Parlamentskorrespondenz Nr. 1466 vom 15.12.2021

Nationalrat mit besorgtem Blick nach Äthiopien, Nicaragua und Syrien

Entschließungen unter anderem auch gegen ein Verbotsverfahren gegen die türkische HDP

Wien (PK) – Zur Außenpolitik fasste der Nationalrat in seiner heutigen Sitzung mehrere teils mehrheitliche, teils einstimmige Entschließungen. Betreffend Äthiopien wird Außenminister Alexander Schallenberg unter anderem ersucht, sich weiterhin für eine Einstellung der Kampfhandlungen in der Region einzusetzen. In Syrien gelte es, sich dafür einzusetzen, dass derzeitige und künftige humanitäre Hilfslieferungen der Zivilbevölkerung in allen Teilen des Landes zugutekommen. Außerdem drängen die Abgeordneten auf mehr Einsatz des Außenministers gegen politische Repressionen in Nicaragua.

Darüber hinaus sprachen sich die Parlamentsfraktionen gemeinsam gegen ein Verbotsverfahren gegen die türkische HDP aus.

In einer Entschließung von ÖVP, Grünen und SPÖ wird der Außenminister ersucht, im Rahmen der OEZA und humanitären Hilfe weiterhin Projekte zur Stärkung von Frauenrechten zu fördern, insbesondere im Hinblick auf Gewalt an Frauen.

Ein in der Sitzung eingebrachter Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen erhielt einhellige Zustimmung. Seit mehreren Wochen haben demnach die Spannungen an der ukrainisch-russischen Grenze aufgrund des erneuten Zusammenziehens einer hohen Anzahl russischer Truppen ein bedenkliches Maß erreicht. An den Außenminister wird unter anderem appelliert, sich bilateral und gemeinsam im Verband der EU-Mitgliedstaaten bestimmt und nachdrücklich um eine rasche und nachhaltige Deeskalation zu bemühen und sich weiterhin für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine einzusetzen.

Zwei in der Sitzung eingebrachte Entschließungsanträge der SPÖ für eine transparente Vergabe von Impfstoffspenden sowie zur Stärkung einer internationalen Impfstoffsolidarität blieben in der Minderheit.

Der Außen- und Europapolitische Bericht 2020, wonach Österreichs Außenpolitik vor zahlreichen globalen Herausforderungen steht, wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und Australien soll den Rahmen für eine verstärkte Partnerschaft, ein neues Klima und den weiteren Ausbau der Handels- und Investitionsströme schaffen und fand die Zustimmung aller Fraktionen.

Außenpolitik-Debatte über Krisenherde

Die vorliegenden Anträge in der heutigen Sitzung würden insgesamt aufzeigen, dass die Krisenherde zugenommen haben, so Reinhold Lopatka (ÖVP). Umso wichtiger sei es, sie mit möglichst großer Übereinstimmung zu beschließen. Gudrun Kugler (ÖVP) meinte unter anderem zur Situation in Nicaragua, dass gemeinsam mit der Europäischen Union mit Sanktionen vorgegangen werde.

Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) brachte den Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen zur Lage an der ukrainischen Grenze zu Russland ein. Auch an der Grenze zwischen Polen und Belarus gebe es nach wie vor keine Entspannung, etwa im Hinblick auf die humanitäre Situation vor Ort, warf Ernst-Dziedzic auf.

Jörg Leichtfried (SPÖ) schloss sich dem an, dass das Wort "gemeinsam" immer wichtiger werde. An den Außenminister appellierte er unter anderem, für ein vereintes solidarisches Europa einzutreten. Laut Entschließungsantrag für die transparente Vergabe von Impfstoffspenden, den Petra Bayr (SPÖ) einbrachte, sollte die Entscheidung für die Auswahl des jeweiligen Empfängerlandes und die Anzahl der Dosen unter anderem in einem Ministerratsvortrag begründet und im Ministerrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Außerdem brachte Bayr den Entschließungsantrag für einen weltweit fairen, transparenten und leistbaren Zugang zu COVID-19-Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostik ein. Generell gelte es aus der Sicht der SPÖ, einen Fokus auf ein Wirtschaftssystem zu legen, das allen Menschen und nicht nur wenigen diene.

