Parlamentskorrespondenz Nr. 1424 vom 07.12.2021

Unterrichtsausschuss: Forderungen der Opposition zu digitalen Kompetenzen, Gesundheit sowie Chancengerechtigkeit an Schulen

Abgeordnete debattiert Anträge der SPÖ und NEOS

Wien (PK) - Mit einer Reihe von Oppositionsanträgen beschäftigten sich die Abgeordneten heute im Unterrichtsausschuss. Eines der Hauptthemen war die Stärkung der psychischen und physischen Gesundheit von SchülerInnen. So forderte die SPÖ, speziell vor dem Hintergrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, die Behebung akuter Mängel in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und die NEOS eine integrierte Gesundheits- und Sozialversorgung im Rahmen der vom Bildungsministerium vorgesehenen Aufwertung und Kompetenzerweiterung von SchulärztInnen. Zudem sprachen sich die SozialdemokratInnen für die Einführung von "Reha-Klassen" bzw. "Reha-Schulen" für sozial und emotional beeinträchtigte Kinder und Jugendliche, eine qualitätsvolle sexuelle Bildung sowie gesunde Lebensmittel an Schulen aus. Sämtliche Anträge zur Gesundheitsthematik wurden mehrheitlich vertagt.

Ebenso verhielt es sich im zweiten großen Themenkomplex – der Chancengerechtigkeit. Dieser erhofften sich sowohl NEOS als auch SPÖ durch die Förderung elementarpädagogischer Bildung sowie die Verwirklichung des Rechtsanspruches auf ganztägige Bildung ab dem ersten Lebensjahr anzunähern. Außerdem soll nach den NEOS ein bundesweiter Chancenindex flächendeckend implementiert werden, um vererbten sozioökonomischen Ungleichheiten entgegenwirken zu können.

Zudem setzen sich die NEOS für die Förderung digitaler Kompetenzen bei LehrerInnen und die SPÖ bei den SchülerInnen ein. Beide Anträge fanden im Ausschuss keine Mehrheiten und wurden abgelehnt.

Anträge zur Stärkung digitaler Kompetenzen bei LehrerInnen und SchülerInnen abgelehnt

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung sehen die SozialdemokratInnen die Stärkung digitaler Kompetenzen bei SchülerInnen, etwa im Umgang mit Fake News und künstlicher Intelligenz, für eine notwendige Basis. Mit einem Entschließungsantrag (1633/A(E)) wollen sie den Bildungsminister daher auffordern, flächendeckende, niederschwellige und barrierefreie Kurse für digitale Medienkompetenz zu initiieren. Die NEOS schlugen mit ihrem Antrag zu einer verpflichtenden digital-didaktischen Ausbildung in eine ähnliche Kerbe, zielten jedoch auf die LehrerInnen ab (1390/A(E)). Es sei wichtig, dass sich LehrerInnen ein entsprechendes Grundwissen aneignen können, insbesondere wenn sie in Schulstufen unterrichten, die mit dementsprechenden Endgeräten ausgestattet werden, argumentierte Martina Künsberg Sarre (NEOS) im Antrag.

Lebenslanges Lernen sei wohl kaum wo so wesentlich wie im Bereich der digitalen Bildung, zeigte sich Melanie Erasim (SPÖ) überzeugt. Gerade die Pandemie habe gezeigt, wie essenziell die Fähigkeit, Informationen zu hinterfragen und einzuordnen, speziell in Hinblick auf Falschinformationen sei. Johann Weber (ÖVP) verwies auf das bereits bestehende Angebot sowohl für SchülerInnen als auch LehrerInnen und zählte zahlreiche Projekte und Initiativen auch im Bereich der Erwachsenenbildung auf. Sibylle Hamann (Grüne) stimmte den AntragstellerIinnen in ihren Anliegen grundsätzlich zu, betonte aber, dass viele Forderungen bereits übertroffen wurden und die Anträge somit überholt seien. Die wiederaufgenommenen Anträge blieben mit den Stimmen der Oppositionsparteien in der Minderheit und wurden damit abgelehnt.

