Parlamentskorrespondenz Nr. 1286 vom 17.11.2021

Nationalrat: Sozialbudget 2022 soll Pensionen sichern und Pflegereform vorbereiten

Deutlicher Anstieg bei Pensionsausgaben bis 2025 prognostiziert

Wien (PK) – Mit den künftigen Ausgaben im Sozialbereich setzte heute der Nationalrat seine Beratungen über das von der Regierung für 2022 vorgeschlagene Budget fort. Die Abstimmung über diesen Bundesvoranschlag für nächstes Jahr ist zwar erst morgen geplant, besonders die Debatte über die Pensionen zeigte aber schon heute die Positionierung der Fraktionen. Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne beschrieben das Pensionssystem mit dem geplanten Budget als gesichert, wobei der kleinere Koalitionspartner anmerkte, Pensionen bedeuteten nicht nur Kosten für den Staat, sondern brächten auch Kaufkraft und damit Beschäftigung. Die Volkspartei räumte ein, aufgrund der alternden Gesellschaft würden Anpassungen im Pensionssystem langfristig nötig sein.

Aus Sicht der SPÖ ist die Sicherung der Pensionen ein zentraler Pfeiler in einem Wohlfahrtsstaat, den SozialdemokratInnen geht die geplante Erhöhung jedoch nicht weit genug. Auch die FPÖ vermisst angesichts der Teuerungsrate eine angemessene Erhöhung. Die NEOS sehen ihr großes Anliegen, die Pensionsreform, mit dem vorgelegten Budget in weite Ferne gerückt.

Über zwei von der SPÖ im Zuge der Debatte eingebrachte Entschließungsanträge für einen Teuerungsausgleich und eine Pflegeoffensive wird morgen im Rahmen der Schlussabstimmungen über das Bundesfinanzgesetz 2022 und den Bundesfinanzrahmen 2022-2025 abgestimmt. Auch zwei Initiativen der FPÖ für einen 1.000-Euro-Gutschein und ein Pflegemodell nach Kärntner Vorbild werden dann zur Abstimmung kommen.

Sozialminister Wolfgang Mückstein betonte in seiner Replik auf die Vorwürfe der Opposition, mit dem angepeilten Budget würden niedrige Pensionen nächstes Jahr über dem Inflationswert um 3% erhöht. Damit halte die Regierung an ihrem Kurs zur Stärkung kleinerer Einkommen fest.

Mückstein: Budget bildet Grundlage für soziale Verbesserungen

Die Mittel für den Bereich Soziales sollen nächstes Jahr um 1,1% auf 4,2 Mrd. € leicht ansteigen. Dem stehen Einnahmen in der Höhe von 644,6 Mio. € gegenüber, was einem Anstieg von 3% entspricht.

Verbesserungen in vielen Bereichen seines Ressorts ermögliche der Entwurf zum Budget 2022, erklärte Sozialminister Wolfgang Mückstein im Plenum, nicht nur bei den Mindestpensionen. So würden maßgebliche Schritte zum Ausbau des Pflegebereichs gesetzt, nannte er unter anderem die bezahlten Pflegepraktika der künftig mit 50 Mio. € jährlich finanzierten Pflegeausbildung und die Finanzierung von 150 Community Nurses, für die auch EU-Mittel aufgewendet würden. Weiters beabsichtige das Sozialministerium gemeinsam mit den Bundesländern, den Hospizausbau voranzutreiben.

Einen Schwerpunkt in der Budgetplanung seines Hauses bildet laut Minister Mückstein zudem die vermehrte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben. Für Arbeitsassistenz und Beratung seien hier mit 315 Mio. € um 10% mehr Mittel eingepreist. Als weitere Finanzierungsziele des Sozialministeriums umriss er die Prävention männerspezifischer Gewalt durch Maßnahmen wie der Männerberatung, die Sicherung der Konsumentenpolitik und der VerbraucherInnenbildung.

Zur Abmilderung von sozialen Problemen aufgrund der COVID-19-Krise sehe das Sozialbudget ebenfalls eine Reihe von Mittelerhöhungen vor, so Mückstein, etwa 13 Mio. € zusätzlich für die psychosoziale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Geplant seien zudem Maßnahmen zur Wohnungssicherung, um Tausende von der Delogierung bedrohte MieterInnen vor der Obdachlosigkeit zu bewahren.

