Parlamentskorrespondenz Nr. 802 vom 30.06.2022

Hauptausschuss genehmigt mit breiter Mehrheit Ausweitung der strategischen Gasreserve

Einhellige Zustimmung für vorübergehende Reduktion der Erdöl-Pflichtnotstandsreserven

Wien (PK) – Der Hauptausschuss hat heute zwei Verordnungen über die Reserven von Gas und Erdöl genehmigt. Die strategische Gasreserve wird damit von 12,6 Terawattstunden (TWh) auf 20 TWh aufgestockt. Außerdem wird die Menge Erdöl, die für die Pflichtnotstandsreserven einzuspeichern ist, vorübergehend von 25% auf 22,22% der Importmenge herabgesetzt.

Energieministerin Leonore Gewessler betonte, dass beide Verordnungen dazu beitragen sollen, die Energieversorgung in Österreich weiterhin gut gewährleisten zu können. Ihr sei bewusst, dass die Reserven gerade in der aktuell angespannten Situation ein essenzieller Sicherheitspolster seien.

Strategische Gasreserve wird ausgeweitet

Der Hauptausschuss hat die Aufstockung der strategischen Gasreserve mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen genehmigt. Gemäß der entsprechenden Verordnung der Bundesregierung (178/HA) wird die Höhe der Reserve von 12,6 Terawattstunden (TWh) auf 20 TWh ausgeweitet. Damit soll die Versorgungssicherheit mit Gas gewährleistet werden. Die zusätzlichen Gasmengen müssen vom Verteilergebietsmanager beschafft werden. Sie sollen bevorzugt aus nicht-russischen Quellen stammen. Damit soll eine bestmögliche Diversifizierung erreicht werden.

In der angespannten Situation bei der Gasversorgung seien die Speicher ein Sicherheitspolster für den nächsten Winter, zeigte sich die Energieministerin im Ausschuss überzeugt. Die erste Tranche der im Frühjahr beschlossenen strategischen Gasreserve sei bereits beschafft und werde derzeit eingespeichert. Für die nun vorliegende Ausweitung soll nicht-russisches Gas beschafft werden. Es sei aber keine Verpflichtung "um jeden Preis" vorgesehen, der Markt sei zu berücksichtigen.

Alois Schroll (SPÖ) bezeichnete die Gasreserve als wichtige Maßnahme. Ihm fehle aber Transparenz, weshalb er einige Fragen an die Ministerin richtete. Konkret wollte er wissen, wie viel Gas bereits gesichert und eingespeichert sei und wer die Anbieter waren. Die genauen Zahlen müsse sie ausheben lassen, sagte Gewessler. Sie kenne die Anbieter nicht, weil es sich um einen Angebotsprozess in der Austrian Gas Grid Management AG (AGGM) gehandelt habe. Karin Doppelbauer (NEOS) interessierte sich in diesem Zusammenhang für die Kosten und die Orte, an denen eingespeichert wird. Der Zuschlag wurde für rund 125€ pro Megawattstunde erteilt, gab die Ministerin Auskunft. Es handle sich dabei um den Preis inklusive Transport und Einspeicherung. Befüllt werden alle am österreichischen Markt verfügbaren Speicher.

Dass die Ministerin nicht beantworten könne, mit wem die Verträge zur Speicherung von Gas geschlossen wurden, hielt Walter Rauch (FPÖ) für bedenklich. Er interessierte sich, wie mehrere andere Abgeordnete auch, für die aktuelle Situation in der Gasspeicheranlage Haidach. Österreich könne nicht zusehen, wie mit Haidach einer der größten und modernsten Speicher Europas nicht befüllt werde, sagte Gewessler dazu. Deshalb sei die "Use it or lose it"-Regelung, die gestern im Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde nahm, so wichtig. Demnach müssen ungenutzte Speicherkapazitäten unverzüglich angeboten oder zurückgegeben werden. Lukas Hammer (Grüne) erläuterte, dass sich Gazprom in Haidach seit September weigere, die Speicher zu füllen und es deshalb das Gesetz gebraucht habe. Er wollte wissen, wie der aktuelle Stand sei. Es gebe nach wie vor keine Bewegung in der Frage, antwortete die Ministerin. Die Konsequenz sei, dass die Verfügungsgewalt über den Speicher in Haidach von Gazprom auf das Energiespeicherunternehmen RAG Austria AG übergehe, legte Gewessler auf Nachfrage Rauchs dar.

