Parlamentskorrespondenz Nr. 561 vom 11.05.2021

Klimaerwärmung könnte jährlich bis zu 8,8 Mrd. € kosten: Rechnungshofausschuss debattiert über österreichische Klimaschutzmaßnahmen

Gewessler: Rechnungshofbericht zeigt, dass Klimapolitik neu gedacht werden muss

Wien (PK) – Kein gutes Zeugnis stellt der Rechnungshof den österreichischen Klimaschutzmaßnahmen aus. Dies geht aus dem Bericht "Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020" des Kontrollorgans hervor, der heute im Rechnungshofausschuss des Nationalrats behandelt wurde. Konkret sei Österreich eines von sechs EU-Ländern, deren Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2017 stiegen. Nach derzeitigem Stand könnten die EU-Klimaziele für 2030 verfehlt werden, wodurch hohe Kompensationszahlungen drohen würden. Auch die Folgen des Klimawandels könnten bis zur Mitte des Jahrhunderts hohe Kosten verursachen. Für Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zeigt der Rechnungshofbericht einmal mehr, dass der Klimaschutz eine der zentralen Herausforderungen der Politik sei. Derzeit würden die Klimaziele der EU und Österreichs in das Klimaschutzgesetz eingearbeitet, der entsprechende Begutachtungsentwurf sei allerdings noch nicht fertig.

Ebenfalls zur Debatte stand im Ausschuss der Rechnungshofbericht über die Traunseetram. Hier prüfte das Kontrollorgan die gesamte Projektentwicklung und kritisiert unter anderem die lange Laufzeit bis zur Inbetriebnahme sowie die späte Kosten-Nutzen-Analyse des Projekts. Festgestellt wird zudem, dass die derzeitige Fahrgastauslastung zu gering sei. Die beiden Berichte wurden schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen.

Rechnungshof kritisiert Österreichs Pfad zur Erreichung der Klimaziele

Was die Erreichung der Klimaziele betrifft, stellt der Rechnungshof Österreich in seinem Bericht " Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020 " kein gutes Zeugnis aus, dessen Prüfzeitraum die Jahre 2015 bis 2019 umfasste. Aus dem Bericht geht hervor, dass sich die Treibhausgas-Emissionen hierzulande zwischen 1990 und 2017 um fünf Prozent erhöhten, während sie sich im EU-Schnitt um nahezu ein Viertel reduzierten. Damit sei Österreich einer von sechs EU-Staaten, die in diesem Zeitraum die Treibhausgas-Emissionen nicht reduzierten. Zudem überschritt Österreich 2017 erstmals die im Klimaschutzgesetz vorgesehene Emissions-Höchstmenge.

Dem Rechnungshof zufolge könnte Österreich aus heutiger Sicht auch die EU-Klimaziele für 2030 deutlich verfehlen. Infolge dessen sei mit Kompensationszahlungen für den Ankauf von Emissionszertifikaten von bis zu 9,2 Mrd. € zu rechnen. Hier empfiehlt der Rechnungshof, eine zeitgerechte Strategie für den Ankauf von Emissionszertifikaten zu entwickeln. Solche Strafzahlungen müssten allerdings vermieden werden, unterstrich Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker gegenüber den Abgeordneten. Darüber hinaus hätten die Folgen des Klimawandels auch volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die wetter- und klimabedingten Kosten der Klimaerwärmung würden in Österreich derzeit bei durchschnittlich einer Milliarde Euro pro Jahr liegen. Bis Mitte des Jahrhunderts könnten die gesellschaftlichen Schäden mit 4,2 Mrd. € bis 5,2 Mrd. € pro Jahr zu beziffern sein. Bei einer stärkeren Temperatursteigerung könnte sich dieser Betrag auf 8,8 Mrd. € erhöhen. Kraker betonte, dass im Klimaschutz strukturell wirksame Maßnahmen gesetzt werden müssten, deren Wirksamkeit laufend kontrolliert werden. Zum angekündigten Klimaschutzgesetz werde der Rechnungshof Stellung nehmen, kündigte dessen Präsidentin an.