Bundeszuschuss zu Pensionen sinkt 2022 wegen guter wirtschaftlicher Lage

Für Beiträge des Bundes zur Pensionsversicherung sind im Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 Auszahlungen in der Höhe von rund 12,47 Mrd. vorgesehen. Im Vergleich zum Vorjahr sinkt das Budget leicht um rund 232,8 Mio. € bzw. 1,8%. Die Einzahlungen, die den Nachtschwerarbeitsbeitrag betreffen, steigen auf 59,9 Mio. € an. Dass der Bund nächstes Jahr weniger Beiträge zur Pensionsversicherung leisten muss, hängt damit zusammen, dass sich die wirtschaftliche Lage nach der Corona-Krise erholt hat und damit die Pensionsversicherungsträger mehr Beiträge von den Versicherten einnehmen. Mittelfristig werden die Ausgaben aber steigen, wie der Bundesfinanzrahmen bis 2025 zeigt. Die Auszahlungsobergrenze soll bis 2025 auf 15,15 Mrd. € deutlich ansteigen, geht aus dem vorgeschlagenen Bundesfinanzrahmengesetz hervor.

"Die Pensionen sind sicher" stellte Alois Stöger (SPÖ) fest, das sei seit 1956 ein wesentlicher Bestandteil zur Gewährleistung gesellschaftlicher Stabilität. Das Pensionssystem müsse auch weiterhin soweit gesichert werden, dass Menschen nach 45 Versicherungsjahren abschlagsfrei in Pension gehen könnten. Zwar befürwortete Stöger die beabsichtigte Inflationsanpassung der Pensionen, er zeigte sich aber enttäuscht, dass die Steigerung, vor allem der Mindestpensionen, nicht noch höher ausfalle. Kritische Meldungen, das aktuelle Pensionssystem belaste den Staat über Gebühr, ließ der ehemalige Sozialminister nicht gelten. Immerhin würden ArbeiterInnen und Angestellte anders als Selbstständige und BäuerInnen durch ihre Beiträge selbst für ihre Pensionen sorgen.

Auch Dagmar Belakowitsch (FPÖ) vermisst bei den Pensionen vor dem Hintergrund der steigenden Teuerung von Lebenserhaltungskosten eine angemessene Erhöhung von mindestens 3%. Sie unterstrich, anders als ÖVP und Grüne, die die Bevölkerung wegen COVID-19 in Lockdowns schickten und damit der Wirtschaft schadeten, wollten die Freiheitlichen die Bevölkerung und deren Kaufkraft stärken. Belakowitsch brachte deswegen einen Entschließungsantrag auf Ausgabe von 1000-Euro-Gutscheinen ein, die bei in Österreich steuerzahlenden Unternehmen einzulösen wären.

Die langfristige Absicherung des heimischen Pensionssystems stellte wiederum Gerald Loacker (NEOS) in Hinblick auf das vorhandene Budget in Abrede. Bis 2026 würden die staatlichen Zuschüsse zu Sozialversicherungspensionen seit 2019 mit 5,2 Mrd. € um die Hälfte auf mehr als 16 Mrd. € angewachsen sein, rechnete er vor. Diese Mittel fehlten in anderen Bereichen, beispielsweise Gewaltschutz, Entwicklungszusammenarbeit, Wirtschaftsförderung oder ökologischen Maßnahmen, die dringend zu finanzieren seien. Das faktische Pensionsalter sei keineswegs erhöht worden, hielt der NEOS-Abgeordnete der Regierung vor, das gleichgebliebene Pensionsantrittsalter auf Kosten junger Generationen mit dem Rehabilitationsgeld zu verschleiern. Auch die von Abgeordnetem Stöger angesprochene Selbstfinanzierung der Pensionen von ArbeiterInnen und Angestellten entspreche nicht der Faktenlage. Aufgrund der glücklicherweise steigenden Lebenserwartung und der besseren Gesundheit älterer Menschen steht in Loackers Augen einem Arbeitsleben bis über Mitte 60 Jahre hinaus nichts im Wege.

Das Pensionssystem stehe keinesfalls vor dem Kollaps, betonte Markus Koza (Grüne). Er warnte zudem davor, Pensionen als reinen Kostenfaktor zu betrachten. Pensionen seien Einkommen von älteren Menschen und hätten als solche eine wesentliche Bedeutung, wenn es darum gehe, Nachfrage zu stabilisieren, gegen Armut abzusichern und wirtschaftliche Abschwünge abzufedern. Mit Blick auf das Pensionsbudget 2022 hob er den Frühstarterbonus hervor, der ab 1. Jänner eingeführt werde. Außerdem schaffe man mit der erneuten Anhebung der Ausgleichszulage einen wichtigen Beitrag gegen Altersarmut. Koza zeigte sich überzeugt, dass das Pensionssystem letztlich nur finanziert werden könne, wenn ausreichend Menschen in Beschäftigung seien. Arbeitslosigkeit zu bekämpfen sei daher eine zentrale Aufgabe des Staates.

