Parlamentskorrespondenz Nr. 596 vom 02.06.2022

Unterrichtsausschuss: Debatte über Maßnahmen für Schulen und Kindergärten

ÖVP und Grüne vertagen Oppositionsanträge und Beratungen über Bürgerinitiative

Wien (PK) – Eine Reihe von Oppositionsanträgen, vorwiegend zu Maßnahmen für Volksschulen und Kindergärten, wurden heute im Unterrichtsausschuss mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt. Aufgeschoben wurden auch die Beratungen über eine Bürgerinitiative, die für Abschaffung der Deutschförderklassen eintritt. ÖVP und Grüne kündigten dazu einen umfassenden Reformvorschlag zur Deutschförderung für den kommenden Herbst an.

Bürgerinitiative für Abschaffung der Deutschförderklassen

Für die Abschaffung der Mitte 2018 beschlossenen Deutschförderklassen und der dazugehörigen Kompetenztests (MIKA-D-Test) setzt sich eine Bürgerinitiative ein, da beide Instrumente die Bildungsschere weiter vorantreiben würden (33/BI). Die Aneignung der deutschen Sprache sei für den Bildungserfolg maßgeblich entscheidend, aber der Schlüssel dafür könne nicht in der Schaffung von Parallelstrukturen sowie der Ausgrenzung mehrsprachiger Kinder aus der Regelklasse liegen, argumentierte Nurten Yılmaz (SPÖ) im Ausschuss ebenso wie die Einbringer:innen der Bürgerinitiative. Während sich auch Yannick Shetty (NEOS) der Kritik anschloss, stellten Sibylle Hamann (Grüne) sowie Nico Marchetti (ÖVP) in diesem Zusammenhang einen umfassenden Reformvorschlag zur Deutschförderung für den kommenden Herbst in Aussicht. Dazu laufe ein Evaluierungsprozess mit vorbereitenden Workshops, deren Ergebnisse bereits verfügbar seien, so Hamann.

Deutschverpflichtung in Pausen

Zur besseren Integration von Schüler:innen aus nicht-deutschsprachigen Elternhäusern fordert die FPÖ, Deutsch als Umgangssprache auch in den Unterrichtspausen an Österreichs Schulen verpflichtend zu machen (2544/A(E)). Aus Sicht von Antragsteller Hermann Brückl (FPÖ) sei die Deutschkompetenz unter heimischen Schüler:innen vielfach nicht ausreichend, um dem Unterricht folgen zu können. Unter Berücksichtigung der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte habe der Bildungsminister daher per Verordnung sicherzustellen, dass in der Schule auch außerhalb des Unterrichts Deutsch gesprochen wird. Die Sprache ist der Schlüssel für erfülltes Leben, daher sei es wichtig, dafür Bewusstsein zu schaffen, so Brückl.

Pädagog:innen wollen nicht zur "Sprachpolizei der Nation" werden, sprach sich Nurten Yılmaz (SPÖ) gegen eine solche Maßnahme aus. Auch Mehrsprachigkeit sei ein Schatz, wandte etwa Sibylle Hamann (Grüne) diesbezüglich ein. Einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre der Schüler:innen stellt die Forderung aus Sicht von Martina Kaufmann (ÖVP) dar, was Brückl wiederum im Hinblick auf Eingriffe etwa durch Impfen für die gesamte Bevölkerung nicht nachvollziehen kann.

Förderunterricht für Berufsschüler:innen

Die Finanzierung von zusätzlichem Förderunterricht zum Ausgleich pandemiebedingter Bildungsrückstände müsse auch Berufsschüler:innen zugutekommen, fordert die SPÖ (2131/A(E)). Die international anerkannte Qualifikation österreichischer Lehrlinge dürfe nicht im Zuge der Corona-Krise bzw. damit verbundenen Maßnahmen wie Distanzunterricht leiden. Weiters sei die digitale Infrastruktur samt technischer Ausstattung an Berufsschulen zu verbessern. Während seitens der NEOS Yannick Shetty und seitens der FPÖ Hermann Brückl Unterstützung signalisierten, nannte Sibylle Hamann (Grüne) die Anliegen zwar als berechtigt, sprach aber ähnlich wie Agnes Totter (ÖVP) von bereits gesetzten Maßnahmen und Fördermöglichkeiten. Bildungsminister Martin Polaschek verwies unter anderem darauf, dass Mittel schon jetzt nicht in Anspruch genommen würden. Es mache nur dort Sinn, zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen, wo verfügbare Mittel tatsächlich auch verbraucht werden.

