Parlamentskorrespondenz Nr. 719 vom 21.06.2022

Rechnungshofberichte über Bankenabwicklung durch die FMA und das Rücklagensystem des Bundes

Opposition kritisiert die "absurd hohen" Boni der Geschäftsführer der ABBAG im Rechnungshofausschuss

Wien (PK) – Mit den Prüfberichten über die Bankenabwicklung in Österreich sowie über das Rücklagensystem des Bundes standen zwei weitere Finanzthemen auf der heutigen Agenda des Rechnungshofausschusses. Wie der geordnete Marktaustritt von Kreditinstituten in Österreich organisiert ist, prüfte der Rechnungshof im Jahr 2019. Im Zentrum stand dabei die Tätigkeit der Finanzmarktaufsichtsbehörde, die für die Umsetzung der im Zuge der Bankenunion festgelegten EU-weit einheitlichen Regelungen auf nationaler Ebene vorrangig zuständig ist. Sie hat in Abstimmung der Österreichischen Nationalbank und dem Finanzministerium die Abwicklungspläne für insgesamt 451 österreichische Kreditinstitute zu erstellen. Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker regte dabei unter anderem eine Verkürzung der Planungszyklen sowie den Aufbau einer umfassenden Expertise bei der FMA an, um kritische Tätigkeiten eigenständig erfüllen zu können. Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Bei der Diskussion über die drei österreichischen Abbauinstitute HETA, KA Finanz AG und immigon entbrannte dann eine Diskussion über die aus Sicht der Opposition "absurd hohen" Bonuszahlungen an die Geschäftsführer der ABBAG, die für die Abwicklung der HETA zuständig ist.

Einstimmig zur Kenntnis genommen wurde auch ein Bericht, in dem der Rechnungshof Vorschläge zur Reform des Rücklagensystem des Bundes macht. Finanzminister Magnus Brunner kündigte an, dass ein erster Schritt noch heuer erfolgen wird, mit dem Gesamtpaket sei nächstes Jahr zu rechnen.

Rechnungshof zeigt Optimierungsbedarf bei nationaler Umsetzung der Bankenabwicklung auf

Infolge der im September 2008 akut gewordenen Finanzkrise kam es weltweit zu Insolvenzen von bedeutenden Kreditinstituten und zu staatlichen Rettungsmaßnahmen, in Österreich etwa für die Hypo-Alpe-Adria-Bank, die Österreichische Volksbanken AG und die Kommunalkredit Austria AG. Dies führte zu hohen finanziellen Belastungen für die Steuerzahler:innen. Um den damit verbundenen Risiken besser begegnen zu können, einigte sich die EU auf die Schaffung einer Bankenunion. Es wurde unter anderem ein "Einheitlicher Abwicklungsmechanismus" etabliert, der bei einem Ausfall von Kreditinstituten deren geordneten Marktaustritt sicherstellen soll. Auf Ebene der Mitgliedstaaten agieren die nationalen Abwicklungsbehörden, wobei in Österreich der Finanzmarktaufsicht (FMA) eine zentrale Rolle zukommt, die die Abwicklungspläne erstellen muss. Für die Umsetzung des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus sind neben der FMA die Österreichische Nationalbank (OeNB) und das Bundesministerium für Finanzen relevant. Der auf EU–Ebene eingerichtete Single Resolution Board ist vor allem für Kreditinstitute zuständig, die der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank unterliegen. Dieser fällt nicht in die Prüfkompetenz des Rechnungshofes. Geprüft wurden die Jahre 2015 bis 2018; relevante Aspekte aus dem Jahr 2019 wurden ebenfalls berücksichtigt.

Die FMA–Abwicklungsbehörde überwachte außerdem den Portfolioabbau der drei österreichischen Abbauinstitute HETA, immigon und KA Finanz AG, die aus den früheren Kreditinstituten Hypo Alpe Adria, Volksbanken und Kommunalkredit hervorgegangen sind. Nur bei der HETA lag eine Abwicklung vor, wobei auf das Instrument der Gläubigerbeteiligung zurückgegriffen wurde. Für die Abbau- und Vorgängerinstitute ergriff die Republik Österreich im Zeitraum 2008 bis 2018 umfangreiche Kapital– und Haftungsmaßnahmen. Von den Kapitalunterstützungen von insgesamt 12,108 Mrd. € entfielen 5,580 Mrd. € auf die HETA, 5,278 Mrd. € auf die KA Finanz AG und 1,250 Mrd. € auf die immigon. Von den gemäß Finanzmarktstabilitätsgesetz gewährten Haftungen in der Höhe von 15,465 Mrd. € liefen bis Ende 2018 11,859 Mrd. €  ohne Inanspruchnahme aus. Per 31. Dezember 2018 wies die immigon portfolioabbau ag den niedrigsten Schuldenstand auf (237,3 Mio. €), die KA Finanz AG mit 5,946 Mrd. € den höchsten. Die HETA wies zum damaligen Zeitpunkt 2 Mrd. € an Schulden auf und einen Verwertungsstand von 84% auf (III-133 d.B.).

Kraker wünscht sich konkretere Pläne, eigenständige Expertise der FMA und Vermeidung von Doppelgleisigkeiten

Die FMA–Abwicklungsbehörde hatte für alle in ihre Zuständigkeit fallenden Kreditinstitute jeweils einen Abwicklungsplan zu erstellen, um für den Fall der Fälle alles parat zu haben, erläuterte Margit Kraker. Kritisch wurde dabei gesehen, dass zwar Abwicklungsstrategien und –instrumente für die einzelnen Kreditinstitute vorhanden waren, dazu aber noch keine konkreten Vorgaben zur Umsetzung ausgearbeitet wurden. Außerdem sollten die langen Planungszyklen verkürzt und die Aktualität der Abwicklungspläne erhöht werden. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben arbeitete die FMA ab 2015 mit der OeNB zusammen. Dabei müsste nach Ansicht des Rechnungshofs sichergestellt werden, dass die FMA–Abwicklungsbehörde über die erforderliche Expertise verfügt, um die kritischen Tätigkeiten bei der Abwicklungsplanung und –durchführung weitgehend eigenständig erfüllen zu können. Darunter fallen die Identifikation von kritischen Funktionen bei Kreditinstituten, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und Durchführbarkeit eines Insolvenzverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an einer tatsächlichen Abwicklung der Bank, erläuterte Kraker. Dabei sollten natürlich Doppelgleisigkeiten vermieden werden. Zum Thema ABBAG-Boni merkte Kraker an, dass diese im Einkommensbericht des Rechnungshofs aufgezeigt wurden. Die auch im Rahmen der COFAG-Prüfung erstellten Unterlagen wurden auch dem Untersuchungsausschuss übermittelt.

Debatte über "asurd hohe" Boni für die Geschäftsführer der ABBAG

Insgesamt habe die KA Finanz AG die höchsten Kosten für die Steuerzahler:innen verursacht, erklärte Abgeordneter Kai Jan Krainer, da man bei der Hypo Alpe Adria das Glück hatte, dass die Bayern 3,6 Mrd. € "liegen gelassen haben". Er würde aber wirklich gerne wissen, was in der entscheidenden Verhandlungsnacht passiert sei, als die Republik Österreich auf die Gewährleistung verzichtet habe. Wer sei dafür verantwortlich gewesen, fragte er den Finanzminister. Massive Kritik übte Krainer an "absurd hohen" Boni für die Geschäftsführer der Abbaubeteiligungsgesellschaft des Bundes (ABBAG). So habe etwa Bernhard Perner über 1 Million Euro erhalten, obwohl er erst lange nach dem Moratorium Geschäftsführer geworden sei. Dieser Betrag wurde seiner Meinung nach "zu Unrecht ausbezahlt", da er in seiner Funktion aus rechtlichen Gründen gar keinen Einfluss auf die "Recovery Rate" der HETA haben konnte.

Auch der freiheitliche Mandatar Erwin Angerer befasste sich vor allem mit der Vorgeschichte zur Abwicklung der Hypo Alpe Adria Bank. Im Besonderen interessierte ihn das Zustandekommen des Generalvergleichs mit dem Land Bayern, das als Gewinner der Abwicklung hervorgegangen sei und über 5 Mrd. € erhalten habe. Außerdem wollte er wissen, wer von den immens hohen Beraterverträgen, die bis 2015 über 350 Mio. € betragen haben sollen, profitiert habe. Ebenso wie Krainer kritisierte er die extrem hohen Boni für die ABBAG-Geschäftsführer, die noch dazu nachträglich ausbezahlt wurden.

Nina Tomaselli (Grüne) sprach die Kritik des Rechnungshofs bezüglich der Aufgabenteilung zwischen FMA und Nationalbank an und erkundigte sich danach, warum von den 5 Mio. €, die für Beratungsaufträge ausgegeben wurden, nur 3,4 Mio. € öffentlich ausgeschrieben wurden.

Gerald Loacker  von den NEOS wies auf die zentralen Empfehlungen des Rechnungshofes hin, die u.a. auf den Aufbau einer eigenständigen Expertise bei der FMA in gewissen Bereichen sowie die Vermeidung von Doppelgleisigkeiten abzielen.

