Parlamentskorrespondenz Nr. 723 vom 21.06.2022

Budgetausschuss gibt grünes Licht für Teuerungs-Entlastungspaket

Brunner: Richtlinien für Abschaffung der kalten Progression in Vorbereitung

Wien (PK) – Das Teuerungs-Entlastungspaket hat heute den Budgetausschuss passiert (2662/A). Unter anderem sieht der von den Koalitionsparteien vorgelegte Gesetzesentwurf eine Einmalzahlung für Mindestpensionist:innen, Arbeitslose und Bezieher:innen von Studienbeihilfe in der Höhe von 300 € sowie einen Zuschlag von 180 € zur Familienbeihilfe im August vor. Auch verschiedene steuerliche Entlastungen sowie zahlreiche weitere Maßnahmen sind geplant.

Noch keine Details liegen hingegen insbesondere zur Abschaffung der kalten Progression und zur Valorisierung der Sozialleistungen vor. Die Anhebung des Klimabonus auf 250 € pro Erwachsenem ist nicht Teil dieses Maßnahmenpakets und wird gesondert vom Umweltausschuss behandelt (2663/A).

3. Maßnahmenpaket zum Teuerungsausgleich entfacht kontroverse Diskussion

Bei dem Gesetzesvorschlag handelt es sich um das 3. Maßnahmenpaket zum Teuerungsausgleich. Das Gesamtvolumen des 3. Maßnahmenpakets inklusive Abschaffung der kalten Progression und Valorisierung der Sozialleistungen beträgt voraussichtlich 28,6 Mrd. € für den Zeitraum 2022 bis 2026. Um die kurzfristig wirkenden Maßnahmen so rasch wie möglich auszahlen zu können, wurden Teile des Maßnahmenpakets im heutigen Budgetausschuss diskutiert und werden voraussichtlich am Donnerstag in einer Sondersitzung des Nationalrats beschlossen. Für ÖVP und Grüne handelt es sich bei dem Entlastungspaket um rasche und zielgerichtete Maßnahmen, die ohne viel Bürokratie umgesetzt werden. Untere Einkommensgruppen würden stärker profitieren, betonten die Regierungsparteien.

Kritik äußerte die Opposition zumal die meisten Maßnahmen nur temporär wirken. Nur die geplante Abschaffung der kalten Progression, die Valorisierung von Sozialleistungen und die Senkung der Lohnnebenkosten hätten eine dauerhafte Entlastungswirkung, wurden aber heute nicht beschlossen. Den NEOS fehlte die nachhaltige Wirkung. Für die SPÖ kommen die Hilfen zu spät bei den Bürger:innen an und die FPÖ würde der Teuerungswelle mit Steuersenkungen entgegentreten.

Wirtschaftsminister Martin Kocher hielt dem entgegen, dass eine Mehrwertsteuersenkung als alternative Methode zu schnell "verpufft" und nicht bei den Konsument:innen ankommt. Spezifische Maßnahmen hielt er daher für sinnvoller. Laut Finanzminister Magnus Brunner wirkt die Tarifsenkung der ökosozialen Steuerreform heuer zusätzlich zu den Entlastungspaketen. Die Abschaffung der kalten Progression sei ab 1.1.2023 geplant, wobei entsprechende Richtlinien derzeit vorbereitet werden. Sozialminister Johannes Rauch sah die Treffsicherheit der Einmalzahlungen insbesondere bei den vulnerablen Gruppen gegeben. Schließlich stimmten ÖVP und Grüne für das Entlastungspaket. Die NEOS wollten noch Details prüfen und stimmten daher vorerst dagegen.

NEOS für rückwirkende Abschaffung der kalten Progression

Gerald Loacker argumentierte, dass Einmalzahlungen nicht die Lösung des Problems darstellen, zumal es sich bereits um das dritte Hilfspaket "nach dem Gießkannenprinzip" handle und die nachhaltige Wirkung der Maßnahmen fehle. Loacker anerkannte die Intention der Lohnnebenkostensenkung. Bei der Unfallversicherung sah er jedoch ein weitaus höheres Einsparungspotential. Geht es nach dem NEOS-Mandatar, so sollte die Abschaffung der kalten Progression rückwirkend mit Jahresbeginn 2022 eingeführt werden. Karin Doppelbauer (NEOS) machte auf steigende Zinszahlungen aufmerksam und mahnte den Budgetpfad im Auge zu behalten.