Michael Hammer (ÖVP) meinte ähnlich wie SPÖ-Abgeordneter Stöger, die Absicherung des Pensionssystems müsse "oberstes Ziel" sein, nächstes Jahr würden nicht zuletzt die erhöhten Beitragsleistungen das Ihre dazu beitragen. Jedoch sei angesichts der demographischen Entwicklung ein nachhaltiger Reformprozess im Pensionsbereich nötig. Für Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) ist die Sicherung der Pensionen der Verdienst guter Finanzpolitik und auch jener Generation, die in der Nachkriegszeit das Land aufgebaut habe. Nun müsse man auf die SeniorInnen schauen. Es sei aus ihrer Sicht daher mehr als gerechtfertigt, kleine und mittlere Pensionen anzuheben.

Dietmar Keck (SPÖ) forderte zusätzliche Unterstützung für PensionsbezieherInnen. Angesichts der vom WIFO für Jänner 2022 prognostizierten Inflation von 4,5% sprach er sich mit einem Entschließungsantrag dafür aus, einen Teuerungsausgleich von 100 € für PensionsbezieherInnen sowie einen Heizkostenzuschuss von 300 € für einkommensschwache Haushalte zu beschließen. Erwin Angerer (FPÖ) kritisierte die SozialdemokratInnen dafür, dass sie einen Antrag zum selben Thema im Kärntner Landtag abgelehnt hätten.

Höhere Mittel im Sozialbudget für neue Schwerpunkte

Die höheren Auszahlungen im Sozialbereich sind zu einem erheblichen Anteil auf einen erhöhten Bedarf für das Pflegegeld (25,3 Mio. € mehr) und für die Dotierung des Pflegefonds (19 Mio. € mehr) zurückzuführen. Auch für neue Schwerpunkte sind zusätzliche Mittel vorgesehen. Das betrifft insbesondere die Pflegeausbildung mit einem Plus von 50 Mio. € und das Pilotprojekt Community Nurses (+18,3 Mio. €).

Dem Reformbedarf in der Pflege schenkten Bedrana Ribo (Grüne) und ÖVP-Abgeordneter Hammer in ihren Redebeiträgen viel Aufmerksamkeit. Angesichts der Pandemie sei die Umsetzung der fraglos seit langem notwendigen Pflegereform eine besondere Herausforderung, wies Ribo auf die föderale Struktur des heimischen Pflegesystems und dessen akuten Personalmangel hin. Die ersten Maßnahmen zur Reform würden nun im Budget 2022 ergriffen, nannte sie die vorgesehene Ausbildungsoffensive mit je 50 Mio. € für die nächsten drei Jahre und die Finanzierung von Community Nurses als präventives Gesundheitskonzept zur Entlastung von Angehörigen und stationären Einrichtungen.

Eine gute Zusammenarbeit des Bundes mit Bundesländern und Gemeinden, die die Pflege in ihrer Zuständigkeit haben, sei jedenfalls grundlegend für eine große Pflegereform, hielt die Grünen-Abgeordnete fest. "Die Menschen in der Pflege haben bewiesen, dass sie liefern", auch unter schwersten Bedingungen, drückte sie ihre Anerkennung für die durch die COVID-19-Krise zusätzlich erschwerte Pflegearbeit aus. Nun sei es an der Politik, angemessene Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Die bessere Entlohnung von Pflegekräften bezeichnete Hammer als wichtigen Punkt, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Außerdem sei eine Neuordnung beziehungsweise Bündelung der Finanzierungsströme geplant.

Ihre Wertschätzung für das Pflegepersonal drückte FPÖ-Mandatarin Belakowitsch ebenfalls aus, sie sieht diese Anerkennung bei der Regierung aber nicht. Diese verordne Pflegenden lieber eine Impfpflicht als ihnen Pflegebonus und Gehaltserhöhung zukommen zu lassen, spielte sie auf Corona-Maßnahmen an.

