Parlamentskorrespondenz Nr. 665 vom 02.06.2021

Neu im Gleichbehandlungsausschuss

Anträge von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS zu LGBTIQ-Themen

Wien (PK) – Die Regierungsfraktionen setzen sich mit einem Entschließungsantrag für den Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen ein. Die SPÖ fordert ebenfalls eine Untersagung von nicht-notwendigen medizinischen Eingriffen bei intergeschlechtlichen Kindern sowie einen freien Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen und eine bundesweite Einrichtung von Anlaufstellen für LGBTIQ-Jugendliche. Ähnliche Forderungen stellen die NEOS, die für Hotlines und Beratungsstellen für LGBTIQ-Jugendliche sowie queere Jugendzentren eintreten. Außerdem wollen sie eine Kampagne gegen Homophobie sowie LGBTIQ-inklusive Lern- und Lehrmaterialien im Schulunterricht umgesetzt sehen. Mit einem weiteren Entschließungsantrag drängen sie zudem erneut auf ein Ende der sogenannten Konversionstherapien.

Koalitionsantrag für Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor nicht-notwendigen medizinischen Eingriffen

ÖVP und Grüne setzen sich in einem gemeinsamen Entschließungsantrag (1594/A(E)) für den Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen ein. Anfang 2020 habe der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes Österreich aufgefordert, nicht-notwendige und nicht-konsensuelle Eingriffe an den Geschlechtsmerkmalen bei Kindern zu verbieten. Im Jänner 2021 habe Österreich die Empfehlung zum Beenden solcher Behandlungen im Rahmen der Staatenprüfung durch die Vereinten Nationen angenommen. In der medizinischen Praxis würden Entscheidungen über entsprechende Eingriffe im Kindesalter zurückhaltend getroffen. Dennoch brauche es weitere Maßnahmen zum Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und um gesetzliche Lücken zu schließen, so die AntragstellerInnen. Sie fordern den Gesundheitsminister, die Justizministerin und die Frauenministerin daher dazu auf, Maßnahmen zum Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor nicht-notwendigen medizinischen Eingriffen zu setzen. Neben Aufklärungs- und Beratungsstrukturen gelte es, gesetzliche Lücken zu schließen. Der Gesundheitsminister wird außerdem aufgefordert, dem Parlament Zahlen über betroffene Kinder und Jugendliche vorzulegen.

SPÖ fordert Untersagung von Intersex-Genitalverstümmelung…

Auch die SPÖ macht mit einem Entschließungsantrag (1643/A(E)) nicht-notwendige medizinische Eingriffe bei intergeschlechtlichen Kindern zum Thema. Sie führt an, dass bereits 2019 die Mitgliedsstaaten vom Europäischen Parlament aufgefordert worden seien, Rechtsvorschriften zu erlassen, die die Behandlung und Operation von intergeschlechtlichen Kindern ohne deren Zustimmung untersagen. Aus Sicht der SozialdemokratInnen handle es sich um eine Menschenrechtsverletzung, die gestoppt werden müsse. Sie wollen die Frauenministerin daher zu Schritten auffordern, um Intersex-Genitalverstümmelung und nicht-notwendige, nicht-konsensuelle Behandlungen und Operationen zu untersagen. Außerdem fordern sie eindeutige gesetzliche Bestimmungen für den Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Daten zu entsprechenden Behandlungen.

… freien Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen…

Trotz des Entscheids des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2018, der es ermögliche, die Geschlechtseinträge "inter", "offen" und "divers" eintragen zu lassen sowie auf einen Geschlechtseintrag zu verzichten, sei die von Betroffenen eingeforderte Selbstbestimmung im Personenstandsrecht noch lange nicht verwirklicht, kritisieren die SPÖ-MandatarInnen Mario Lindner und Gabriele Heinisch-Hosek (1513/A(E)). Mit der aktuellen Umsetzung werde der Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen "noch immer pathologisiert", intergeschlechtliche Menschen würden weiterhin auf ihre körperlichen Geschlechtsmerkmale reduziert. Der Verfassungsgerichtshof habe durch die Einbeziehung der Fragestellung von Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechtsmerkmalen eine breiter gefasste Begründung gewählt und der Republik damit die Möglichkeit eröffnet, sich an Selbstbestimmung und geschlechtlicher Identität der Ansuchenden zu orientieren. Die AntragstellerInnen fordern daher eine neue Vollzugsanleitung für den Zugang zu alternativen Geschlechtseinträgen auf Basis der Grundprinzipien von Selbstbestimmung, Entpathologisierung und der Anerkennung der individuellen Geschlechtsidentität. Ein gleichlautender Antrag wurde dem Innenausschuss zugewiesen (1514/A(E)).

… und flächendeckende Versorgung für LGBTIQ-Jugendliche

Die SozialdemokratInnen machen in einem weiteren Entschließungsantrag (1693/A(E)) auf die schwierige Situation von jungen LGBTIQ-Personen aufmerksam, die von den Auswirkungen der Corona-Krise besonders hart getroffen wurden. Seit Jahren würden internationale Studien zeigen, dass diese Gruppe von Jugendlichen deutlich häufiger unter psychosozialen Belastungen, psychischen Erkrankungen und sogar einem deutlich höheren Suizid-Risiko leide als der Durchschnitt ihrer AltersgenossInnen. Wichtige Unterstützungsarbeit für diese Gruppe werde vor allem von NGOs geleistet, denen oft sehr wenig Mittel zur Verfügung stehen. Es sei daher höchst an der Zeit, umgehend einen eigenständigen, zweckgewidmeten Fördertopf zu schaffen, um mindestens eine hauptamtliche Einrichtung für LGBTIQ-Jugendarbeit im Rahmen von Beratungsstellen in jedem Bundesland sicherzustellen, lautet die Forderung der SPÖ. Diese Einrichtungen sollen innerhalb eines Jahres, nach Möglichkeit unter finanzieller Mitwirkung der Länder, flächendeckend als zentrale Anlaufstellen für LGBTIQ-Jugendliche und deren Familien, für andere AnbieterInnen von offener Jugendarbeit sowie LehrerInnen dienen. Ein gleichlautender Antrag wurde dem Familienausschuss zugewiesen (1692/A(E)).

NEOS für Hotlines und Beratungsstellen für LGBTIQ-Jugendliche…

Eine ähnliche Forderung kommt von den NEOS. Die Corona-Pandemie habe die Situation für LGBTIQ-Jugendliche verschlechtert. In einem Klima der Isolation würden sich vor allem Jugendliche im Stich gelassen fühlen, die gerade ihre Sexualität und Geschlechtsidentität entdecken. Ihnen würden oft der Rückhalt in der Familie, der Austausch mit Peer Groups und Beratungsangebote fehlen. Mit einem Entschließungsantrag (1597/A(E)) fordern die NEOS daher die Frauenministerin auf, im Sinne der bestmöglichen Beratung und Unterstützung von LGBTIQ-Jugendlichen flächendeckende Hotlines und niederschwellige Beratungsstellen für diese Jugendlichen einzurichten.

… Einrichtung queerer Jugendzentren in Österreich…

Mit einem weiteren Entschließungsantrag (1598/A(E)) setzen sich die NEOS für queere Jugendzentren in Österreich ein. Die Phase der Autonomie- und Identitätsentwicklung sei für LGBTIQ-Jugendliche oft von Unsicherheiten und Ängsten geprägt, vielfach werden queere Jugendliche oder junge Erwachsene diskriminiert. In dieser Zeit brauche es die Unterstützung durch FreundInnen, Familie und Freizeit- und Beratungsangebote. LGBTIQ-Jugendliche müssen niederschwellig und in der Nähe den Austausch mit anderen pflegen können und qualifizierte AnsprechpartnerInnen vorfinden, sind die AntragstellerInnen überzeugt. Das erste queere Jugendzentrum in Wien sei zu begrüßen, dürfe aber keine Einzelmaßnahme bleiben. Die NEOS wollen die Frauenministerin daher auffordern, bundesweit die Einrichtung von unabhängigen Jugendzentren für Menschen zwischen 14 und 21 Jahren, die sich als queer oder LGBTIQ identifizieren, sicherzustellen und zu finanzieren. Sie sollen ein geschützter Raum und eine qualifizierte Anlaufstelle mit Fachpersonal sein.

… Kampagne und Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Homophobie…

Die NEOS zeigen auf, dass es in Europa noch immer ein hohes Maß an Diskriminierung von LGBTIQ-Personen gibt. Die Situation habe sich während der Corona-Krise verschlechtert, die Aggression gegen Angehörige der Community steige, führen die AntragstellerInnen an. Um diesen Entwicklungen entgegenzutreten, brauche es ein umfassendes Bündel an Maßnahmen für Aufklärung und Sensibilisierung über LGBTIQ-Themen und –Rechte, beginnend im Kindergarten. Mit einem Entschließungsantrag (1599/A(E)) soll die Frauenministerin daher aufgefordert werden, durch eine interministerielle Kampagne und Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Homophobie öffentlich Stellung zu beziehen.

… ein Ende der Konversionstherapien…

Erneut drängen die NEOS auf die Umsetzung einer 2019 im Nationalrat einstimmig gefassten Entschließung, die von der damaligen Regierung eine Regierungsvorlage gefordert hatte, mit der sogenannte Konversions- oder vergleichbare "reparative Therapieformen" an Minderjährigen verboten werden. Während in Deutschland im Mai vergangenen Jahres ein entsprechendes Verbot beschlossen wurde, sei die Entschließung in Österreich noch immer nicht umgesetzt, kritisieren die AntragstellerInnen. Es gebe noch immer Organisationen, die die Ansicht vertreten, nicht-heterosexuelle Orientierungen und Transsexualität seien Krankheiten, die behandelt werden müssten. Sie bieten "Therapien" an, die die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität von Personen verändern sollen. Bei den Betroffenen führen diese Behandlungen zu schweren körperlichen und psychischen Schäden. Daher gelte es, die 2019 gefasste Entschließung umzusetzen, betonen die AntragstellerInnen (1600/A(E)). Sie wollen die Frauenministerin und den Gesundheitsminister auffordern, unter Einbindung der wissenschaftlichen Fachvereinigungen eine Regierungsvorlage auszuarbeiten, mit der Konversionstherapien an Minderjährigen verboten werden.

… und LGBTIQ-inklusive Lern- und Lehrmaterialien

Um der Diskriminierung von LGBTIQ-Personen entgegenzuwirken und das Thema zu enttabuisieren, treten die NEOS mit einem weiteren Entschließungsantrag (1694/A(E)) dafür ein, bereits im Schulunterricht offen an LGBTIQ-Themen heranzugehen, für Aufklärung zu sorgen und gegen Gewalt und Diskriminierung einzutreten. Sie wollen den Bildungsminister daher auffordern, ein Konzept für die Verankerung von LGBTIQ-bezogenen Themen, sachlicher Aufklärung und die Verwendung von LGBTIQ-inklusiven Lern- und Lehrmaterialien im Schulunterricht zu erarbeiten. In den Schulen sollen außerdem niederschwellige Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche bei Fragen, Problemen und Diskriminierungserfahrungen eingerichtet werden. (Schluss) kar