Für Lukas Hammer (Grüne) zeigt der Rechnungshofbericht einmal mehr das Scheitern der Klimapolitik der vergangenen 30 Jahre auf. Er gab zu bedenken, dass die Berechnung der möglichen Kosten für Emissionszertifikate im Rechnungshofbericht noch auf Basis des vorangegangenen EU-Klimaziels durchgeführt worden seien, wonach die CO2-Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 36% reduziert werden müssten. Nun sei dieses Ziel auf 55% angehoben worden, wodurch die Kosten noch weiter steigen könnten. Dem schloss sich Andreas Kollross (SPÖ) an, der in dem Zusammenhang auch kritisierte, dass die österreichischen Klimaziele nach 2020 im Klimaschutzgesetz noch immer nicht festgelegt seien. Er urgierte auch, dass beim Setzen von Klimaschutzmaßnahmen soziale Aspekte mit einfließen müssten. So würde eine Verteuerung der Spritpreise auf Kosten der PendlerInnen gehen, weshalb diese parallel auch entlastet werden müssten. In eine ähnliche Richtung stieß auch Peter Schmiedlechner (FPÖ), der sich zwar für Klimaschutz aussprach, diesen aber mit Hausverstand umsetzen will. Als Beispiel nannte er die Erhöhung der NoVA, die vor allem eine steuerliche Mehrbelastung darstelle. Franz Hörl (ÖVP) sprach sich für eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung von Klimaschutzmaßnahmen aus. Trotz dieser Maßnahmen sei es wichtig, Aspekte wie Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen. Es sei wichtig, kluge Investitionen zu setzen, um keine Arbeitsplätze zu verlieren.

Der Rechnungshofbericht zeige deutlich, dass der Klimaschutz eine der zentralen Herausforderung der Politik sei, sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Die Empfehlungen und die Kritik des Berichts würden neben dem Klimavolksbegehren sowie dem daraus resultierenden Entschließungsantrag des Nationalrats an sie einen klaren Handlungsauftrag darstellen, Klimapolitik völlig neu zu denken. Auf internationaler Ebene sei zu erkennen, dass sich einige Staaten – wie die USA oder Dänemark – sehr ambitionierte Ziele gesetzt haben. Daher sei es wichtig, Klimaschutz auch wirtschaftlich zu betrachten: Wenn man über Wettbewerbsfähigkeit spricht, dann sei auch über Klimaschutz zu reden. Es sei wichtig, eine wirtschaftliche Umgebung zu schaffen, die klimafreundlich und aufkommensneutral ist. Ziel einer ökosozialen Steuerreform müsse es sein, klimafreundlich und sozial verträglich zu lenken. Was die österreichischen Klimaziele betrifft, würden derzeit das neue EU-Reduktionsziel bis 2030 sowie das Ziel Österreichs, bis 2040 klimaneutral zu sein, in das neue Klimaschutzgesetz eingearbeitet. Der entsprechende Begutachtungsentwurf sei noch nicht fertig und medial seien nur einzelne Aspekte daraus diskutiert worden, sagte Gewessler in Richtung von Felix Eypeltauer (NEOS). Für 2020 seien zwar noch keine finalen Zahlen für die Erreichung der Klimaziele verfügbar, eine Punktlandung sei der Ministerin zufolge aber wahrscheinlich. Dies sei allerdings kein Grund zur Freude, da die Werte vor allem aufgrund der Corona-Krise erreicht werden dürften. Eine Krise dürfe Klimapolitik nicht ersetzen, betonte Gewessler. Auf Fragen von Peter Schmiedlechner (FPÖ) und Lukas Hammer (Grüne), unterstrich die Ministerin, dass das Nationale Klimaschutzkomitee weiterentwickelt werden soll. Weiters soll ein wissenschaftlicher Beirat und ein Klimarat für BürgerInnen sowie ein Klimadialog eingerichtet werden.