SPÖ- und NEOS-Anträge zur Förderung psychischer und physischer Gesundheit von SchülerInnen

Vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie ortet die SPÖ akuten Handlungsbedarf in der psychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen (1895/A(E)). In Österreich fehle es nicht nur an Therapie- und Betreuungsplätzen, sondern auch an BeratungslehrerInnen und SchulpsychologInnen. Daher fordert die SPÖ Mittel für eine angemessene Ausstattung schulischer und außerschulischer psychologischer Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche sowie langfristige Strategien.

Auch das System der Heilstättenschulen stoße laut SPÖ bei sozial und emotional beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen ("SystemsprengerInnen") an seine Grenzen (1807/A(E)). Die SozialdemokratInnen wollen den Bildungsminister daher auffordern, ein Konzept zur bundesweiten Einführung von "Reha-Klassen" und langfristig von "Reha-Schulen" vorzulegen. Dort könnte in Kleingruppen mit multiprofessionalen Teams, etwa LehrerInnen, SozialarbeiterInnen, PflegerInnen, TherapeutInnen, ÄrztInnen und ExekutivbeamtInnen, mit neuen pädagogischen Ansätzen gearbeitet werden.

Die NEOS thematisierten in einem weiteren Entschließungsantrag die unterschiedlichen Zuständigkeiten für die Bereiche Bildung, Gesundheit und Soziales an Schulen (1723/A(E)). Weil Kinder in der Praxis so viel Zeit in der Schule verbringen, dass alle Lebensbereiche abgedeckt werden, bräuchte es eine integrierte Betreuung durch Lehrpersonal, Sozialberufe und Gesundheitsberufe. Sie wollen den Bildungsminister daher auffordern, zu seinem Vorhaben zur "Aufwertung und Kompetenzerweiterung der SchulärztInnen" ein Konzept zur integrierten Versorgung mit Gesundheits- und Sozialversorgung von SchülerInnen vorzulegen.

Alle drei Anträge wurden mehrheitlich vertagt. Gertraud Salzmann (ÖVP) begründete dies damit, dass einige der Forderungen nicht in die Kompetenzen des Bildungsministeriums, sondern in jene des Gesundheitsressorts fielen. Zudem sei bereits vieles verbessert worden, etwa durch eine Aufstockung der Personalressourcen bei den SchulpsychologInnen um 20%. Verwundert zeigte sie sich aufgrund des SPÖ-Antrages auf eigene Reha-Klassen bzw. Reha-Schulen. Ihr sei hier ein "integrativer Verbleib der sogenannten SystemsprengerInnen" in den Klassen wichtig. Außerdem gebe es laut Salzmann schon sehr gute heil- und sonderpädagogische Einrichtungen. Grünen-Abgeordnete Sibylle Hamann pflichtete Salzmann bei und betonte, dass eine "dauerhafte Separierung" nicht das Ziel sein könne.

Petra Vorderwinkler (SPÖ) warf ein, dass der Antrag auf Berichten aus der pädagogischen Praxis basiere. Es gehe nicht um Separierung, sondern um Hilfe in Situationen, in den Inklusion nicht mehr möglich sei und Prävention von Folgeproblemen wie Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität. Yannick Shetty (NEOS) widersprach den Begründungen der Vertagungsanträgen ebenfalls. Er zeigte auf, dass im NEOS-Antrag kein spezifisches Ministerium, sondern die gesamte Bundesregierung adressiert werde. Außerdem könne bei einem Betreuungsverhältnis durch SchulpsychologInnen von 1 zu 6.000 nicht die Rede von Verbesserungen sein.

Ebenfalls mehrheitlich vertagt wurden zwei SPÖ-Anträge auf eine "qualitätsvolle sexuelle Bildung" (1496/A(E)) und auf gesunde Lebensmittel an Schulen (1746/A(E)). Begründet wurden beide Vertagungsanträge von den Koalitionsparteien mit dem Verweis auf bereits laufende Projekte.

Chancengerechtigkeit: SPÖ und NEOS fordern ein größeres elementarpädagogisches Bildungsangebot

Zum Themenkomplex Chancengerechtigkeit brachte die SPÖ erneut einen Antrag ein, in dem Versäumnisse im Ausbau der elementarpädagogischen Bildung besonders für unter dreijährige Kinder aufgezeigt werden. (1889/A(E)) Der Kern des Antrags sei daher die Erhöhung des Budgets für Elementarpädagogik auf 1% des Bruttoinlandsprodukts beziehungsweise eine Bildungsmilliarde, um ein flächendeckendes, angemessenes und kostenloses Angebot an Kindergärten mit optimiertem Betreuungsschlüssel zu schaffen.