SPÖ fordert Schulpaket

Ein SPÖ-Antrag auf Ressourcenaufstockung (2553/A(E)) an den Schulen zielt auf ausreichende Vorbereitung der Schüler:innen auf den Schulstart im Herbst ab. Dazu brauche es ein umfassendes Schulpaket samt mehr Planstellen für qualitativ hochwertigen Unterricht, um sicherzustellen, dass Schulen trotz COVID-19 im Normalbetrieb bleiben können, forderte Petra Vorderwinkler (SPÖ) ein "pädagogisches Aufholpaket". Rückenwind für den Antrag zu einer Planungssicherheit für den Herbst kam auch von Katharina Werner (NEOS) sowie von Hermann Brückl (FPÖ). Romana Deckenbacher (ÖVP) und Sibylle Hamann (Grüne) brachten zur Vertagung unter anderem vor, dass selbstverständlich bereits Vorbereitungen für den Herbst getroffen würden.

Mehr Ressourcen für Volksschulen

Die Sozialdemokrat:innen drängen außerdem auf eine deutliche Aufstockung der Lehrressourcen an den Volksschulen (2482/A(E)). Ab dem Schuljahr 2022/2023 sollten in den ersten beiden Schulstufen in der Grundstufe I jedenfalls zwei Lehrkräfte zum Einsatz kommen, weist die SPÖ auf den erhöhten Förderbedarf von Kindern im Volksschulalter hin. Besonders beim Erwerb sprachlicher und mathematischer Fähigkeiten gebe es in diesem Zeitraum nicht wiederkehrende Entwicklungsmöglichkeiten. Angesichts der pandemiebedingten Einschränkungen der letzten Jahre und der zu erwartenden Herausforderungen durch den Schuleintritt traumatisierter ukrainischer Flüchtlingskinder in Österreich müsse den Volksschulen ausreichend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, so der Antrag. Seitens der ÖVP und den Grünen wurde dazu unter anderem auf den Engpass an Lehrkräften verwiesen, wodurch eine Forderung nach Doppelbesetzung derzeit "plakativ" und nicht zu realisieren sei.

Finanzierungsgerechtigkeit durch Chancenindex

Für eine gerechtere Finanzierung von Österreichs Schulen brauche es einen Chancenindex in der weiteren Budgetplanung, und zwar bundesweit, unterstrich Yannick Shetty (NEOS) zu einem NEOS-Antrag (2535/A(E)). Nur ein Finanzierungsmodell, das auf die sozialen Herausforderungen der Schulstandorte fokussiert, ermögliche eine bedarfsorientierte Ressourcenverteilung für eine aktive, nachhaltige Schulentwicklung. Das 100-Schulen-Projekt greife in den Augen der NEOS zu kurz.

In den Ländern werde bereits klar auf die entsprechenden Kriterien Rücksicht genommen, auch bundesweit seien mittlerweile relativ viele Maßnahmen gesetzt worden, um dem Chancenindex entgegenzukommen, meinte dazu Gertraud Salzmann seitens der ÖVP und bezeichnete das als "guten Mix". Sibylle Hamann (Grüne) wies unter anderem darauf hin, dass es bereits Aufgabe der Bildungsdirektionen sei, die Ressourcen nach Chancenindex zu verteilen.

Kostenübernahme von Gedenkstätten-Exkursionen

Bundesmittel für Schulexkursionen in die Gedenkstätte Mauthausen oder andere Gedenkstätten während der Pflichtschulzeit fordert die SPÖ angesichts der großen Wissenslücken über den Nationalsozialismus, die eine Studie unter Schüler:innen ergeben habe (2396/A(E)). Unzureichende Kenntnisse über die Gräuel des NS-Regimes würden zur Verstärkung von Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus in der Gesellschaft beitragen.

Das Ansinnen sei unterstützenswert, begründeten Nico Marchetti (ÖVP) und Eva Blimlinger (Grüne) die Vertagung jedoch unter anderem damit, dass es aus ihrer Sicht eine Einbettung der entsprechenden Schulexkursionen in den Unterricht brauche. Marchetti schlug vor, sich dazu einen gemeinsamen Antrag zu überlegen.

Umfassende kulturelle Bildung

Einen umfassenden Aktionsplan zur kulturellen Bildung vom Kindergarten bis zur Universität soll das Bildungsministerium in Kooperation mit dem Kulturministerium und interdisziplinären Expert:innen nach Meinung der SPÖ vorlegen (2483/A(E)). Gemäß dem UNESCO-Leitfaden zur Kulturbildung müssten darin Fragen der pädagogischen Kulturvermittlung, Aus- und Weiterbildung sowie der dafür notwendigen Mittel behandelt werden. Erst durch die regelmäßige Auseinandersetzung von Kindern und Jugendlichen mit Kunst und Kultur würde diesen dem Antrag zufolge eine kulturelle Bildung im Sinne ihrer kreativen Entwicklung und Teilhabe am sozialen, kulturellen Leben ermöglicht. Seitens der ÖVP wurde dazu im Zuge der Vertagung auf eine diesbezügliche Überarbeitung bzw. Durchforstung der Lehrpläne im Hinblick auf Kulturbildung hingewiesen.

FPÖ für Erste-Hilfe-Kurse im Unterricht

Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Erste Hilfe will die FPÖ mit einem Antrag (2347/A(E)) auf Einbeziehung einer Erste-Hilfe-Ausbildung in den Unterricht erreichen. Würden jungen Menschen Fähigkeiten nähergebracht, die sie dann als Erwachsene im Notfall abrufen können, gebe es mehr Bereitschaft, als Ersthelfer:in zu wirken, sind die Freiheitlichen überzeugt. Seitens der ÖVP wurde zur Vertagung dazu unter anderem auf eine Neugestaltung der Lehrpläne verwiesen, die sich bereits in Finalisierung befinde.

NEOS-Anträge zu Kindergärten und Elementarpädagogik

Zur Debatte standen schließlich mehrere Anträge zu Kindergärten und Elementarpädagogik, die bereits in Ausschusssitzungen zuvor vertagt worden waren. Ein Ziel eines NEOS-Vorstoßes dabei ist unter anderem, den Kinderbetreuungsschlüssel in der Elementarpädagogik von derzeit 1:25 auf 1:10 zu verbessern (553/A(E)). Außerdem treten die NEOS für die Verankerung einer Qualitätsindikatoren-Statistik im Bereich der Elementarpädagogik ein. (1315/A(E)). Ein weiterer Antrag (2014/A(E)) hat Maßnahmen zur Umsetzung eines Rechtsanspruchs auf Elementarbildung ab dem ersten beziehungsweise zweiten Lebensjahr im Fokus. Investiert werden muss demnach vor allem in den qualitativen und quantitativen Ausbau des Elementarbildungs- und Kinderbetreuungsangebots sowie in die Aus- und Weiterbildung der Pädagog:innen. Zwecks Attraktivierung des Berufsfelds sei nicht zuletzt die Entlohnung von Elementarpädagog:innen zu heben, weswegen der Bund seine dafür erforderlichen Zweckzuschüsse im Verhältnis zu den Kofinanzierungsanteilen der Länder neu kalkulieren solle.

Ein weiterer NEOS-Antrag (2197/A(E)) zielt unter anderem darauf ab, pro Kindergartengruppe anhand bundesweiter Standards einen Mindestpersonaleinsatz und eine Kinderhöchstzahl vorzusehen, die den pädagogischen Erfordernissen der Einrichtungen Rechnung tragen. Im Zuge der nächsten Verhandlungen zum Finanzrahmen sollten Bund und Länder sich daher auf die erforderlichen Mittel für eine schrittweise bundesweite Standardhebung einigen. Damit würde auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert. Außerdem fordern die NEOS, dass für Assistenzkräfte in Kindergärten österreichweit die gleichen Ausbildungs- und Qualifikationsanforderungen bestehen sollten (2264/A(E)). Angesichts der unterschiedlichen Ausgangsniveaus in den Bundesländern sei eine schrittweise Angleichung anzustreben, mit dem besten Ausbildungsmodell als Ziel.

Ausschussvorsitzender Peter Haubner (ÖVP) wies zusammenfassend darauf hin, dass das Thema im Zuge einer geplanten Ausschusssitzung im Juli über die neue 15a-Vereinbarung zu den Kindergärten intensiver diskutiert werden soll. (Fortsetzung Unterrichtsausschuss) mbu


Themen