Parlamentskorrespondenz Nr. 1291 vom 17.11.2021

Nehammer: Sicherheitsbudget spiegelt dramatisch veränderte Bedrohungslage wider

Nationalratsdebatte über Budget für Inneres und Fremdenwesen

Wien (PK) – Das Budget für innere Angelegenheiten und das Fremdenwesen wurde heute im Nationalrat diskutiert. Generell zeigten sich alle Fraktionen mit dem Anstieg der Auszahlungen zufrieden. Was dessen Schwerpunktsetzung betrifft, gab es teils hitzige Debatten.

Hauptfaktoren für die Erhöhung der Auszahlungen im Innenressort sind das Antiterrorpaket (60 Mio. €) und zusätzliche Maßnahmen beim Gewaltschutz von Frauen (2,5 Mio. €). Insgesamt belaufen sich die Auszahlungen 2022 auf rund 3,2 Mrd. €, was im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 73,7 Mio € beziehungsweise 2,3% bedeutet, obwohl die 2021 noch enthaltenen 13,9 Mio. € an Mitteln für die Krisenbewältigung nun nicht mehr budgetiert sind. Für den Gewaltschutz insbesondere von Frauen und Kindern sind insgesamt 16,7 Mio. € veranschlagt, wovon Interventionsstellen 6,9 Mio. € und Gewaltpräventionszentren 9,2 Mio. € erhalten. Dazu kommen Anpassungen der Auszahlungen für den laufenden Betrieb, insbesondere im Personalbereich. Da 2022 eine steigende Zahl an zu versorgenden AsylwerberInnen erwartet wird, sieht der Bundesvoranschlag 2022 im Bereich Fremdenwesen eine Erhöhung der Ausgaben um 10,3% vor, die nunmehr 347,4 Mio. € ausmachen.

Innenminister Nehammer: Gesamtziel ist die Sicherung eines freien und demokratischen Österreichs

Innenminister Karl Nehammer betonte im Plenum die Bedeutung des "Rekordbudgets" als Grundlage zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der inneren Sicherheit. So konnten neben der Ersetzung von rund 1.000 pensionierten ExekutivbeamtInnen 600 zusätzliche rekrutiert werden. Dies ergebe die Möglichkeit zur erhöhten Polizeipräsenz und werde auch für die BürgerInnen spürbar.

Nehammer ging auf eine durch die Pandemie "dramatisch veränderte Bedrohungslage" ein, die zeige, wie anpassungsfähig die Kriminalität sei. Daher sei die budgetäre Schwerpunktsetzung auf die Bekämpfung der Cyberkriminalität wesentlich. Hier gehe es auch darum, dass hohe Kompetenz bereits in den Polizeiinspektionen als erster Anlaufstelle für Betroffene anzutreffen sei, damit die Sachlage richtig eingeordnet werde. Man müsse sich auch für neue Formen der Internetkriminalität rüsten, wie sie beispielsweise "High-Risk-Crime-Networks" im Darknet betreiben. Finanziell sehr aufwendig sei die Abwehr von Cyberspionage-Angriffen, die immer öfter auftreten würden, so Innenminister Nehammer.

Der Anschlag des letzten Jahres in Wien habe gezeigt, dass auch Österreich vor Terrorismus nicht mehr gefeit sei, weshalb für dessen Bekämpfung hohe Mittel (120 Mio. €) zur Verfügung gestellt würden. Unter anderem werde die Cobra mit verbesserter Ausrüstung und Bewaffnung sowie mit gepanzerten Fahrzeugen ausgestattet. Dadurch würde ihre "Durchschlagswirkung" erhöht, erklärte Nehammer. Auch die Einrichtung der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DNS), eines Lageinformationszentrums und der Aufbau der bundesweit eingesetzten "schnellen Reaktionskräfte" seien zur Terrorismusbekämpfung entscheidend. Generell beanspruche aufgrund der Digitalisierung der Sachaufwand einen immer höheren Anteil des Budgets.

Die Mittel für das Fremdenwesen spiegelten die Verpflichtung wider, Schutzsuchende bestmöglich zu betreuen. Es handle sich dabei um eine große Herausforderung, da die Budgetmittel nicht nur für die Betreuung, sondern auch für die Bekämpfung der Fluchtursachen sowie umfangreiche Rückführungsmaßnahmen notwendig sei, so Nehammer. Die Asylfrage müsse bereits vor den Außengrenzen der EU entschieden werden, da es auf Dauer nicht haltbar sei, dass jeder der über die Grenze komme automatisch Anspruch auf Leistungen des österreichischen Staates habe. Diese Ansicht gewinne auch innerhalb der EU immer mehr BefürworterInnen und Österreich sei damit nicht mehr in der "Schmuddelecke". Wenn sich diese Position durchsetze, könne Europa auch resilienter gegenüber Erpressungsversuchen, wie jene des belarussischen Präsidenten Lukaschenko werden, betonte Nehmamer. Es gehe darum, die Sozialsysteme der EU nicht zu destabilisieren und ein freies und demokratisches Europa nachhaltig abzusichern.