NEOS-Abgeordnete Martina Künsberg Sarre skizziert in ihrem Antrag, welche Maßnahmen es ab 2022 zur Umsetzung eines Rechtsanspruchs auf Elementarbildung ab dem ersten beziehungsweise zweiten Lebensjahr braucht (2014/A(E)). Investiert werden muss demnach vor allem in den qualitativen und quantitativen Ausbau des Elementarbildungs- und Kinderbetreuungsangebots sowie in die Aus- und Weiterbildung der PädagogInnen. Zwecks Attraktivierung des Berufsfelds sei nicht zuletzt die Entlohnung von ElementarpädagogInnen zu heben, weswegen der Bund seine dafür erforderlichen Zweckzuschüsse im Verhältnis zu den Kofinanzierungsanteilen der Länder neu kalkulieren solle.

In einem Antrag der SPÖ mit dem Titel "Gerechtigkeit für die Kinder Österreichs" nimmt SPÖ-Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ) konkret Bezug auf publik gewordene Chat-Protokolle von Ex-Kanzler Kurz und dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid über mutmaßliche Pläne, die Finanzierung kostenloser Nachmittagsbetreuung von Kindern zu verhindern (2035/A(E)). Im Sinne der Bildungsgerechtigkeit fordert sie umgehend die nötigen Mittel für den Ausbau von ganztägigen, kostenfreien Kinderbildungseinrichtungen beziehungsweise Schulformen. Ein Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung sei jedem Kind ab dem ersten Geburtstag zuzugestehen.

Martina Künsberg Sarre (NEOS) führte im Ausschuss aus, dass ihre Fraktion gemeinsam mit Stakeholdern einen Stufenplan entwickelt habe, um den Rechtsanspruch auf Elementarbildung zu verwirklichen, da ein solcher aufgrund des Personalmangels nicht von heute auf morgen umsetzbar sei. Zustimmung brachte den NEOS diese pragmatische Vorgehensweise von der FPÖ ein. Hermann Brückl (FPÖ) kündigte an, dem NEOS-Antrag, im Gegensatz zu den SPÖ-Anträgen, zustimmen zu wollen.

Für alle drei Initiativen beantragte Sibylle Hamann (Grünen) eine Vertagung. Man sei sich mit SPÖ und NEOS grundsätzlich in den Zielen einig, doch gebe es deutliche Unterschiede, was den Weg dorthin betreffe. So benötige die Umsetzung des Rechtsanspruches auf Elementarbildung "harte Verhandlungen" mit den Ländern, denn dort lägen auch die dafür notwendigen Kompetenzen, so Hamann. Kira Grünberg (ÖVP) stimmte zu und unterstrich, dass die Länder und Gemeinden auch näher an den Bedürfnissen der BürgerInnen seien.

Ebenfalls vertagt wurde ein wiederaufgenommener NEOS-Antrag, der den Chancenindex thematisiert (1787/A(E)). Beim Modell des Chancenindex, entscheiden sozioökonomische Faktoren eines Schulstandorts über die Höhe der ihm zugeteilten Budgetmittel.Antragstellerin Martina Künsberg Sarre (NEOS) fordert, den Chancenindex flächendeckend und bundesweit an österreichischen Schulen umsetzen. Durch die Corona-Krise sei deutlich geworden, dass Bildungserfolg in Österreich in hohem Maße vom Elternhaus geprägt werde und die Bildungschancen daher ungleich verteilt seien, heißt es dazu im Antrag. Die Vertagung beantragte Maria Theresia Niss (ÖVP) mit Verweis auf bereits laufende Projekte wie "100 Schulen – 1000 Chancen", bei denen auch erhoben werde, welche Kriterien konkret zum Erfolg führen. Der NEOS-Antrag hingegen verfolge zu sehr ein "Gießkannenprinzip". (Schluss Unterrichtsausschuss) wit