Es sei bereits gelungen, einen Teil der Empfehlungen umzusetzen, hob der Finanzminister hervor, der als positives Beispiel die Abwicklung der Sberbank anführte. Der Informationsfluss an das Single Resolution Board sei rasch erfolgt und habe gut funktioniert. Im Herbst 2021 wurde zudem eine technische Arbeitsgruppe eingesetzt, die ein Konzept für die Optimierung der Zusammenarbeit zwischen FMA und OeNB entwickeln wird. Bezüglich der Abbauinstitute legte er die aktuellen Zahlen vor. Die Belastungen für die Steuerzahler:innen würden derzeit 5,6 Mrd. € bei der Heta, 6,5 Mrd. € (davon 2,5 Mrd. € Darlehen) bei der KA Finanz AG und rund 1 Mrd. € bei der immigon betragen. Auf die Frage des Abgeordneten Krainer merkte Magnus Brunner an, dass er 2009 noch nicht Finanzminister gewesen sei. Die Verträge der Geschäftsführer der ABBAB wurden geprüft und als rechtlich korrekt eingestuft.

Brunner: Gesamtreform des Rücklagensystem des Bundes soll im nächsten Jahr kommen

Einer weiteren Prüfung des Rechnungshofes unterzogen wurde das Rücklagensystem des Bundes, wobei insbesondere die Ministerien für Finanzen, für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Fokus standen. Die Rücklagen stiegen seit 2009 kontinuierlich an und erreichten 2016 einen Höchststand mit rund 20,6 Mrd. €. Ziel war es, so RH-Präsidentin Margit Kraker, die Entwicklung des Rücklagensystems in den Jahren 2009 bis 2017 darzustellen und die Ablauforganisation bei den Rücklagenentnahmen, die Effizienz und Effektivität der Haushaltssteuerung sowie den Reformbedarf zu beurteilen (III-145 d.B.).

Die Rechnungshofsprecherin der SPÖ Karin Greiner wies auf die zahlreichen internen und vor allem externen Evaluierungen des Rücklagensystems und wollte wissen, ob und in welcher Weise die jeweiligen Empfehlungen in das angekündigte Reformvorhaben einfließen werden. Auch Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) erkundigte sich danach, ob in Hinkunft Änderungen geplant sind. Auf die konkreten Kritikpunkte des Rechnungshof ging Gerald Loacker (NEOS) ein, wie etwa auf die teils sehr unterschiedliche lange Bearbeitungsdauer von Anträgen auf Rücklagenentnahmen bei Finanzministerium.

Kraker für weniger Rücklagen, aber für mehr Flexibilität

Es sei richtig, dass ab dem Jahr 2014 umfangreiche Evaluierungen erfolgt seien, bestätigte RH-Präsidentin Kraker. Ein Ergebnis davon sei gewesen, dass Österreichs Rücklagensystem im internationalen Vergleich als sehr großzügig eingestuft wurde, weil es bei der Bildung und bei der Entnahme kaum Einschränkungen gebe. Bei der Neugestaltung des Systems sei daher auf das Spannungsfeld zwischen restriktiven und flexiblen Elemente zu achten, die im Bericht näher ausgeführt werden. Beispielsweise habe ein im Jahr 2014 eingeleiteter restriktiverer Budgetvollzug dazu geführt, dass der Anreiz für Rücklagenzuführungen deutlich abgenommen habe. Auch war die ursprünglich beabsichtigte Unterbindung des "Dezemberfiebers", also die Vermeidung der Ausschöpfung genehmigter Budgetmittel am Ende des Jahres, nicht mehr gegeben. Von Seiten des Rechnungshofs werde jedenfalls empfohlen, Rücklagenentnahmen nur bei unvorhersehbaren Erfordernissen vorzunehmen; vorhersehbare Rücklagenentnahmen sollten in das Bundesfinanzgesetz aufgenommen werden. Auch müsste die Ablauforganisation zeitlich gestrafft werden, um einen effizienten Verwaltungsablauf mit Planungssicherheit für die betroffenen Ministerien zu ermöglichen. Ein Reformpaket zu den Rücklagen solle gemeinsam mit den haushaltsleitenden Organen zeitnah erarbeitet werden, regte Kraker an.

Der Bund habe das Rücklagensystem mit den ersten beiden Etappen der Haushaltsrechtsreform ab den Jahren 2009 und 2013 grundlegend geändert, erklärte Finanzminister Magnus Brunner. Man arbeite derzeit an einem neuen Reformpaket, wobei der erste Schritt noch heuer präsentiert werden soll. Das Gesamtpaket soll dann im nächsten Jahr fertig sein. Die dafür eingesetzte Arbeitsgruppe konnte nach einer coronabedingten Unterbrechung ihre Tätigkeit nun wieder aufnehmen. Bezüglich der Fragen der Abgeordneten stellte Brunner klar, dass die Ergebnisse der diversen Evaluierungen natürlich in den Reformprozess einfließen werden. Die unterschiedliche Bearbeitungsdauer bei den Anträgen sei unter anderem der Komplexität der Materien oder auch fehlenden Unterlagen geschuldet. Was die Budgetierung der Rücklagen betrifft, so waren im Jahr 2021 bereits 70% veranschlagt, informierte Brunner. (Schluss) sue