Traunseetram: Fahrgastauslastung unter Erwartungen und zu gering

Die seit 2018 in Betrieb stehende Traunseetram zur Verbindung von Straßenbahn und Lokalbahn in Gmunden stand im Fokus eines weiteren Berichts des Rechnungshof. Zwar sei damit das öffentliche Verkehrsangebot in Gmunden um ein Drittel erhöht worden, jedoch sei das Fahrgastaufkommen als zu gering einzustufen und die Straßenbahn bei weitem nicht ausgelastet, stellt das Kontrollorgan fest. Konkret blieb mit rund 2.260 Fahrgäste pro Werktag die Auslastung gegenüber den Erwartungen von 2.730 Fahrgästen zurück. Aufgrund der geringen erwarteten Auslastung, seien auch Alternativen zu suchen gewesen, wird seitens des Rechnungshofs betont. Ferner wird festgestellt, dass die Kosten für die Traunseetram den Nutzen um das Dreifache übersteigen und kritisiert, dass den politischen Entscheidungsträgern zu keinem Zeitpunkt eine Gesamtdarstellung der zu erwarteten Kosten vorlag, in der alle wesentlichen Kostenkomponenten enthalten waren. Diese Kosten-Nutzen-Analyse sei Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker zufolge zu spät erfolgt. Den Berechnungen des Rechnungshofs zufolge ist für den Betrachtungszeitraum 2003 bis 2030 für die Realisierung und den Betrieb der Traunseetram ein Gesamtvolumen von rund 169,1 Mio. € zu erwarten.

Für Felix Eypeltauer (NEOS) zeigt der Bericht, wie ein solches Projekt nicht durchgeführt werden dürfe. Die Durchführung habe sehr lange gedauert und es seien keine Alternativen geprüft worden. Er forderte, dass der Bund die Plausibilität solcher Projekte zu prüfen habe, wenn Bundesmittel beigesteuert würden. Die lange Dauer von 15 Jahren bis zur Fertigstellung der Bahn kritisierte auch Christian Lausch (FPÖ). Er bemängelte, dass die Kosten bis 2030 ausufern würden und erkundigte sich deshalb, ob ein Umstieg auf Alternativen noch eine Möglichkeit darstelle. Angesichts der geringen Fahrgastauslastung seien die Gesamtkosten in andere Verkehrsprojekte treffsicherer einzusetzen gewesen, unterstrich Michael Seemayer (SPÖ). Zudem seien wichtige Stationen, wie etwa das Krankenhaus, nicht an die Strecke angebunden worden. Es sei sinnvoll, zwei Strecken zu verbinden, wenn diese nur 800 Meter voneinander entfernt liegen, betonte Laurenz Pöttinger (ÖVP). Dennoch sei die Fahrgasteinschätzung zu optimistisch gewesen.

Verkehrsministerin Leonore Gewessler unterstrich, dass durch die Verbindung eine Lücke zwischen zwei Stammstrecken geschlossen werden konnte. Einen nachträglichen Umstieg auf Alternativen schloss sie aus. Für die notwendigen Analysen seien vor allem die regionalen Gebietskörperschaften zuständig gewesen, dem Bund komme in der Mitfinanzierung eine plausibilisierende Funktion zu, sagte sie in Richtung von David Stögmüller (Grüne). Hierfür könne auch eine Kosten-Nutzen-Analyse ein gutes Hilfsmittel darstellen, wie sie von Seemayer vorgeschlagen wurde. Die Ministerin betonte aber auch, dass es sich dabei nur um ein Instrument in einer Reihe anderer handle. Vielmehr gehe es um die Frage, wie die Infrastrukturmaßnahme insgesamt im Verkehrssystem wirkt. Generell nehme sie bei der Planung von Projekten des Öffentlichen Verkehrs mittel- und langfristig ihren Einfluss auf das Gesamtnetz in den Fokus.

Ohne Debatte nahm der Rechnungshofausschuss die Berichte über das Forschungsförderungsprogramm "Competence Centers for Excellent Technologies" (COMET) sowie über die COMET-Zentren ACIB GmbH und die Linz Center of Mechatronics GmbH ebenso einstimmig zur Kenntnis, wie die Follow-Up-Überprüfungen zur Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb GmbH sowie zur Flächennutzung im Bereich der Neuen Donau, der Donauinsel und des Donaukanals. Zur Fristwahrung standen auf der Tagesordnung des Rechnungshofausschusses auch Berichte des Rechnungshofs zur Management von Forschungsinfrastruktur sowie zur Überbetriebliche Lehrausbildung mit Schwerpunkt Oberösterreich und Wien. Die beiden Berichte wurden vertagt. (Schluss Rechnungshofausschuss) see