Position des Europarats entspreche und Menschen mehr Bewegungsfreiheit ermöglichen würde, nicht zugestimmt.

FPÖ pocht weiter auf abschlagsfreie Frühpension nach 45 Arbeitsjahren

Im November hat der Nationalrat auf Initiative der Koalitionsparteien beschlossen, die abschlagsfreie Frühpension bei 45 Arbeitsjahren mit Jahresbeginn 2022 abzuschaffen und durch einen sogenannten "Frühstarterbonus" zu ersetzen. Weder SPÖ noch FPÖ wollen sich allerdings damit abfinden und fordern in – getrennt eingebrachten - Entschließungsanträgen eine Beibehaltung sowie eine Ausweitung der einschlägigen Bestimmungen. Der Sozialausschuss befasste sich heute erneut mit den Forderungen der FPÖ (1150/A(E)). Demnach sollen auch BeamtInnen und ältere Post- und Bahnbedienstete mit 45 Arbeitsjahren Zugang zur sogenannten "Hacklerregelung" erhalten. Die Abschaffung der Regelung sei schlicht nicht gerecht und unfair, argumentierte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.

Laurenz Pöttinger (ÖVP) und Markus Koza (Grünen) sehen keinen Anlass, die Regelung wiedereinzuführen. Sie verwiesen im Ausschuss auf den Frühstarterbonus, der aus ihrer Sicht eine weit größere Personengruppe erreicht und eine gerechtere Regelung darstellt als die Hacklerregelung. SPÖ-Abgeordneter Josef Muchitsch hingegen meinte, es sei nicht einzusehen, warum eine lange Berufstätigkeit nicht anerkannt werde. Die Abschaffung der Regelung stelle eine klare Ungerechtigkeit dar, die SPÖ werde daher weiterhin für eine Wiedereinführung eintreten.

Vorschau auf EU-Vorhaben: Die Union will bei Pandemien stärker koordinierend tätig werden

Über aktuelle EU-Vorhaben in seinem Zuständigkeitsbereich informierte Gesundheits- und Sozialminister Anschober das Parlament in einem Bericht (III-227 d.B). Im Ausschuss übernahm Bundesministerin Leonore Gewessler seine Vertretung und stellte den Bericht vor. Die EU-Kommission wolle aus dem holprigen Start bei der Zusammenarbeit der EU-Länder im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie Konsequenzen ziehen, teilte sie mit. Konkret habe die EU-Kommission im vergangenen November die Schaffung einer "Europäischen Gesundheitsunion" angeregt und dazu auch drei Verordnungsvorschläge vorgelegt.

Im Falle schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren wolle die Europäische Union künftig eine stärkere koordinierende Rolle einnehmen. Die EU-Kommission spreche sich für einen EU-weiten Vorsorgeplan für Gesundheitsrisiken und Pandemien aus und wolle dem Europäischen Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und der Europäischen Arzneimittelagentur EMA mehr Gewicht verleihen.

Der Bericht informiert laut Gewessler auch über geplante Maßnahmen zur Stärkung der sozialen Säule der EU und zur Bekämpfung von Kinderarmut. Auch das Thema Altern soll auf EU-Ebene breit diskutiert werden. An Legislativvorschlägen wird unter anderem ein Richtlinienwurf zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Plattformbeschäftigte in Aussicht gestellt. Weitere Vorhaben wie die Stärkung von Verbraucherrechten betreffen den Konsumentenschutzbereich.

Was den Bereich Soziales betrifft, arbeite die EU-Kommission an einem Aktionsplan zur Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR). Dieser soll nicht nur einen Beitrag zur Erholung der wirtschaftlichen Lage in der EU leisten, sondern auch für mehr soziale Gerechtigkeit beim digitalen und ökologischen Wandel sorgen und das Vertrauen in das europäische Sozialmodell stärken. Die portugiesische Ratspräsidentschaft sei hier sehr engagiert, berichtete Gewessler.

Mit einer Empfehlung für eine "europäische Kindergarantie" wolle die EU-Kommission gegen Kinderarmut in der EU und soziale Ausgrenzung vorgehen. Alle Kinder sollten Zugang zu Basisdiensten wie Gesundheit, Bildung und angemessenes Wohnen haben. Das Papier werde zwar rechtlich unverbindlich sein, solle aber eine Basis für mehrjährige nationale Aktionspläne bis mindestens 2030 bilden. Außerdem sei geplant, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Pläne durch EU-Mittel zu unterstützen. Dem aktuellen EU-Ratsvorsitz Portugal sei darüber hinaus die Eingliederung wohnungsloser Menschen in die Gesellschaft ein wesentliches Anliegen, so Gewessler.

SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger kritisierte Fehler der EU in der Pandemie. Die Verknappung der Impfstoffe sei einer neoliberalen EU-Politik geschuldet, die sich in wichtigen strategischen Entscheidungen auf Marktmechanismen verlassen wolle. Die EU lerne offenbar zu wenig dazu, seine Fraktion werde dem Bericht daher nicht zustimmen.

Aus Sicht von Bundesministerin Gewessler hat die EU bereits erste Lehren aus der Pandemie gezogen. Hier zeichne sich ein deutliches Umdenken ab, was die Resilienz der Gesellschaft in Krisen betrifft, sagte sie. So gebe es Überlegungen, dazu, wie man wichtige Produktionen wieder nach Europa holen und Engpässen bei Arzneimitteln und Medizinprodukten begegnen könne. Die EU-Kommission denke auch an eine zentrale Entwicklung, Bevorratung und Beschaffung krisenrelevanter Produkte im Falle der Ausrufung eines EU-Notstands. Bei Bedarf solle es künftig möglich sein, eine EU-Gesundheits-Taskforce zu mobilisieren und zur Unterstützung der Mitgliedstaaten zu entsenden.

Stöger (SPÖ) kritisierte auch das Grünbuch der EU zum Thema Altern, dass heuer auf der europäischen Agenda stehen soll und meinte, dieses enthalte schlichtweg unakzeptable Ansätze. So wolle man offenbar dem Problem, dass die Bevölkerung immer älter werde, mit einer flexiblen Anpassung des Pensionsantrittsalters begegnen. Es sei richtig und wichtig, dass die EU sich mit ihrem "Grünbuch" des Themas des Alterns der Gesellschaft annehme und Erfahrungen austausche, meinte hingegen ÖVP-Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler. Dazu solle eine europäische Plattform entwickelt werden. Auch NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker sieht es als richtiges Signal, die Frage der nachhaltigen Finanzierbarkeit der Pensionssysteme aufzugreifen. Auch aus Sicht von Bundesministerin Leonore Gewessler geht es in erster Linie um einen Erfahrungsaustausch der EU.

Die neue EU-Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderung und ihre Umsetzung in Österreich sprachen Kira Grünberg (ÖVP) und Fiona Fiedler (NEOS) an. Bundesministerin Gewessler teilte mit, dass die EU-Strategie eine wichtige Grundlage für die Arbeiten an einem neuen Nationalen Aktionsplan Behinderung für Österreich bilde. Die Diskussionen darüber hätten bereits begonnen habe, sie hoffe, dass der Nationale Aktionsplan noch im Dezember dieses Jahres dem Ministerrat zur Beschlussfassung vorgelegt wird. (Fortsetzung Sozialausschuss) sox