Parlamentskorrespondenz Nr. 144 vom 17.02.2022

Gesundheitsausschuss diskutiert über Fragen der medizinischen Versorgung, Pflege und Ausbau der psychosozialen Betreuung

Zahlreiche Anträge der Opposition vertagt, FPÖ-Vorstoß zur Verankerung der Komplementärmedizin abgelehnt

Wien (PK) — Anhand von Anträgen der Opposition diskutierte der Gesundheitsausschuss heute über das Thema der Gesundheitsversorgung durch niedergelassene ÄrztInnen und Fachärzte, zur Verbesserung der Situation der Pflege, der psychologischen Betreuung von Kindern und Jugendlichen sowie der Gesundheitsvorsorge für SchülerInnen.

Die FPÖ hat eine Reihe von Anträgen zur ärztlichen Betreuung formuliert, die von ÖVP und Grünen vertagt wurden. Die FPÖ-Forderungen betreffen die Unterstützung von niedergelassenen ÄrztInnen, der Sicherung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum und die Schaffung einer Facharztausbildung für Kieferorthopädie. Der Vorstoß der FPÖ, im Medizinstudium auch die Komplementärmedizin zu verankern, wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt.

Die FPÖ und die SPÖ fordern weitere Schritte im Pflegebereich. Die Freiheitlichen treten für eine Genossenschaft für Pflegepersonal, eine bessere Absicherung pflegender Angehöriger durch das Pflegegeld sowie für die österreichweite Umsetzung des von der FPÖ Kärnten unterstützten Pflegemodells ein. Die SozialdemokratInnen fordern ein Maßnahmenpaket zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung sowie die Verbesserung der Situation von Pflegekräften in der Ausbildung und im Arbeitsumfeld. Alle Anträge zur Pflege wurden von den Koalitionsparteien vertagt.

Sowohl SPÖ als auch NEOS haben Anträge formuliert, in denen sie Maßnahmen für eine bessere psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen fordern. Auch diese Anträge wurden vertagt, wobei die Koalitionsfraktionen und der Gesundheitsminister betonten, dass bereits morgen ein Maßnahmenpaket zur Bewältigung der psychosozialen Folgen der COVID-19-Krise bei Kindern und Jugendlichen vorgestellt werde. In die Warteschleife geschickt wurden auch drei Anträge der NEOS, die bei präventiven Gesundheitsmaßnahmen in den Schulen ansetzen wollen. Sie fordern eine integrierte Gesundheits- und Sozialversorgung sowie ein besseres Gesundheitsmonitoring von SchülerInnen und die Einführung des Berufsbildes der "School Nurses".

FPÖ fordert Schritte zur Stärkung des niedergelassenen Bereichs

Das österreichische Gesundheitssystem sei durch die COVID-19-Maßnahmen an seine finanziellen, personellen und organisatorischen Grenzen angelangt, stellt FPÖ-Abgeordneter Gerhard Kaniak fest. Die FPÖ fordere daher unter anderem die Stärkung des niedergelassenen Bereichs (783/A(E)). Neben der Einführung eines Facharztes für Allgemeinmedizin, der Verdoppelung der Medizin-Studienplätze für ÖsterreicherInnen und der Gewährung von Lebensunterhaltsstipendien für ÄrztInnen in Ausbildung brauche es ausreichend Plätze im Rahmen von Lehrpraxen. Für wichtig erachtet die FPÖ auch, das Kassensystem attraktiver zu gestalten, um wieder mehr WahlärztInnen zurückzugewinnen. Dringenden Handlungsbedarf orten die Freiheitlichen auch bei der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum (1916/A(E)). FPÖ-Abgeordneter Kaniak kritisiert, dass viele Kassenplanstellen für FachärztInnen sowie im Bereich Allgemeinmedizin unbesetzt bleiben. Verantwortlich dafür seien die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) sowie die Ärztekammer (ÖAK), die ihrem gesetzlich vorgeschriebenen Auftrag nicht nachkommen würden, beklagen die Freiheitlichen.