Angesichts der verwendeten Steuergelder für Entwicklungszusammenarbeit sehe er ein "Totalversagen" in Äthiopien oder Afghanistan, so Axel Kassegger (FPÖ). Eine massive Aufstockung der Mittel aus Steuergeldern halte er in Zeiten der steigenden Preise für nicht angebracht. Zur Migrationsthematik seien aus seiner Sicht die Rücknahmeabkommen höchstwahrscheinlich "das Papier nicht wert", auf dem sie geschrieben seien, kündigte er eine entsprechende Anfrage an den Außenminister an.

Helmut Brandstätter (NEOS) appellierte unter anderem an den Außenminister, wenn im Hinblick auf Russland ein Stück weit Europa geschützt werden soll, müssten deutliche Aktionen gesetzt werden, etwa im Zusammenhang mit der Gasleitung Nord Stream 2. Es gelte, gemeinsam als EuropäerInnen stark aufzutreten.

Auch für Außenminister Alexander Schallenberg ist es eine gemeinsame Aufgabe, mit allen Mitteln eine Eskalation an der ukrainischen Grenze zu Russland zu vermeiden. Er ziehe aber auch rote Linien, etwa, was Nord Stream 2 betrifft. Angesichts der Fülle an Herausforderungen brauche es eine starke Außen- und Europapolitik "mit Profil und Kanten", die nicht scheue, auch nationale Interessen nach außen zu vertreten, mit deutlicher proeuropäischer Ausrichtung.

Was Äthiopien betrifft, sei das Ziel ein möglichst umgehender Waffenstillstand sowie Hilfe vor Ort, führte Schallenberg aus. Auch in Syrien werde versucht, konkret vor Ort zu helfen. In Nicaragua sei ein Regime zu beobachten, das sich gerade von allen demokratischen Standards verabschiede. Hier gelte es, klar Position zu beziehen.

Aus Sicht des Außenministers sind aktives Engagement in der Europäischen Union sowie vertrauensvolle Nachbarschaftsbeziehungen angesichts der Herausforderungen "die Asse im Ärmel", wie er es bezeichnete.

Einstellung der Kampfhandlungen in Äthiopien

Sowohl die Regierungsfraktionen als auch die SPÖ zeigen sich besorgt über die Entwicklungen in Äthiopien mit der Entschließung, auf die sich ÖVP und Grüne im Ausschuss mit den SozialdemokratInnen verständigt hatten. Seit vergangenem November tobt in der Region ein Bürgerkrieg, der eine massive Hungerkrise, Elend und Menschenrechtsverletzungen, Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen sowie Massaker und Vergewaltigungen zur Folge hat, zeigen die Fraktionen auf. Der Außenminister wird daher ersucht, sich unter anderem auf bilateraler Ebene und im Verbund mit den EU-Partnern weiterhin für eine sofortige Deeskalation und Einstellung der Kampfhandlungen in der Region Tigray, die Einhaltung des Völkerrechts, den Schutz der Zivilbevölkerung sowie für eine unabhängige Aufklärung von Vorwürfen von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechtsverletzungen einzusetzen.

Humanitäre Versorgungslage im Nordosten Syriens

In einem Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen wird der Außenminister ersucht, sich im Fall von Syrien dafür einzusetzen, dass derzeitige und künftige humanitäre Hilfslieferungen der Zivilbevölkerung in allen Teilen des Landes zugutekommen – insbesondere jenen Menschen, die aufgrund wiederholter türkischer Militäroperationen im Nordosten Syriens vertrieben wurden. Laut Berichten der Vereinten Nationen sei insbesondere der Nordosten Syriens verstärkt von Unterbrechungen der humanitären Hilfslieferungen betroffen.