Verena Nussbaum und Philip Kucher (beide SPÖ) warfen dem Sozialminister vor, dass in Sachen Pflege trotz zahlreicher Versprechungen nichts weitergehe. Nussbaum brachte daher einen Entschließungsantrag ein, mit dem die SPÖ eine sofortige Pflegeoffensive fordert. Diese soll aus Sicht der SozialdemokratInnen einen Pflegegarantiefonds, eine Milliarde zusätzliche Mittel, eine Ausbildungsoffensive sowie eine Verbesserung der Arbeitssituation in den Pflegeberufen beinhalten. Auch die Freiheitlichen brachten in Form eines Entschließungsantrags einen Vorschlag zur Veränderung der Pflege ein. Christian Ragger (FPÖ) forderte den Minister auf, das von der FPÖ in Kärnten vorgeschlagene Pflegemodell als Vorbild für ganz Österreich heranzuziehen.

SPÖ vermisst Mittel für Armutsbekämpfung, NEOS für Menschen mit Behinderungen

Das Thema Armut brachte Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) aufs Tapet. 350.000 Kinder seien armutsgefährdet. Die im Budget veranschlagten Mittel für Delogierungsprävention seien zwar gut, würden aber nicht alles abbilden, was in der Bekämpfung von Armut notwendig sei. Um das im Regierungsprogramm festgeschriebene Ziel, die Armut in Österreich zu halbieren, zu erreichen, müsse man noch viel öfter und intensiver im Hohen Haus darüber diskutieren, so Heinisch-Hosek. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) entgegnete, dass die beste Botschaft sei, dass die Wirtschaft wieder anspringe und aktuell mehr Menschen als vor der Pandemie in Beschäftigung seien. Sie hob neben den 8 Mio. € für Delogierungsprävention weitere Mittel im Sozialbudget hervor, etwa Gelder für Gewaltschutz, Extremismusprävention und für Verbrechensopfer. Auch für Ernst Gödl (ÖVP) ist eine offensive Arbeitsmarktpolitik eine der wichtigsten Maßnahmen zur Finanzierung des ausgeprägten Sozialstaats.

Auch Mittel für Menschen mit Behinderungen sind Teil des Sozialbudgets. Fiona Fiedler (NEOS) kritisierte in diesem Zusammenhang die Wortwahl in den Budgetunterlagen. Formulierungen wie "Menschen mit besonderen Bedürfnissen" und "Maßnahmen für Behinderte" müssen aus ihrer Sicht dringen überarbeitet werden. Für das nächste Budget erwarte sie sich ein durchgehend angemessenes Wording. Dass für den Nationalen Aktionsplan Behinderung im Sozialressort kein Sonderbudget vorgesehen sei, bezeichnete sie als große Lücke. Für Heike Grebien (Grüne) sind Menschen mit Behinderungen im Haushaltsentwurf für 2022 sehr wohl berücksichtigt, etwa wenn es um die Beseitigung von Vorbehalten gegenüber Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt gehe.

Konsumentenschutz: Budget 2022 auf Vorjahresniveau

Das Budget 2022 sieht gleich bleibende Mittel für Konsumentenschutzmaßnahmen in der Höhe von 6,5 Mio. € vor. Damit werden in diesem Bereich überwiegend Förderungen für verschiedene Organisationen im Bereich des Konsumentenschutzes budgetiert. Neben dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) sind das etwa Organisationen im Bereich der Schuldenberatung oder die Internet-Ombudsstelle. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2022 wird die Finanzierung des VKI um ein weiteres Jahr verlängert, wobei dem VKI mit 5,0 Mio. € der Großteil des Konsumentenschutzbudgets zur Verfügung gestellt werden soll.

Peter Wurm (FPÖ) kritisierte das geringe Budget für den Bereich. Wie sein Fraktionskollege Christian Ries bedauerte er, dass es erneut nicht gelungen sei, den Verein für Konsumenteninformation langfristig finanziell abzusichern. Auch Christian Drobits (SPÖ) kritisierte, dass der Minister dies zwar versprochen habe, aber nicht halten könne. Von den NEOS sprach sich Katharina Werner für eine langfristige Finanzierung des VKI aus. Ulrike Fischer (Grüne) bezeichnete die Mittel für den Konsumentenschutz zwar ebenfalls als bescheiden, es werde jedoch viel damit erreicht. Sie hob die Arbeit der Verbraucherschutzeinrichtungen sowohl bei Information und Beratung als auch bei Musterverfahren hervor. (Fortsetzung Nationalrat) rei/kar

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.