Josef Hechenberger (ÖVP) hielt den Freiheitlichen entgegen, dass mehr Studienplätze nur für ÖsterreicherInnen, wie die Freiheitlichen forderten, EU-rechtlich nicht umsetzbar seien. Kassenstellen würden so rasch wie möglich besetzt und das Regierungsprogramm enthalte den Punkt der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung des ländlichen Raums.

FPÖ drängt auf Facharztausbildung für Kieferorthopädie

Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) erinnert in einem Antrag an die in der Nationalratssitzung vom 20. November 2020 mit den Stimmen aller Fraktionen gefasste Entschließung an den damaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der die Schaffung einer Facharztausbildung für Kieferorthopädie in Österreich unterstützt. Bisher seien keine Resultate zu sehen, daher fordere seine Fraktion einen entsprechenden Gesetzesentwurf bis spätestens Jahresende, sagte Kaniak (1837/A(E)). Ralph Schallmeiner (Grüne) betonte, dass ein Gesetzentwurf vor der Fertigstellung stehe.

FPÖ für Etablierung der Komplementärmedizin in Medizinstudium

Ein umfassendes Konzept zur Verankerung und Etablierung der Komplementärmedizin im österreichischen Gesundheitswesen legen die Freiheitlichen in einem weiteren Antrag vor (1838/A(E)). Die FPÖ-Abgeordneten Gerhard Kaniak und Dagmar Belakowitsch betonten im Gesundheitsausschuss die Vorteile in einer Ergänzung der konventionellen Medizin durch die Entwicklung im Bereich der Komplementärmedizin. Allerdings werde in Österreich das Bildungsangebot für ÄrztInnen eher reduziert als ausgebaut, bedauerte Ausschussobmann Kaniak (FPÖ). Die FPÖ trete für die Einrichtung des Fachgebiets "Komplementärmedizin" im Rahmen der akademischen Ausbildung an den Medizinischen Universitäten und für eine entsprechende Unterstützung und Finanzierung komplementärmedizinischer Forschung ein.

Der Vorschlag der FPÖ stieß auf Skepsis der anderen Fraktionen und wurde in der Abstimmung nur von den Abgeordneten der FPÖ unterstützt. Abgeordneter Schallmeiner (Grüne) meinte, die Verwendung von Steuergeld für Behandlungsmethoden, die nicht evidenzbasiert seien, könne er nicht befürworten. ÖVP-Abgeordneter Josef Smolle betonte, der Antrag zeige eine fragwürdige Verwendung der Begriffe "Komplementärmedizin" und "gesamtheitlicher Ansatz der Medizin". Selbstverständlich müsse man allen Behandlungsmethoden offen gegenüberstehen, deren Wirkung nachweislich über einen Placebo-Effekt hinausgeht. Die derzeitige Regelung der Aus- und Fortbildung halte er für sinnvoll. Auch Fiona Fiedler (NEOS) und Alois Stöger (SPÖ) schlossen sich diesem Standpunkt an und lehnten den FPÖ-Antrag ab.

FPÖ spricht sich für Absicherung pflegender Angehöriger aus

Die Freiheitlichen fordern als Teil der Pflegereform die bessere Unterstützung der häuslichen Pflege. Dazu würde aus ihrer Sicht eine Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung beitragen, sagte FPÖ-Abgeordnete Rosa Ecker im Gesundheitsausschuss. Eine derartige Genossenschaft könnte PflegerInnen und BetreuerInnen beschäftigen und den Pflegebedürftigen zur Verfügung stellen und damit auch die Betroffenen bzw. ihre Angehörigen von administrativen Pflichten wie Anmeldung und Lohnabrechnung befreien (1828/A(E)).

Die Hauptproblematik im Pflegebereich liegt laut Ecker im Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal, während pflegenden Angehörigen eine Armutsfalle drohe. Das Pflegemodell der FPÖ sehe daher vor, dass Personen, die daheim betreut und gepflegt werden, um 50% mehr Pflegegeld ab der Stufe 3 erhalten, sagte die FPÖ-Abgeordnete. Neben einer Valorisierung des Pflegegelds müsse auch der Pflegegeldzuschlag für Menschen, die an Demenz erkrankt sind, von 25 auf 30 Stunden erhöht werden, wenn die Betroffenen zu Hause gepflegt werden (1525/A(E)). Ecker wies außerdem auf das 2021 am Kärntner Landesparteitag der FPÖ beschlossene "Kärntner Pflegemodell" hin. Diese könne Vorbild für ganz Österreich sein, weil es den stationären Sektor deutlich entlasten würde. Als Eckpunkte des Modells nannte sie die Einführung eines sogenannten Pflegeschecks in der sozialen Absicherung der pflegenden Angehörigen, der steuerlichen Entlastung von Pflegeberufen sowie in der Etablierung neuer Ausbildungsmodelle, etwa eine Pflege-Lehre (1934/A(E)).

Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) sagte, die Pflegereform werde eines der zentralen Themen nach der Pandemie sein. Einiges sei bereits umgesetzt worden, aber selbstverständlich sei sie aufgeschlossen für alle Ansätze, die sinnvoll seien, um pflegende Angehörige zu unterstützen und zu entlasten. Bedrana Ribo (Grüne) betonte, aus Sicht ihrer Fraktion müsse der Fokus auf der professionellen Pflege liegen. Der Zugang der FPÖ zeige aus ihrer Sicht die Tendenz, die Pflegearbeit vor allem den Angehörigen aufzubürden, was nicht der richtige Weg sei.

SPÖ will Maßnahmenpaket zur Sicherung der Pflege

Handlungsbedarf in Sachen Pflegereform sehen auch die SozialdemokratInnen. Mit zwei Entschließungsanträgen legt die SPÖ einen umfassenden Maßnahmenkatalog vor, der neben der Forderung nach einem bundesweit einheitlichen Pflegesystem auch auf die Einrichtung eines sogenannten Pflegegarantiefonds drängt. Mit einer "Pflegemilliarde" könnten Pflegeleistungen zukünftig kostenlos zur Verfügung gestellt werden (1978/A(E)). Weiters will die SPÖ bei der Personalfrage ansetzen und fordert mehr Ausbildungsplätze, eine faire Bezahlung, langfristig lebbare Arbeitszeitmodelle und Maßnahmen wie ein Fachkräftestipendium und die Ermöglichung der Schwerarbeitspension für Pflegekräfte (1930/A(E)).

Der Mitarbeitermangel im Pflegebereich sei bereits dramatisch, sagte SPÖ-Abgeordneter Christian Drobits. Trotz vieler Ankündigungen habe die Bundesregierung die versprochene Pflegereform noch immer nicht auf den Weg gebracht. Den Betroffenen sei es nicht mehr zumutbar, immer nur "Bitte warten" zu hören. In dieselbe Kerbe schlug auch FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. Wenn der Gesundheitsminister keine umfassende Pflegereform zustande bringe, so solle er zumindest Teilbereiche angehen. Auch Fiona Fiedler (NEOS) kritisierte die Bundesregierung, sie betone zwar stets, dass ihr die Pflegereform ein Anliegen sei, lege aber keine Ergebnisse vor.

Bedrana Ribo (Grüne) betonte, dass die Pflegereform viele Fragen der Kompetenzen von Bund, Ländern und Gemeinden berühre und daher ein sehr komplexes Vorhaben sei. Aufgrund der zentralen Rolle der Länder im Gesundheitsbereich könnte aber die SPÖ in den Ländern, in denen sie Regierungsverantwortung habe, einen wesentlichen Beitrag leisten, meinte die Abgeordnete der Grünen.

