Parlamentskorrespondenz Nr. 1426 vom 07.12.2021

Justizausschuss befürwortet Verlängerung von Corona-Frist-Regelungen

Beschluss auch über Valorisierung der Mindestversicherungssummen, Oppositionsanträge vertagt bzw. abgelehnt

Wien (PK) - Mit einem Initiativantrag der Koalitionsparteien werden unter anderem verschiedene Corona-Regelungen verlängert, etwa im Zusammenhang mit Anhörungen und virtuellen Versammlungen von Gesellschaften. Der Justizausschuss sprach sich heute mehrheitlich ohne die Stimmen der FPÖ dafür aus.

Mit einem Abänderungsantrag werden weitere Fristen für Versammlungen etwa von Vereinen bis Ende Juni 2022 erstreckt. Ein Ausschussantrag verlängert zudem die Möglichkeit von Videokonferenzen und Umlaufbeschlüssen zur Entscheidungsfindung in Gremien, die nach dem Parteien- und Medienrecht vorgesehen sind, ebenfalls bis Ende Juni 2022.

Mit dem Mindestversicherungssummen-Valorisierungsgesetz 2021 werden außerdem einhellig die Mindestversicherungssummen in Haftpflichtgesetzen angepasst.

Mit den Stimmen aller Fraktionen, außer der FPÖ, abgelehnt wurde ein FPÖ-Initiativantrag für Änderungen im Strafgesetzbuch und im Suchtmittelgesetz zur gewerbsmäßigen Begehung. Abgelehnt hat der Ausschuss auch einen FPÖ-Entschließungsantrag für die Umbenennung der Justizwache in Justizpolizei.

Weitere Entschließungsanträge der Opposition, etwa zu den Themen U-Haftverhandlungen über Video, Unterdotierung der Gerichtsmedizin sowie zur Ablaufshemmung von Betretungs- und Annäherungsverboten wurden in der heutigen Sitzung vertagt.

Breite Mehrheit für Verlängerung von Corona-Regelungen

Das Außerkrafttreten des 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes soll um sechs Monate auf den 30. Juni 2022 verschoben werden. ÖVP, Grüne, SPÖ und NEOS stimmten der Verlängerung im Ausschuss zu. Das betrifft den Erläuterungen zufolge unter anderem die Möglichkeit, für weitere sechs Monate bestimmte Anhörungen, mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen etwa per Video durchzuführen. Die Gebührenfreiheit der Unterhaltsvorschussgewährung aus dem 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz soll laut Vorlage ebenfalls verlängert werden. Damit Gesellschaften auch noch im ersten Halbjahr 2022 virtuelle Versammlungen durchführen können, soll auch die entsprechende Regelung des Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetzes um sechs Monate verlängert werden (2094/A).

Zudem sollen für SteuerberaterInnen und WirtschaftsprüferInnen die Aufstellungs- und Offenlegungsfristen erstreckt werden. Dazu ist auch eine Neufassung der Übergangsregelung sowie eine "Einschleifregelung" vorgesehen. Letztere soll den Folgen eines fixen Stichtags entgegenwirken. Eine Verlängerung bis 30. Juni 2022 in der Rechtsanwaltsordnung betrifft unter anderem die Möglichkeit der Briefwahl bzw. Briefabstimmung zur Erledigung der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer zugewiesenen Aufgaben. Ebenso soll im Rahmen des Disziplinarstatuts für RechtsanwältInnen und RechtsanwaltsanwärterInnen die Briefabstimmung für die Festsetzung bzw. Änderung der Geschäftsordnung des Disziplinarrats bis 30. Juni 2022 zur Verfügung stehen.

Änderungen im Zivilrechts-Mediations-Gesetz betreffen eine Berichtigung zu Übergangsbestimmungen, damit die Fortbildungsverpflichtung für eingetragenen MediatorInnen auch nach dem 31. Dezember 2021 in Geltung bleibt. Im Zweiten Bundesrechtsbereinigungsgesetz soll die Bestimmung betreffend die Kosten, die einem durch die Bezirksverwaltungsbehörde vertretenen Minderjährigen in gerichtlichen Verfahren zu ersetzen sind, erst zwei Jahre später, am 31. Dezember 2023, außer Kraft treten. Die Änderung zielt darauf ab, dass das Thema im Rahmen der Reform des Kindesunterhaltsrechts an den aktuellen Rechtsbestand angepasst werden kann.

Mit einem Abänderungsantrag wurden weitere Fristen bis Ende Juni 2022 erstreckt. So sollen Mitgliederversammlungen von Vereinen weiterhin verschoben werden können. Auch von gesellschaftsvertraglich festgelegten Fristen für Versammlungen soll bis zu diesem Datum abgegangen werden können. Die achtmonatige Frist zur Durchführung von Hauptversammlungen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften darf ebenfalls weiterhin überschritten werden. Außerdem sollen Gesellschaften auch im ersten Halbjahr 2022 noch virtuelle Versammlungen durchführen können.

Ein Ausschussantrag von ÖVP und Grünen, der ebenfalls von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS angenommen wurde, verlängert die Möglichkeit von Videokonferenzen und Umlaufbeschlüssen zur Entscheidungsfindung in Gremien, die nach dem Parteien- und Medienrecht vorgesehen sind. Auch diese Möglichkeit wird bis Ende Juni 2022 verlängert.

Johannes Margreiter (NEOS) drückte seine Zustimmung für die Verlängerung der Fristen aus. Er äußerte jedoch Bedenken zu Überlegungen, die Möglichkeit von Verhandlungen per Videokonferenz in Zivilprozessen ins Dauerrecht zu übernehmen. Das wäre dem Prinzip der Wahrheitsfindung nicht zuträglich. Agnes Sirkka Prammer (Grüne) bezeichnete diese Bedenken als gewichtig. Sie plädierte dafür, genau zu prüfen, welche in der Pandemie erprobten Neuerungen ins Dauerrecht übernommen werden können. Für Christian Stocker (ÖVP) leidet der Unmittelbarkeitsgrundsatz darunter, wenn Verhandlungen per Videokonferenz geführt werden. Aus seiner Sicht könne man über eine Wahlbestimmung diskutieren.

Justizministerin Alma Zadić berichtete, dass zur Übernahme der Videoverhandlungen ins Dauerrecht viel Kritik gekommen sei. Eine Arbeitsgruppe werde daher eingehend evaluieren, in welchen Bereichen sie sich bewährt haben und in welchen nicht. Von Petra Bayr (SPÖ) nach Überlegungen gefragt, die jetzige Regelung zum Unterhaltsvorschuss ins Dauerrecht zu übernehmen, verwies die Ministerin ebenfalls auf eine Arbeitsgruppe.

Christian Lausch (FPÖ) begründete die Ablehnung seiner Fraktion damit, dass der Antrag zu weit gehe. Der Ausschussantrag betreffend die Gremien laut Parteien- und Medienrecht wäre aus seiner Sicht im Verfassungsausschuss besser aufgehoben gewesen.

Valorisierung der Mindestversicherungssummen in Haftpflichtgesetzen

Zu einer Valorisierung der Mindestversicherungssummen in Haftpflichtgesetzen liegt dem Justizausschuss das sogenannte Mindestversicherungssummen-Valorisierungsgesetz 2021 vor (1170 d.B.). Dem Entwurf zufolge sollen die Pauschalversicherungssummen für Fahrzeuge sowie die Summen für Personenschäden im Sinne der unionsrechtlichen Vorgaben im Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz (KHVG) prozentual erhöht werden. Gleichzeitig ist eine Erhöhung der Haftungshöchstbeträge im Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz sowie in denjenigen Haftpflichtgesetzen, die sich betragsmäßig an den in der Verkehrshaftpflicht maßgeblichen Summen orientieren, vorgesehen. Dies gelte für das Reichshaftpflichtgesetz, für das Gaswirtschaftsgesetz sowie für das Rohrleitungsgesetz, so die Erläuterungen. Die Vorlage wurde im Ausschuss einhellig beschlossen.

Corinna Scharzenberger (ÖVP) drückte ebenso wie Petra Bayr (SPÖ) ihre Zustimmung aus. Bayr kündigte an, im Plenum einen Abänderungsantrag einzubringen, um die aus ihrer Sicht nicht mehr zeitgemäße Benennung des Reichshaftpflichtgesetzes zu ändern.

FPÖ für Änderungen im Strafgesetzbuch sowie im Suchtmittelgesetz zu gewerbsmäßiger Begehung

Änderungen im Strafgesetzbuch und im Suchtmittelgesetz beantragen die Freiheitlichen mit einem Antrag, der mit den Stimmen aller Fraktionen außer der FPÖ abgelehnt wurde (1941/A). Geht es nach der FPÖ, soll die gewerbsmäßige Begehung einer strafbaren Handlung auf ihre ursprüngliche Form zurückgeführt werden, da sie in der derzeit geltenden Fassung für die Staatsanwaltschaft und für die tägliche Arbeit der Polizei nicht handhabbar sei. Nach der geltenden Rechtslage führe der Kauf und Besitz von Kleinstmengen an Drogen für den Eigengebrauch nicht automatisch zu einer Anzeige, wenn TäterInnen mit den Gesundheitsbehörden kooperieren, stellen die Freiheitlichen fest. Für die Behörden seien Maßnahmen viel schwerer geworden, meinte Harald Stefan (FPÖ). Agnes Sirkka Prammer (Grüne) kann dem Antrag nichts abgewinnen. Aus Sicht von Nikolaus Scherak (NEOS) werden hier zwei Dinge vermischt, nämlich grundsätzlich die gewerbsmäßige Begehung und das Thema Kleinstmengen an Drogen zum Eigengebrauch im Strafrecht zu verorten. Ähnlich wie Scherak meinte Christian Drobits (SPÖ), es gelte, das gelindere Mittel zu wählen.

FPÖ will Entfall der "Herabwürdigung religiöser Lehren" im Strafrecht

In der Praxis erhalte de facto keine christliche Religion den Schutz der "Herabwürdigung religiöser Lehren", wirft die FPÖ auf. Hingegen schränke die Regelung im Strafgesetzbuch die Möglichkeit zum politischen Diskurs hinsichtlich des politischen Islams erheblich ein. Die Freiheitlichen berufen sich auf die Meinungsäußerungsfreiheit und legten einen Initiativantrag vor, wonach die "Herabwürdigung religiöser Lehren" im Strafrecht entfallen soll (1942/A). Harald Stefan (FPÖ) hob etwa auch die Freiheit der Kunst in diesem Zusammenhang hervor. Agnes Sirkka Prammer (Grüne) sprach sich für die dann mit der ÖVP beschlossene Vertagung aus, da der Antrag nur kleiner Teil eines großen Themas zwischen Meinungsäußerung und Bestrafung darstelle. Kritik am System könne man diskutieren, man könne aber nicht einen einzelnen Paragraphen dazu herausgreifen, meinte auch Gudrun Kugler (ÖVP). Nikolaus Scherak (NEOS) und Selma Yildirim (SPÖ) zeigten Zustimmung, dass der Paragraf nicht mehr der heutigen Zeit entspreche, wenngleich der Antrag tendenziös sei, meinte etwa Yildirim.

FPÖ für U-Haftverhandlungen über Video

Zu den weiteren Anträgen der Opposition, die vertagt wurden, zählt eine Forderung der FPÖ für U-Haftverhandlungen über Video. FPÖ-Mandatar Christian Lausch weist auf die angespannte Personalsituation im Justizbereich hin und appelliert (465/A(E)) an die Justizministerin, das diesbezügliche bereits etwa in Salzburg praktizierte Konzept zu verlängern und für den Fall, dass es zu keiner dauerhaften Personalaufstockung kommt, dauerhaft einzurichten.

Abgelehnt wurde eine von der FPÖ verlangte Umbenennung der Justizwache in Justizpolizei (302/A(E)). FPÖ-Abgeordneter Christian Lausch argumentierte, das wäre ein logischer Schritt im Rahmen der Organisationsreform der inneren Sicherheit in Österreich. Agnes Sirkka Prammer (Grüne) und Bettina Zopf (ÖVP) verwiesen darauf, dass die Justizwache ein Wachkörper und keine Ermittlungsbehörde sei und daher eine Umbenennung irreführend wäre. Auch Johannes Margreiter (NEOS) plädierte für die Beibehaltung des Namens Justizwache. Selma Yildirim (SPÖ) äußerte sich ebenfalls ablehnend zum FPÖ-Antrag. Es brauche mehr als bloß eine Umbenennung, man müsse am Berufsbild arbeiten, sagte sie.

SPÖ: Dramatische Unterdotierung der Gerichtsmedizin in Österreich

Vertagt wurde ein Entschließungsantrag der SPÖ, in dem die Fraktion eine dramatische Unterdotierung der Gerichtsmedizin in Österreich ortet und fordert, hier wesentlich mehr Budgetmittel als bisher zur Verfügung zu stellen (1639/A(E)). Damit sollte der SPÖ zufolge auch das Berufsbild der GerichtsmedizinerInnen deutlich aufgewertet und die Ausbildung den Erfordernissen der Zeit angepasst werden. Darüber hinaus werde die Ursache von bis zu 30% der Todesfälle nicht sachkundig aufgeklärt, mehr als 20 Morde pro Jahr bleiben demnach angeblich unentdeckt.

SPÖ: Verfahren zur Ernennung der StaatsanwältInnen an jenes der RichterInnen anpassen

Außerdem will die SPÖ das Verfahren zur Ernennung der StaatsanwältInnen an jenes der RichterInnen anpassen (2037/A(E)), Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. Die SozialdemokratInnen orten "seit Monaten andauernde Angriffe der ÖVP" auf die unabhängige Justiz, insbesondere auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, aber auch gegen einzelne StaatsanwältInnen, was eine massive Gefährdung für die Demokratie und den Rechtsstaat darstelle. Im Ernennungsverfahren sei daher insbesondere die Zusammensetzung der Personalkommissionen so zu gestalten, dass ihnen mehrheitlich von der Berufsgruppe gewählte bzw. entsendete Mitglieder angehören, brachte Selma Yildirim (SPÖ) vor. Christian Stocker (ÖVP) hob ähnlich wie Johannes Margreiter (NEOS) die Unterschiede zwischen Richterschaft und Staatsanwaltschaft etwa in Struktur und Organisation hervor. Stocker stellte den Antrag auf Vertagung. Mit der Thematik müsse man sich differenziert auseinandersetzen, betonte auch Agnes Sirkka Prammer (Grüne).

NEOS für Ablaufshemmung von Betretungs- und Annäherungsverboten und für staatlichen Unterhaltsvorschuss

Auch für zwei Anträge der NEOS heißt es nach einer Vertagung mit den Stimmen von ÖVP und Grünen im Ausschuss "bitte warten", wiewohl die Bundesregierung die Themen sehr ernst nehme und bereits Schritte setze, wie die Koalitionsparteien argumentierten. Um einen lückenlosen und durchgehenden Schutz für Betroffene gewährleisten zu können, fordern die NEOS, dass ein Annäherungs- und Betretungsverbot für GewalttäterInnen nicht bereits längstens nach vier Wochen nach seiner Anordnung, sondern erst nach vier Wochen ab Beantragung einer einstweiligen Verfügung bei Gericht enden soll (1800/A(E)). Oft bleibe den Gerichten nur noch zwei Wochen, um darüber zu entscheiden, bevor das Betretungs- und Annäherungsverbot endet, so der Antrag. Entscheidet das Bezirksgericht nicht innerhalb der zwei Wochen, entstehe zwischen Auslaufen des Betretungs- und Annäherungsverbots und dem Erlassen einer einstweiligen Verfügung ein Zeitraum, in dem die Betroffenen weder vom Betretungs- und Annäherungsverbot noch durch eine einstweilige Verfügung geschützt werden.

Um die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen zu stärken und ihnen im Falle von Gewaltsituationen mehr Handlungsspielraum einzuräumen, fordern die NEOS außerdem, das Unterhaltsvorschussgesetz dahingehend zu erweitern, dass auch für den durch vollstreckbare Exekutionstitel festgestellten Unterhalt von EhegattInnen/Eingetragenen PartnerInnen bzw. von Ex-EhegattInnen/Ex-Eingetragenen PartnerInnen seitens des Bundes Unterhaltsvorschüsse gewährt werden können (1725/A(E)). (Schluss Justizausschuss) kar/mbu