FPÖ pocht auf Akuthilfe durch Steuersenkungen

Das Sozialministerium bezifferte die Ausgaben bis Oktober mit 230 Mio. €. Zu wenig Mittel für Akuthilfe angesichts von Gesamthilfen über 28 Mrd. €, wenn es nach Gerhard Kaniak (FPÖ) geht. Der reale Kaufkraftverlust von unselbständig Beschäftigten liege bei über 2%, führte er aus. Den Menschen gehe das Geld aus, betonte Kaniak angesichts anstehender Nachzahlungen bei Stromabrechnungen. Um dem entgegenzuwirken machte sich der FPÖ-Mandatar für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel stark, die zeitlich befristet bis zu den nächsten Gehaltserhöhungen gelten soll.

Die Teuerungswelle sei anhaltend und werde bleiben, unterstrich Hermann Brückl (FPÖ). Demnach stellen Einmalzahlungen für die FPÖ keine dauerhafte Lösung dar. Die Nachhaltigkeit fehle, ging Brückl mit den NEOS einher und unterstrich die Forderung nach der sofortigen Abschaffung der kalten Progression und der Valorisierung der Sozialleistungen. Brückl machte sich auch dafür stark, dass die Einmalzahlungen nicht der Pfändung unterliegen.

Dem hielten die Grünen entgegen, dass eine Senkung der Umsatzsteuer nicht bei den Konsument:innen ankommen würde.

SPÖ: Weiterer Preisauftrieb - Wirkung der Maßnahmen zu spät

Lob gab es seitens der SPÖ für die Zusatzzahlung bei der Familienbeihilfe. Kai Jan Krainer übte demgegenüber Kritik an der Anhebung des "asozialen" Familienbonus. Die Wirkung des Teuerungsabsetzbetrags kommt für die SPÖ zu spät, zumal dieser erst mit der Veranlagung 2023 geltend gemacht werden kann. Bedenken äußerte Krainer auch betreffend die geplante Abschaffung der kalten Progression zumal dabei die Entlastungswirkung beim unteren Einkommensdrittel nur gering ausfalle.

Das Paket leiste keinen Beitrag um den Preisauftrieb zu stoppen, hielt Christoph Matznetter (SPÖ) der Regierung vor. Notstandshilfen müssten angepasst werden, kritisierte er. Eva Maria Holzleitner schlug vor, das Schulstartgeld bereits im August auszubezahlen und zu verdoppeln. Um die Maßnahmen zu finanzieren, wollten Holzleitner und Matznetter die Krisengewinner:innen zu Kasse bitten.

Alois Stöger (SPÖ) thematisierte die hohen Strompreise und wollte diese auf nationaler Ebene deckeln. Kocher hielt ihm entgehen, dass der Strommarkt auf europäischer Ebene nach dem Merit-Order-System geregelt sei. An der Strombörse bestimme das letzte Gebot, das einen Zuschlag erhalte, den Strompreis. Der Preis für elektrische Energie werde also durch das jeweils teuerste Kraftwerk bestimmt, das noch benötigt wird, um die Stromnachfrage zu decken. Ob an dem System in der aktuellen Situation festgehalten werden solle, müsse analysiert werden, bemerkte Kocher.

ÖVP und Grüne: Tatsächliche Entlastungen und schnelle Hilfen

Jakob Schwarz (Grüne) entgegnete dem Vorwurf aufeinanderfolgender Einmalzahlungen, dass bereits im Winter unmittelbarer Handlungsbedarf festgestellt und in der ersten Phase Entlastungen im Energiebereich beschlossen wurden. Da sich die Prognosen gegenüber dem Winter verschlechtert hätten, sei nun ein weiteres Entlastungspaket notwendig. Dieses enthalte strukturelle Maßnahmen wie die Abschaffung der kalten Progression und die Valorisierung von Sozialleistungen. Kurzfristig liefere das Entlastungspaket eine starke Umverteilungswirkung, betonte Schwarz. Laurenz Pöttinger (ÖVP) sah in dem Paket einen Meilenstein mit tatsächlichen Entlastungen in Zeiten, wo diese dringend gebraucht werden.

Markus Koza (Grüne) betonte, dass die Indexierung von Sozialleistungen nicht im Gesetzesentwurf enthalten sei, um ein Begutachtungsverfahren, mit Einbindung der Sozialpartner zu ermöglichen. Koza bezog sich zudem auf eine Prognose des Fiskalrats, wonach die Teuerung pro Person bei ca. 660 € liege. Dies werde durch das Maßnahmenpaket abgedeckt, hielt er fest und räumte ein, dass Einmalzahlungen nicht nachhaltig wirken, aber die Erhöhung der Sozialleistungen bereits für nächstes Jahr geplant sei.