SPÖ und NEOS: Psychosoziale Unterstützung für Kinder und Jugendliche

SPÖ-Mandatar Alois Stöger unterstützte den Aktionsplan seiner Fraktionskollegen Mario Lindner und Philip Kucher, die eine umfassende Sicherstellung der psychosozialen Versorgung junger Menschen in Österreich fordern (2213/A(E)). Die Corona-Pandemie bringe eine massive psychosoziale Belastung für Kinder und Jugendliche, umso dringlicher sei eine integrierte, flächendeckende psychosoziale Versorgung für alle Menschen in Österreich, meinte Stöger. Dazu brauche es auch ein umfassendes Investitionspaket.

Auch die NEOS weisen auf die in ihrer Sicht kritische Situation in Kinder- und Jugendpsychiatrien hin. Fiona Fiedler forderte Sofortmaßnahmen zum Schutz der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und ausreichend Therapie- und Betreuungsplätzen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (1420/A(E)).

Ralph Schallmeiner (Grüne) unterstrich, dass vorerst 13 Mio. € für den Ausbau der psychosozialen Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen und morgen das Programm dazu vorgestellt werden soll. Elisabeth Scheucher-Pichler bekräftigte, dass die Koalition an einer umfassenden Neuordnung der Versorgung und einem Gesamtkonzept für die klinisch-psychologische, gesundheitspsychologische und psychotherapeutische Betreuung und Behandlung arbeite.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein betonte, die Bewältigung der psychosozialen Folgen der COVID-19-Krise bei Kindern und Jugendlichen sei ihm ein großes Anliegen. Zusätzliche Mittel sollen daher laut dem Gesundheitsminister in den Ausbau der niederschwelligen Versorgung fließen. Bis zum Ende der Legislaturperiode wolle die Bundesregierung die psychotherapeutische Vollversorgung garantieren. Eine Ausbildungsoffensive sei bereits im Laufen.

NEOS fordern mehr Gesundheits- und Sozialversorgung an Schulen

Da Kinder so viel Zeit in der Schule verbringen, sei aus Sicht der NEOS generell eine integrierte Betreuung durch Lehrpersonal sowie VertreterInnen von Sozial- und Gesundheitsberufen erforderlich, sagte NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler (1724/A(E)). Der Gesundheitsminister soll die bestehenden Pläne zur Aufwertung und Kompetenzerweiterung von SchulärztInnen noch weiter ausbauen und unverzüglich ein Konzept zur integrierten Versorgung unter Berücksichtigung von "School Nurses", SchulpsychologInnen und SozialarbeiterInnen vorlegen, geht es nach der Oppositionsfraktion.

Die Corona-Krise hat nach Ansicht der NEOS zu einem neuen Bewusstsein bezüglich der Relevanz von Daten geführt. Um das österreichische Gesundheitssystem effizienter zu steuern, sollten die Daten besser genutzt werden, meinte Fiedler. Das gelte auch für Daten aus dem Schulbereich, die über eine Änderung der Schulärzte-Verordnung 2019 verfügbar gemacht werden sollten (1721/A(E)).

In einem weiteren Entschließungsantrag setzen sich NEOS für die Etablierung von sogenannten "School Nurses" ein, die die Arbeit von SchulärztInnen ergänzen und auch das Lehrpersonal entlasten würden (1722/A(E)). Sinnvoll wäre der Einsatz bei der Erste-Hilfe-Versorgung, der Unterstützung von SchülerInnen mit chronischen Erkrankungen oder von Kindern mit Behinderung und bei der Gesundheitsbildung von schulpflichtigen Kindern, argumentierte Fiedler. Werner Saxinger (ÖVP) und Ralph Schallmeiner (Grüne) sahen in den Anträgen zwar gute Ansätze, sprachen sich aber für eine Vertagung aus, da es unter anderem Kompetenzfragen zu lösen gebe. Schallmeiner wies darauf hin, dass ein Pilotprojekt zu "School Nurses" bereits im Laufen sei. (Schluss Gesundheitsausschuss) sox