Parlamentskorrespondenz Nr. 1506 vom 22.12.2021

Bundesrat: Rechtskonforme Lösung für die Beugehaft passiert die Länderkammer

Weiters Debatte über mehr Fairness für ProduzentInnen entlang der Lebensmittelkette und Fortführung der betrieblichen Testungen

Wien (PK) – Wirtschaftliche Themen dominierten den weiteren Verlauf der heutigen Bundesratssitzung, bei der zunächst über die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Stärkung der Verhandlungsposition von landwirtschaftlichen und gewerbliche ProduzentInnen sowie die Verlängerung der Förderung der betrieblichen Corona-Testungen bis Ende März 2022 zur Debatte standen. Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung soll mehr Fairness entlang der Lebensmittelkette schaffen, wobei vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen vor zu viel Marktmacht durch die großen Konzerne geschützt werden sollen, erläuterte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. Kritik kam dazu vor allem von Seiten der SPÖ, weil Österreich im Gegensatz zur EU-Vorgabe eine viel zu hohe Umsatzgrenze, nämlich 1 Milliarde Euro, gewählt habe.

Klargestellt wird mit einem weiteren Beschluss, dass grenzüberschreitende Umsatzsteuermeldungen im EU-One-Stop-Shop auch von den Berufsgruppen BilanzbuchhalterIn und BuchhalterIn vorgenommen werden dürfen, ohne sich wie bisher in jedem Mitgliedsstaat einzeln dafür registrieren zu müssen.

Ebenfalls auf der Tagesordnung stand eine Regierungsvorlage, die eine auf ein VfGH-Urteil zurückgehende Reparatur des Rechtsinstruments der Beugehaft zum Inhalt hat. Durch die Novellierung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes soll gewährleistet werden, dass die Beugehaft maximal nur mehr für ein Jahr zulässig ist und dass der Rechtsschutz ausgebaut wird. Die Diskussion darüber wurde vom freiheitlichen Redner Johannes Hübner (FPÖ/W) erneut zum Anlass genommen, um davor zu warnen, dass die Beugehaft in Hinkunft auch bei impfunwilligen Personen eingesetzt werden könnte. Diesem Argument trat Verfassungsministerin Karoline Edtstadler abermals mit Nachdruck entgegen. Im Entwurf zum Impfpflichtgesetz sei nämlich dezidiert ausgeschlossen, dass eine Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt werden könne. Zudem werde in den Erläuterungen klargestellt, dass keine Beugehaft verhängt werden könne, um die allgemeine Impfpflicht durchzusetzen. Ein von der FPÖ eingebrachter Entschließungsantrag betreffend "Keine Zwang- und Beugehaft für Ungeimpfte" wurde abgelehnt.

Alle zur Debatte stehenden Beschlüsse des Nationalrats wurden von der Länderkammer mehrheitlich mitgetragen. Nach Auffassung der SPÖ soll die Bundesregierung ab sofort als gemeinsames Ziel eine Durchimpfungsrate von 90% ausrufen. Wenn dieser Wert erreicht sei, soll jeder Bürger bzw. jede Bürgerin, die den 3. Stich (Boosterimpfung) bekommen hat, einen bei allen österreichischen Betrieben einlösbaren Gutschein in der Höhe von 500 € erhalten ("rot-weiß-roter Impfscheck"). Der diesbezügliche Entschließungsantrag blieb bei der Abstimmung in der Minderheit.

ÖVP und Grüne begrüßen Fortführung der betrieblichen Corona-Testungen sowie Stärkung der Nahversorgung

Da es angesichts der neuen Omikron-Variante nicht nur eine umfassende Impfstrategie, sondern auch eine möglichst niederschwellige Teststrategie brauche, hielt es Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP/V) für sehr wichtig, dass die schon bisher gut funktionierenden betrieblichen Corona-Testungen bis Ende März 2022 verlängert werden. Außerdem komme es zu einer Erweiterung des Angebots, da durch die vorliegende Regelung nun auch PCR-Gurgel-Tests abgedeckt seien. Weil damit ein höherer Aufwand verbunden sei, erhalten die Firmen 15 € pro Test, informierte sie.

Positiv bewertete Schwarz-Fuchs das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung, das einen wichtigen Beitrag zu mehr Fairness im Wettbewerb leiste. Sie erwarte sich, dass durch die klaren Regelungen entlang der Versorgungskette die landwirtschaftlichen und gewerblichen ProduzentInnen in ihrer Verhandlungsposition gestärkt werden. So seien etwa keine einseitigen Änderungen der Lieferbedingungen mehr möglich, auch kurzfristige Stornierungen können nicht mehr vorkommen. Auch dürfe niemand zu einem Exklusivvertrag gezwungen werden. Durch die im Landwirtschaftsressort angesiedelte weisungsfreie Ombudsstelle werde die Einhaltung der gebotenen Fairness-Prinzipien gewährleistet. Was die Höhe der Umsatzschwelle anbelangt, so wollte man eine Benachteiligung gegenüber Deutschland verhindern, erläuterte Schwarz-Fuchs.

Durch die Umsetzung der angesprochenen EU-Richtlinie werden unlautere Handelspraktiken verboten, hob Bundesrat Andreas Lackner (Grüne/St) hervor. Vor allem soll die Verhandlungsmacht der Lieferanten, die oft kleine und mittlere Betriebe sind, gestärkt werden. Damit soll unterbunden werden, dass mächtige Player die Konditionen zum Nachteil schwächerer Geschäftspartner bestimmen können. Statt nur den Preis im Fokus zu haben, soll zudem auf die langfristigen Auswirkungen sowie auf Qualität, Innovation und Vielfalt abgestellt werden. Überdies werde die Direktvermarktung von agrarischen Produkten durch die BäuerInnen abgesichert. Eine zentrale Funktion habe dabei auch die neue Beschwerdestelle, wo die Anliegen anonym und vertraulich eingebracht werden können. Erfreut zeigte sich Lackner darüber, dass durch den Einsatz der Grünen einige Forderungen der IG-Milch in das Gesetz aufgenommen werden konnten.

SPÖ kritisiert Umsatzgrenze, FPÖ fordert "Booster" für die heimische Wirtschaft und die bäuerlichen Betriebe

Ihre Fraktion werde dem Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen nicht die Zustimmung erteilen, kündigte Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ/N) an. Die Umsetzung auf nationaler Ebene widerspreche nämlich dem in der EU-Richtlinie angeführten Grundgedanken, kleinere regionale Betriebe besser schützen zu wollen, zumal davon auch Großbetriebe mit einem Jahresumsatz von bis zu 1 Milliarde € umfasst seien. Die EU empfehle hingegen eine Umsatzschwelle von nur 350 Mio. €, gab die Rednerin zu bedenken. Außerdem fehle ihr das Verständnis dafür, warum im Landwirtschaftsministerium nun eine neue Behörde etabliert werden müsse, wo es doch eine gut funktionierende Wettbewerbsbehörde gebe. Kritisch beurteilte Kahofer auch, dass die Arbeiterkammer im Gegensatz zur Landwirtschafts- oder Wirtschaftskammer keine Amtsstellung bekomme. Gegen die beiden anderen Tagesordnungspunkte, also die Fortführung der betrieblichen Testungen bis 31. März 2022 sowie die Einbeziehung neuer Berufsgruppen bei der Abwicklung grenzüberschreitender Umsatzsteuermeldungen, werde die SPÖ keinen Einspruch erheben.

Gerade die Corona-Krise habe gezeigt, welch wichtige Bedeutung die Direktvermarkter oder Hofläden für die Menschen haben, führte Bundesrat Josef Ofner (FPÖ/K) ins Treffen. Damit ihre Position aber nachhaltig gestärkt werde, brauche es seiner Meinung nach noch weitere Änderungen in der Gewerbeordnung. Besonders bedauerlich sei, dass die heimischen LandwirtInnen, die Produkte in höchster Qualität erzeugen, oft nur einen "Hungerlohn" dafür bekommen. Im Gegensatz dazu würden die großen Konzerne und die Online-Riesen ihre Gewinne ständig steigern. Dafür verantwortlich sei seiner Meinung nach vor allem die ÖVP, die seit Jahrzehnten das Landwirtschafts- und das Wirtschaftsressort inne haben.

Schramböck spricht von einem wichtigen Schritt zur Stärkung der kleinen und mittleren Betriebe

Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung soll mehr Fairness entlang der Lebensmittelkette schaffen, wobei vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen vor zu viel Marktmacht der großen Konzerne geschützt werden sollen, konstatierte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. Wenn es weiter zu Ungerechtigkeiten kommen sollte, dann könnten diese ganz unbürokratisch bei der neuen Anlaufstelle im Ministerium aufgezeigt werden. Zum Thema betriebliches Testen stellte die Ministerin zufrieden fest, dass die Unternehmen diese Maßnahme intensiv genutzt haben. Da es nunmehr zusätzlich möglich sein werde, die PCR-Tests auch außerhalb der Betriebe durchzuführen, erwarte sie sich eine weitere deutliche Steigerung der Inanspruchnahme dieses Instruments. Durch die Erhöhung des Aufwandersatzes auf 15 € pro Test werden die anfallenden Kosten abgedeckt. (Fortsetzung Bundesrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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