Schnelle Hilfen helfen doppelt, unterstrich Norbert Sieber (ÖVP). Die Kritik der Opposition halte sich in Grenzen, führte Christoph Stark (ÖVP) aus und sah darin eine Bestätigung des Pakets. Im europäischen Vergleich liege Österreich bei den Hilfsmaßnahmen in der "Oberliga" betonte er. Ähnlich sah dies auch Fraktionskollege Andreas Hanger (ÖVP), der die "unglaublichen Volumina der Hilfspakete" hervorhob, die nur durch den starken Wirtschaftsstandort ermöglicht werden.

Brunner: 100% der kalten Progression wird zurückgegeben – Richtlinien in Vorbereitung

Die Abschaffung der kalten Progression wirke ab einem Jahreseinkommen von 11.000 € und habe anschließend eine "relativ flache Wirkungskurve", sagte der Finanzminister zur SPÖ und sah darin keine Schlechterstellung der unteren Einkommensschichten. 100% der kalten Progression werden zurückgegeben, betonte Brunner. Davon automatisch Zweidrittel mittels Indexierung, ein Drittel stehe für Verteilungsmaßnahmen zur Verfügung.

Einpersonenunternehmen seien von den meisten Maßnahmen betroffen, hielt Brunner der FPÖ entgegen. Die Maßnahmen würden kurzfristig zu einem Anstieg der Staatsverschuldung von 80 auf 81% des BIP führen. Danach erwarte das Finanzministerium ein neuerliches Absinken. Zur SPÖ führte Brunner aus, dass der Verbund, als Unternehmen mit Staatsbeteiligung, eine Sonderdividende angekündigt habe. Für die SPÖ ging dies nicht weit genug. Matznetter forderte weitere Gewinnabschöpfungen.

Kocher: Senkung der USt auf Lebensmittel hätte weniger Wirkung als Maßnahmenpaket

Laut Wirtschaftsminister Kocher hätte eine "Senkung der Umsatzsteuer auf Lebensmittel weitaus weniger Wirkung" als das vorliegende Maßnahmenpaket. Geplant sei zudem die "größte Lohnnebenkostensenkung seit einem Jahrzehnt". Eine weitere Senkung im Bereich des FLAF sei vorgesehen und würde noch der Begutachtung unterzogen. Eine Mehrwertsteuersenkung als Alternative zu den gesetzten Maßnahmen "verpufft schnell", erörterte Kocher am Beispiel Deutschlands, wo die Spritpreise nach 20 Tagen wieder den Ursprungspreis erreicht haben. Spezifische Maßnahmen seien daher sinnvoller, betonte Kocher. Insbesondere die Erhöhung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros helfe derzeit den Kund:innen.

Rauch: Hohe Treffsicherheit bei vulnerablen Gruppen

Sozialminister Rauch unterstrich die Treffsicherheit von Einmalzahlungen für vulnerable Gruppen. Die Maßnahmen entfachen eine starke Wirkung, zeigte er sich überzeugt und sah diese auch im Einklang mit der Steuerreform und Corona-Hilfsmaßnahmen. Kritik gebe es an Details, stellte er fest, hielt aber die riesige Größenordnung der Hilfsmaßnahmen mit rascher Geschwindigkeit vor Augen. "Andere europäische Länder beneiden uns darum", betonte Rauch.

Budgetdienst warnt vor Zinsausgaben

Laut Helmut Berger vom parlamentarischen Budgetdienst kostet das Entlastungspaket im Jahr 2022 rund 4 Mrd. €. Dabei ist der Selbstfinanzierungsgrad bereits berücksichtigt. Der Anti-Teuerungsbonus sei von jener Personengruppe zu versteuern, die über 90.000 € jährlich verdient, hielt Berger fest. Die zu erwartenden Einnahmen dadurch seien eher gering.

Auf Anfrage der NEOS führte Berger aus, dass die 10-jährigen Anleihen momentan mit 2,3% verzinst seien. Ein hoher Anstieg gegenüber dem letzten Budgetausschuss, analysierte er. 2022 wurden bis April um 1 Mrd. € mehr Zinsen bezahlt als im Vorjahr. Wie bei Inflationsprognosen zeigte sich Berger auch bei den Zinssatzprognosen skeptisch und warnte vor "nicht unbedeutenden finanziellen Auswirkungen".

Zur Umverteilungswirkung des Maßnahmenpakets stellte Berger fest, dass untere Einkommen relativ stärker profitieren. Beim Familienbonus gebe es Bereiche, die von der geplanten Anhebung nicht profitieren, aber auch keinen Kindermehrbetrag erhalten. Von der Abschaffung der kalten Progression würde tendenziell der Mittelstand am meisten profitieren, hielt Berger fest, wollte dies aber einer tieferen Analyse unterziehen. (Schluss) gla

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums .