Parlamentskorrespondenz Nr. 1036 vom 29.09.2021

Menschenrechtsausschuss mit breiter Mehrheit für Hilfe in Afghanistan

Abgeordnete fordern Evakuierung aus Afghanistan und klare Bedingungen für Umgang mit Taliban

Wien (PK) – Der Menschenrechtsausschuss hat sich heute mit großer Mehrheit für verstärkte Hilfe in Afghanistan und klare Bedingungen für den Umgang mit den Taliban ausgesprochen. Auf Initiative der Regierungsfraktionen fordern die Abgeordneten den Außenminister auf, sich weiterhin für die Evakuierung der verbliebenen ÖsterreicherInnen bzw. afghanischer Staatsangehöriger mit gültigem Aufenthaltstitel in Österreich einzusetzen.

Zahlreiche Anträge der Opposition wurden vertagt. So setzt sich die SPÖ neben Hilfe für Afghanistan auch für eine Verbesserung für die österreichischen Volksgruppen und einen Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte ein. Die NEOS plädieren für eine Unterstützung einer Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Rechten von LGBTIQ-Personen. Die FPÖ brachte erneut Parallelgesellschaften, "Jungfräulichkeitszertifikate" und Kinderehen aufs Tapet.

Afghanistan: Ausschuss für Evakuierung der ÖsterreicherInnen und afghanischen Staatsangehörigen mit österreichischem Aufenthaltstitel

Die humanitäre Lage in Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban war ein großes Thema im Ausschuss. Die Abgeordneten sprachen sich mit breiter Mehrheit ohne die Stimmen der FPÖ für verstärkte Hilfe vor Ort aus. Sie fordern in einer Entschließung auf Initiative von ÖVP und Grünen (1928/A(E)) von Außenminister Alexander Schallenberg, gemeinsam mit den internationalen Partnern eine möglichst effiziente und bedarfsorientierte Verwendung der österreichischen Hilfsmittel sicherzustellen und sich weiterhin für die Evakuierung der verbliebenen ÖsterreicherInnen bzw. afghanischer Staatsangehöriger mit gültigem Aufenthaltstitel in Österreich einzusetzen.

Zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte ist laut ÖVP und Grünen eine beschränkte Zusammenarbeit mit den Taliban auf technischer Ebene notwendig. Die Europäische Union habe sich auf klare Mindestvoraussetzungen, wie den Schutz der Grund- und Freiheitsrechte und die Bildung einer inklusiven Regierung geeinigt, bevor die Taliban als legitime Führung akzeptiert werden könnten. Dementsprechend fordern die Abgeordneten mit dem Entschließungsantrag auch eine konsequente Anwendung dieser Bedingungen im Umgang mit den Taliban.

Die SPÖ hatte ebenfalls einen Entschließungsantrag zur Situation in Afghanistan eingebracht (1851/A(E)). Die SozialdemokratInnen legen darin den Fokus auf Frauen und vulnerable Gruppen. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Die Lage in Afghanistan sei nach wie vor verheerend, betonte Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne). Es sei deshalb wichtig, die Regierung aufzufordern, sich für die Evakuierung und die Hilfe vor Ort einzusetzen. Sie sprach sich auch dafür aus, die koordinierte europäische Vorgangsweise im Umgang mit den Taliban zu unterstützen. Mit Blick auf den Antrag der SPÖ gestand sie ein, dass die vulnerablen Gruppen im ÖVP-Grünen-Antrag nicht enthalten seien, da hier keine Einigung mit dem Koalitionspartner zu erzielen war. Ernst-Dziedzic bedankte sich ebenso wie Gudrun Kugler (ÖVP) bei den SozialdemokratInnen für die Initiative, stellte jedoch einen Antrag auf Vertagung des SPÖ-Antrags. Für Kugler greife dieser zu kurz, da die Evakuierung von afghanischen StaatsbürgerInnen mit Aufenthaltstitel in Österreich nicht enthalten sei. Zudem seien einige der Punkte bereits obsolet.