SPÖ: Es mangelt im Innenressort an Kooperation, Kommunikation und Koordination

Eingangs lobte Reinhold Einwallner (SPÖ) die Zuwächse bei der finanziellen Ausstattung des Innenressorts, insbesondere bei der Terrorismusbekämpfung, merkte jedoch an, dass es nicht ausschließlich auf die Höhe des Budgets, sondern vor allem auch auf die Prioritätensetzung ankomme. So befürchte er, dass hinter der angekündigten Organisationsstrukturreform lediglich eine parteipolitische Umfärbung des Ministeriums stecke. PolizistInnen würden mit Tätigkeiten überfrachtet, wie der Kontrolle der 2-G-Regelungen, die nicht zu ihrem eigentlichen Aufgabenbereich gehörten. Das erschwere deren Arbeitsbedingungen massiv. Die Exekutive benötige eine gute Infrastruktur vor Ort in den Polizeiinspektionen, und keinen "Bunker", spielte Einwallner auf das neue Lagezentrum des Innenministeriums an. Generell fehle es an drei Ks: Kooperation, Kommunikation und Koordination.

Einwallners Fraktionskollegin Sabine Schatz kündigte an, Innenminister Nehammer im Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus an seinen eigenen Ankündigungen, mehr Mittel dafür zur Verfügung zu stellen, messen zu wollen. Sie begrüßte die Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichtes, betonte aber, dass angesichts der steigenden Anzahl an Straftaten in diesem Bereich ein nationaler Aktionsplan notwendig sei, um diesen Tendenzen entgegenzuwirken. Nurten Yilmaz (SPÖ) forderte die vermehrte Aufnahme von BewerberInnen mit Migrationshintergrund in den Exekutivdienst, um einer diversen Gesellschaft in den Organen der Republik Rechnung zu tragen. Außerdem sprach sie sich für eine unabhängige Beschwerdestelle für Fälle von Polizeigewalt aus.

ÖVP: Höchstes Sicherheitsbudget der Zweiten Republik ist klares Bekenntnis der Bundesregierung

Das "höchste Sicherheitsbudget in der Zweiten Republik" lobten sämtliche zu Wort gemeldete ÖVP-MandatarInnen. Unter ihnen Karl Mahrer der dieses als "klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Stärkung der inneren Sicherheit und zur Unterstützung von 38.000 MitarbeiterInnen des Ressorts" wertete. Das Budget stelle auch die Fortführung der Ausbildungs- und Einstellungsoffensive sicher, so Mahrer. Als besonders wichtige Investitionen nannte er die erhöhten Mittel für die Cyber-Sicherheit und den Gewaltschutz sowie die Neuaufstellung des Verfassungsschutzes und den Ausbau der schnellen Reaktionskräfte. Im Bereich des Fremdenwesens seien die Grundlagen für rasche und rechtsstaatliche Asylverfahren auch in Kooperation mit Drittstaaten geschaffen worden.

Dass den veränderten Bedrohungsszenarien mit massiven Investitionen in den Staatsschutz, die Cybersicherheit und die Terrorismusbekämpfung auch budgetär Rechnung getragen werde, unterstrich Manfred Hofinger (ÖVP). Die Eröffnung von zwölf neuen Polizeidienststellen sowie die Sanierung vieler weiterer seien ebenfalls sichtbare Zeichen der Prioritätensetzung der Regierung zugunsten der inneren Sicherheit und spiegle auch das erhöhte Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung wider, wie Christian Stocker (ÖVP) ergänzte.

Freiheitliche fordern stärkeren Grenzschutz statt eines "Corona-Überwachungsstaates"

Als "durchaus respektables Ergebnis" bezeichnete Hannes Amesbauer (FPÖ) einleitend das vorliegende Sicherheitsbudget und sprach zugleich die aus seiner Sicht enormen Kosten des Fremdenwesens an. Dieses würde sich nicht auf die explizit dafür veranschlagten 347,4 Mio. € beschränken, sondern würde auch hohe Kosten in der Justiz, im Sozialressort, bei den Bundesländern und im Gesundheits- und Bildungswesen verursachen. Zum Kostenproblem geselle sich laut Amesbauer ein massives Sicherheitsproblem, da auch Mörder, Vergewaltiger und Islamisten importiert würden. Dass der Grenzschutz nach wie vor nicht funktioniere, und eher ein "Empfangskomitee" darstelle, sei auf das Versagen des Innenministers zurückzuführen. Dementsprechend brachte er einen Entschließungsantrag ein, in dem die Freiheitlichen fordern, "die illegalen Grenzübertritte von Wirtschaftsmigranten"  abzustellen und somit die Kosten für das Fremdenwesen zu senken.

