Parlamentskorrespondenz Nr. 583 vom 18.05.2021

Justizausschuss: Breite Mehrheit für Gesetzespaket zur Europäischen Staatsanwaltschaft

Behörde soll mit 1. Juni operative Tätigkeit aufnehmen

Wien (PK) - Die Europäische Staatsanwaltschaft soll mit 1. Juni 2021 die operative Tätigkeit aufnehmen. Eine entsprechende Regierungsvorlage, die heute mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS im Justizausschuss beschlossen wurde, hat die Umsetzung der diesbezüglichen EU-Verordnung zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-VO) zum Ziel. Zu diesem Zweck soll – samt Änderungen des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes, des Finanzstrafgesetzes und des Strafgesetzbuchs - das Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG) erlassen werden.

Darüber hinaus sollen mit dem Paket laut Erläuterungen aufgrund eines Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Kommission gegen Österreich - und um einigen Kritikpunkten der Kommission zu begegnen - Änderungen bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten vorgenommen werden (808 d.B.).

Europäische Staatsanwaltschaft als unabhängige Behörde

Die Aufgabe der unabhängigen europäischen Behörde ist laut Vorlage die Verfolgung von Straftaten, die zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU sind – und zwar entsprechend einer weiteren EU-Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug. Letztere Richtlinie wurde (nach Inkrafttreten der EUStA-VO im November 2017) den Erläuterungen zufolge im Jahr 2019 in nationales Recht umgesetzt.

Die Behörde gliedert sich in eine zentrale Ebene in Luxemburg, unter anderem mit je einem Europäischen Staatsanwalt aus den 22 teilnehmenden Mitgliedstaaten und in eine dezentrale Ebene direkt in den teilnehmenden Mitgliedstaaten. Als innerstaatlich handelnde Organe müssen pro Mitgliedstaat mindestens zwei Delegierte Europäische Staatsanwälte eingerichtet werden, die auch Aufgaben als nationale Staatsanwälte wahrnehmen können. Der EUStA soll für ihren Bereich die Wahrnehmung ihrer Aufgaben für das gesamte Bundesgebiet obliegen.

Zustimmung zur Umsetzung kam von allen Fraktionen außer der FPÖ. So hoben Agnes Sirkka Prammer und Ulrike Fischer (beide Grüne) die EUStA als wichtige neue Behörde zur europäischen, grenzüberschreitenden Korruptionsbekämpfung hervor. Genau in dem Bereich der europaweit stattfindenden Straftaten sei es wichtig, die Verfolgung auf europäische Beine zu stellen. Dabei würden keine Kompetenzen abgegeben, sondern wirkungsvollere Möglichkeiten dazugewonnen. Mit der Etablierung der Behörde schreibe man nunmehr Geschichte, so Fischer.

Selma Yildirim und Harald Troch (beide SPÖ) unterstrichen die Bedeutung der unabhängigen EUStA, gerade wenn es um internationale, finanzielle Betrugsmechanismen geht. Immens wichtig sei dabei, dass die Kompetenzen für die europäische Ebene weiterentwickelt werden und damit die nötige Effizienz erzielt werden kann, so Yildirim.

Auch die NEOS unterstützen die Umsetzung, so Johannes Margreiter (NEOS). Man sehe gerade auch innerstaatlich, wie wichtig es sei, dass Staatsanwaltschaften unabhängig ermitteln. Auch im Hinblick auf die europäische Integration sei sehr zu begrüßen, dass es nun auch auf europäischer Ebene eine solche Behörde geben wird, etwa um Mehrwertsteuerbetrug oder Förderungsbetrug im großen Stil zu begegnen.

Grundsätzlich habe man sich bereits 2017 für die Umsetzung entschieden, die nunmehrigen Maßnahmen betreffen entsprechende Begleitregelungen, erläuterte Ausschussvorsitzende Michaela Steinacker (ÖVP). Die Behörde sei gut aufgestellt. Was die Schnittstellen zu den Delegierten Europäischen Staatsanwälten oder Zuständigkeitskonflikte anbelangt, habe man gute Lösungen gefunden. Im Zusammenspiel der Behörden werde interessantes Neuland betreten.

Demgegenüber stellte Harald Stefan (FPÖ) in Frage, wozu eine solche Institution überhaupt nötig sei und ob im Sinn des Subsidiaritätsprinzips die Aufgaben tatsächlich besser auf europäischer Ebene zu lösen seien als innerstaatlich. Außerdem äußerte er Bedenken, dass man sich einer Staatsanwaltschaft "unterwerfe", auf die man keinerlei Einfluss habe. Er erachtete das als "höchst problematisch" und als "massive Untergrabung der Souveränität" bzw. einen "schweren Bruch in der Systematik der österreichischen Justiz".

Zadić: Fristgerechter Einstieg in EUStA mit 1. Juni

Mit einer heutigen Beschlussfassung schaffe man den fristgerechten Einstieg in die Europäische Staatsanwaltschaft, die mit 1. Juni ihre Arbeit aufnimmt, sagte Justizministerin Alma Zadić. Was die Bestellung der österreichischen StaatsanwältInnen beider Ebenen betrifft, habe sie die Vorgehensweise in einem Schreiben an den Ausschuss erörtert. Als Delegierte StaatsanwältInnen seien zwei OberstaatsanwältInnen ernannt worden, die entsprechenden Stellen bei der WKStA würden ersetzt.

Was die fünf an der EUStA nicht teilnehmenden Staaten betrifft, nach denen sich Nurten Yılmaz (SPÖ) erkundigte, gebe es für Dänemark und Irland ein Opt-in, Schweden werde der Ministerin zufolge beitreten. Mit Polen und Ungarn werde es Abkommen geben.

Gegenüber Harald Stefan (FPÖ) sagte die Ministerin, die Zuständigkeit der Behörde mache für Angelegenheiten auf europäischer Ebene jedenfalls Sinn, zumal sie sich nur auf schwere Verbrechen gegen die EU selbst beziehe. Darüber hinaus gebe es eine Berichterstattungspflicht der EUStA an das Parlament. Was die Rechtschutzbeauftragten betrifft, sei sie froh, dass diese analog zum innerstaatlichen Recht auch für die europäische Ebene wieder aufgenommen wurden, mit zwei Aspekten, die gegenüber den innerstaatlichen eingeschränkt seien. Was die Zuständigkeit auch für Mehrwertsteuerangelegenheiten betrifft, erläuterte ein Experte des Ministeriums, die Schwelle dafür sei in der Richtlinie hoch. Es würden aber mittlerweile auch Mehrwertsteuerangelegenheiten existieren, die EU-relevant seien. (Schluss) mbu