Von der SPÖ bezeichnete es Harald Troch als beschämend, dass die Regierungsfraktionen mit der Vertagung dafür sorgen, dass der SPÖ-Antrag nicht ins Plenum komme. Das gleiche für ihn einer Zensur. Die Vertagung sei zudem deshalb skandalös, weil es sich um ein brennendes Thema handle. Auch Eva Maria Holzleitner (SPÖ) wies auf die dramatische Situation von Frauen in Afghanistan hin. Man könne nicht zuschauen, wie Frauen in Gefahr gebracht und zurückgedrängt werden, sagte sie.

Nikolaus Scherak (NEOS) äußerte Zustimmung zu beiden Anträgen. Für ihn sei jedoch aufgrund des ÖVP-Grünen-Antrags und aufgrund von Äußerungen von Regierungsmitgliedern nicht verständlich, wie man mit Menschen in Afghanistan umgehen will, auf die der Westen jahrzehntelang beim Aufbau der Demokratie gezählt hat. Er hätte sich hier von der EU und von Österreich eine klarere Position erwartet, so Scherak.

Gänzlich anders sah das Hannes Amesbauer (FPÖ). Er konnte beide Anträge nicht nachvollziehen. Aus seiner Sicht haben Personen, die "mutwillig nach Afghanistan zurückreisen" ihr Asylrecht in Österreich verwirkt. Man solle das "großzügige Angebot der Taliban" prüfen, straffällige afghanische StaatsbürgerInnen zurückzunehmen, so Amesbauer.

Weitere SPÖ-Anträge vertagt

Die SPÖ ortet Bedarf für Maßnahmen zur Sicherung von Sprache, Kultur, Bestand und Erhaltung der Volksgruppen. Mit einem Entschließungsantrag (1849/A(E)) will sie daher die Bundesregierung auffordern, ein dementsprechendes Maßnahmenpaket vorzulegen. Dieses soll unter anderem eine stärkere Sichtbarmachung der Volksgruppen im ORF sowie die Ausarbeitung eines modernen Volksgruppengesetzes beinhalten. Zudem soll den Volksgruppensprachen im virtuellen Raum eine besondere Rolle zugemessen, die zweisprachige Gerichtsbarkeit verbessert sowie rassistische und insbesondere antiziganistische Umtriebe mit aller Konsequenz bekämpft werden.

Für Harald Troch (SPÖ) reicht eine bloße Erhöhung der Fördermittel nicht aus. Es brauche eine Reform des Volksgruppenbeirats und Maßnahmen im Medienbereich. Christian Drobits (SPÖ) drängte auf eine Änderung des Volksgruppengesetzes. Olga Voglauer (Grüne) bezeichnete den Antrag als vorbildlich. Leider habe man sich mit dem Koalitionspartner nicht auf eine Annahme einigen können, bedauerte sie. Johann Weber (ÖVP) betonte, es werde in allen Ressorts daran gearbeitet, die im Regierungsprogramm festgelegten Verbesserungen für die Volksgruppen umzusetzen. Sein Antrag auf Vertagung wurde schließlich mehrheitlich angenommen.

Auch eine SPÖ-Initiative, mit der die Fraktion mehr Tempo bei der Erstellung des Nationalen Aktionsplans für Menschenrechte einfordert (1850/A(E)), wurde im Ausschuss vertagt. Die SozialdemokratInnen bemängeln, dass die Regierung einen solchen Aktionsplan trotz mehrerer Initiativen von Opposition und Zivilgesellschaft noch nicht ausgearbeitet hat. Auch die internationale Staatengemeinschaft habe im Rahmen einer Sitzung des Menschenrechtsrates die Säumigkeit Österreichs festgestellt. Zudem habe sich die Lage für Medienschaffende in den letzten Jahren verschlechtert, kritisieren die AntragstellerInnen. Sie wollen die Bundesregierung daher auffordern, "schnellstmöglich" einen Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte auszuarbeiten und dabei Zivilgesellschaft und Parlament einzubinden.

Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) argumentierte, man wolle kein Dach bauen, bevor man weiß, wie das Haus aussehe. Es werde daher derzeit an vielen kleinen Nationalen Aktionsplänen zu Themen wie Behinderung, Menschenhandel oder Integration gearbeitet. Danach wolle man den Nationalen Aktionsplan Menschenrechte ausarbeiten. Eva Maria Holzleitner (SPÖ) wies wiederum auf die Dringlichkeit des Themas hin.

NEOS für Umsetzung einer EP-Entschließung über Rechte von LGBTIQ-Personen

Ein Antrag der NEOS bezüglich der Rechte von LGBTIQ-Personen wurde ebenfalls vertagt (1888/A(E)). Sie wollen die Bundesregierung auffordern, sich für die Umsetzung einer Entschließung des Europäischen Parlaments einzusetzen, in der eine EU-weite Vereinheitlichung der gesetzlichen Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Ehen beschlossen wurde. Darin inbegriffen sind beispielsweise das Recht auf Familiennachzug auch für gleichgeschlechtliche PartnerInnen, die Gleichstellung von "Regenbogenfamilien" mit Familien mit heterosexuellen Eltern sowie die erleichterte Anerkennung des Geschlechts von Transgender-Eltern. Außerdem fordern die AntragstellerInnen Konsequenzen für jene Mitgliedsstaaten, welche dem EU-Beschluss nicht Folge leisten.

Es sei wichtig, dass die EU hier klar Haltung beziehe, sagte Yannick Shetty (NEOS). Es bezeichnete es als "starkes Zeichen", wenn der österreichische Nationalrat die EP-Entschließung unterstützen würde.

Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) begrüßte die Resolution des Europäischen Parlaments, genauso wie die europäische Strategie zur Gleichstellung von LGBTIQ-Personen. Diese gelte es nun, in eine nationale Strategie umzumünzen. An der Umsetzung der offenen Punkte werde derzeit gearbeitet, sagte sie. Martin Engelberg (ÖVP) bezeichnete den Schutz der Rechte von LGBTIQ-Personen als dringend erforderlich. Er berief sich auf eine Entschließung des Nationalrats aus dem Jahr 2020, deren Umsetzung man abwarten sollte. Daher stellte er einen Vertagungsantrag, der mit den Stimmen von ÖVP und Grünen angenommen wurde.

Für Harald Troch (SPÖ) war die Vertagung unverständlich. Im Kampf gegen Diskriminierung sei es nicht genug, einmal einen Antrag zu beschließen, man müsste laufend an Verbesserungen arbeiten. Ablehnend äußerte sich Edith Mühlberghuber (FPÖ). Der Antrag missachte die moralischen Empfindungen in einzelnen Mitgliedsstaaten und sei ein weiterer Angriff gegen Ungarn und Polen. Man solle sich nicht in die Politik von anderen Ländern einmischen, meinte sie.

Initiativen der Freiheitlichen abermals vertagt

Erneut vertagt wurden drei Entschließungsanträge der Freiheitlichen. Sie wollen die türkis-grüne Koalition etwa auffordern, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um jeglicher islamistischer Radikalisierung vorzubeugen und die Bildung von Parallelgesellschaften zu verhindern (206/A(E)). Um Kinderehen wirksam bekämpfen zu können, fordert die FPÖ darüber hinaus eine detaillierte Statistik über in Österreich bestehende Ehen von Minderjährigen ein (1460/A(E)). Außerdem will die Fraktion Außenminister Schallenberg auffordern, sowohl auf europäischer als auch auf bi- und multilateraler Ebene gegen die "islamistische Praxis der Jungfräulichkeitszertifikate" aktiv zu werden (1064/A(E)). (Fortsetzung Menschenrechtsausschuss) kar