In einem weiteren von Dagmar Belakowitsch (FPÖ) eingebrachten Entschließungsantrag setzt sich die FPÖ für einen vermehrten Einsatz der Polizei beim Grenzschutz, anstatt bei der Durchsetzung eines "Corona-Überwachungsstaates" ein. Belakowitsch richtete sich entschlossen gegen eine "fehlgeleitete fetischistische Corona-Politik", die 30% der Bevölkerung zu Geächteten machen würde. Sowohl Belakowitsch als auch Amesbauer sprachen sich für eine Schließung der EU-Außengrenzen aus, um so den Erpressungsversuchen des belarussischen Präsidenten Lukaschenko zu begegnen. Außerdem brachte Christian Ries (FPÖ) einen weiteren Entschließungsantrag zur finanziellen Besserstellung der Exekutive ein.

Grüne: 10,3 % mehr Budget für das Fremdenwesen, weil Menschen keine Schachfiguren seien

Österreich brauche eine gut ausgebildete und gut bezahlte Polizei, zeigte sich der Grünen-Abgeordnete Georg Bürstmayr überzeugt. Diese schütze nicht nur unsere Menschenrechte, sondern bestehe auch selbst aus Menschen, die Rechte haben. Deshalb freute er sich über rund 10% mehr Mittel für den Personalaufwand seit 2019. Eine anständige Entlohnung sei notwendig, um auch ExekutivbeamtInnen ein planbares Leben und Zeit für Weiterbildungen zu ermöglichen. Die 347 Mio. € für das Fremdenwesen würden signalisieren, dass Menschen keine Schachfiguren für Despoten und Diktatoren seien, erklärte Bürstmayr unter Verweis auf die Lage an der Grenze zwischen Polen und Belarus, sondern eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung verdienen würden. Die abstrakten Zahlen des Budgets stünden für sehr fundamentale Dinge, wie Menschenrechte und ein Bekenntnis zu Rechtsstaat und Demokratie.

Faika El-Nagashi (Grüne) bezog sich in ihrer Wortmeldung vor allem auf die Extremismusprävention, die eine budgetäre Querschnittsmaterie darstelle. Sie hob dabei die Leistungen des bundesweiten Netzwerkes für Extremismusprävention und Deradikalisierung heraus, das wichtige Arbeit zur Bewahrung und Vermittlung der Grundwerte unserer demokratischen Gesellschaft leiste. 8 Mio. € seien jährlich für unterschiedliche Programme in verschiedenen Ressorts dafür veranschlagt. Dazu käme 1 Mio. € Förderung des Programmes "Reset", das traumatisierte Menschen therapeutisch unterstütze.

NEOS kritisieren "feige politische Spielchen" um AsylwerberInnen

Stephanie Krisper von den NEOS warf Innenminister Karl Nehammer sowohl in der Corona-Politik als auch bei der Grundversorgung von AsylwerberInnen "Managementversagen" vor, was sich bereits in einer undurchsichtigen Angabe von dementsprechenden Zahlen zeige. Es gebe zwar einen Anstieg der Anzahl an AsylwerberInnen in Bundesbetreuung, insgesamt sei jedoch ein Rückgang von 2.000 Personen gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Die Geflüchteten würden in diesem "Flaschenhals" der Bundesbetreuung stecken, da sie nicht rechtzeitig auf die Bundeländer aufgeteilt wurden. Dieses "Managementversagen" sei auch der Grund, warum Menschen trotz geringer Zahlen wieder in Hallen und Turnsälen untergebracht würden. Außerdem fehle auch der politische Wille, die AsylwerberInnen angemessen unterzubringen, da die Bilder von vollen Hallen aus wahlkampftaktischen Gründen nützlich sein könnten. Solche Überlegungen bezeichnete Krisper als "feige politische Spielchen". Außerdem kritisierte ihr Fraktionskollege Johannes Margreiter (NEOS) das fehlende budgetäre Augenmerk auf die Korruptionsbekämpfung und forderte eine unabhängige Beschwerdestelle für Polizeigewalt.

Am Ende der Debatten zu den einzelnen Budgetkapiteln finden am Donnerstag im Nationalrat die Schlussabstimmungen zum Bundesfinanzgesetz 2022 und dem Bundesfinanzrahmen 2022 bis 2025 samt den dazu während der dreitägigen Plenarberatungen eingebrachten Anträgen statt. (Fortsetzung Nationalrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.