Mehr Einsatz gegen politische Repressionen in Nicaragua

In einem einstimmig beschlossenen Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen verurteilen die Parlamentsfraktionen das repressive Vorgehen der nicaraguanischen Behörden gegen politische GegnerInnen der sandinistischen Regierung unter Präsident José Daniel Ortega Saavedra. Die Abgeordneten fordern auf bilateraler Ebene und im Verbund mit den EU-Partnern eine Verurteilung der politischen Repressionen gegen oppositionelle Kräfte. Der Außenminister soll sich für die Beachtung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundprinzipien sowie die Einhaltung der Menschenrechte in Nicaragua einsetzen. Weiters wird die Prüfung allfälliger Ausweitungen des bestehenden Sanktionsregimes der EU auf weitere für Menschenrechtsverletzungen und Repressionen verantwortliche Personen gefordert.

Verbotsverfahren gegen türkische HDP

Die Parlamentsfraktionen sprechen sich außerdem gemeinsam gegen ein Verbotsverfahren gegen die türkische HDP aus. Die Basis dafür bildet ein Entschließungsantrag der SPÖ, der im Außenpolitischen Ausschuss zusammen mit den Koalitionsfraktionen abgeändert wurde. Der Außenminister wird demnach ersucht, weiterhin zu den Rückschritten im Bereich der politischen Rechte und demokratischen Grundfreiheiten in der Türkei klar Position zu beziehen und sich für deren Einhaltung einzusetzen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen die HDP, und wie bisher sowohl auf bilateraler als auch auf europäischer Ebene für den Schutz von pluralistischen und demokratischen Strukturen in der Türkei einzutreten.

Stärkung von Frauenrechten und Gewaltprävention in der OEZA

In einer von ÖVP, Grünen und SPÖ im Außenpolitischen Ausschuss eingebrachten Entschließung wird der Außenminister ersucht, im Rahmen der OEZA und humanitären Hilfe weiterhin Projekte zur Stärkung von Frauenrechten zu fördern, die insbesondere eine verbesserte Reaktion auf und Prävention von Gewalt an Frauen gewährleisten. Auch dieser Forderung war eine Initiative der SPÖ vorausgegangen, die jedoch keine Mehrheit gefunden hatte. Die SozialdemokratInnen sprechen sich darin für die Aufnahme von Präventionsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Behandlung von HIV/Aids in Projekte der OEZA aus.

Österreichs Außenpolitik vor zahlreichen globalen Herausforderungen

Österreich und die Welt stünden vor einer Vielzahl an Herausforderungen, die weit über COVID-19 hinausreichen, heißt es im Außen- und Europapolitischen Bericht 2020. Neben der Bewältigung der Pandemie wird etwa der islamistische Terror oder die aufflammende Rechtsstaatlichkeitsdebatte in der EU genannt. Darüber hinaus sei Europa "von einem Ring aus Feuer umgeben", konstatiert das Außenressort angesichts von Konflikten und Krisenherden wie etwa in Belarus, in Berg-Karabach, in Syrien oder im Libanon. Hinzu komme, dass die globalen Herausforderungen wie der Klimawandel, der Umgang mit neuen Technologien, die Abrüstung, die Migration, der Kampf gegen den Terrorismus und Extremismus bis hin zu den geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China nicht nachgelassen hätten. Geopolitische Spannungen würden zudem stärker als zuvor auch im Cyberraum ihren Niederschlag finden.

Rahmenabkommen zwischen der EU und Australien

Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und Australien soll den Rahmen für eine verstärkte Partnerschaft, ein neues Klima und den weiteren Ausbau der Handels- und Investitionsströme schaffen. Konkret wird durch das Vertragswerk der Umfang der Zusammenarbeit in außen- und sicherheitspolitischen Fragen einschließlich Massenvernichtungswaffen, Kleinwaffen und leichte Waffen oder Terrorismusbekämpfung sowie die Förderung von Frieden und Sicherheit auf der Welt erweitert. Zudem eröffnet das Abkommen Kooperationsmöglichkeiten für erleichterte bilaterale Handels- und Investitionsströme sowie den Abbau technischer Handelshemmnisse. Das Abkommen passierte den Nationalrat einstimmig. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

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