Karin Doppelbauer (NEOS) interessierte sich für die Zusammenarbeit mit Deutschland in dieser Sache und stellte die Frage, wem das Gas in den österreichischen Speichern gehöre. Derzeit sei ein Ressortabkommen mit Deutschland in Ausarbeitung, weil Österreich und Deutschland für die Gasspeicherung in Haidach laut EU-Gesetzgebung gemeinsam verantwortlich seien. Im Notfall könne sie mit Zustimmung des Parlaments auf 100% der in Österreich gespeicherten Reserven verfügen, erläuterte die Ministerin. Aus ihrer Sicht sei es aber gerade in einer Notsituation sinnvoll, eine gemeinsame europäische Lösung zu finden.

Verordnung über die Höhe der Pflichtnotstandsreserven von Erdöl

Einhellige Zustimmung gab es für eine Verordnung, mit der die Energieministerin vorübergehend die Speichermenge für die Pflichtnotstandsreserven von Erdöl herabsetzt (177/HA). Nachdem Gewessler Anfang Juni die Freigabe von 112.000 Tonnen Diesel und 56.000 Tonnen Benzin aus den Reserven verordnet hat, um die Versorgung nach einem Zwischenfall in der Raffinerie Schwechat sicherzustellen, hält sie nun eine weitere Maßnahme für notwendig, um die Versorgung des österreichischen Marktes zu gewährleisten.

So wird die Vorratspflicht für Erdöl von 1. Juli bis 31. Oktober 2022 von 25% auf 22,22% der Importmenge von Erdöl, Erdölprodukten und Kraftstoffen aus dem Vorjahr herabgesetzt. Die Pflicht zur Haltung von Notstandsreserven reduziert sich damit um 10 Tage.

Gewessler erläuterte im Ausschuss, dass diese Maßnahme mit dem Zwischenfall in der Raffinerie Schwechat zusammenhängt. Um die Versorgung zu gewährleisten, müssen nämlich beträchtliche Mengen Erdöl importiert werden. Die Produkte seien zwar am Markt verfügbar, die Engstelle sei aber die Logistik. So könne nicht die benötigte Menge nach Österreich transportiert werden. Um hier gegenzusteuern, habe die OMV, die für die zentrale Bevorratungsstelle im Tanklager Triest rund 300.000 Tonnen Erdöleinheiten Rohlöl speichere, um Befreiung dieser Vorratspflicht ersucht, berichtete die Energieministerin. Sie betonte jedoch, dass die Reduktion der Speichermengen für alle Vorratspflichtigen – und nicht nur für die OMV - gelte.

Die OMV lagere derzeit in Triest Rohöl, das allerdings aufgrund des Zwischenfalls in der Raffinerie Schwechat nicht verarbeitet werden könne. Die Raffinerie sei jedoch in der Lage, Halbfertigprodukte zu Diesel und Benzin zu verarbeiten. Die mit Rohöl gefüllten Lager in Triest verhindern aber, dass solche Halbfabrikate zwischengespeichert werden können. Durch die vorübergehende Herabsetzung der Speichermenge für die Pflichtnotstandsreserve könne die OMV Halbfabrikate von den Tankschiffen entladen, lagern und in die Raffinerie Schwechat pumpen, wo diese in den funktionierenden Anlagen zu Treibstoff verarbeitet werden können. Dieser werde am Markt dringend gebraucht und könnte auch zur Wiederauffüllung der Pflichtnotstandsreserven dienen, betonte Gewessler. Ihr sei bewusst, dass mit der Reserve sorgsam umzugehen sei. Die vorliegende Verordnung halte sie dennoch für das gelindeste Mittel in der aktuellen Situation.

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne) berichtete, dass er sich heute bei einem Besuch in der Raffinerie Schwechat ein Bild von dem Zwischenfall gemacht habe. Die Anlage sei schwer beschädigt, Hammer zeigte sich aber zuversichtlich, dass sie bis Ende September repariert werden könne. Bis dahin gelte es, die Versorgung sicherzustellen, weshalb er sich für die Verordnung aussprach. Aus seiner Sicht könnten die Halbfabrikate bereits Anfang oder Mitte August nach Österreich gelangen.

Auch Karin Doppelbauer (NEOS) befürwortete die Maßnahme, betonte jedoch, dass die Reduktion der Speicherpflicht keinen Tag über die geplanten vier Monate hinausgehen dürfe. Sie erkundigte sich zudem nach dem Zwischenfall in der Raffinerie und wollte wissen, ob es Hinweise auf einen bevorstehenden Schaden gegeben habe und in welcher Intensität an der Reparatur gearbeitet werde. Aus der letzten behördlichen Prüfung seien keine Hinweise vorgelegen, berichtete Gewessler. Die Reparaturarbeiten laufen 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche.

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) wollte wissen, ob es durch den Zwischenfall in der Raffinerie auch zu Verlusten für die Republik komme. Die ÖBAG halte schließlich Anteile an der OMV. Weil die ÖBAG im Finanzministerium angesiedelt sei, könne sie diese Frage nicht beantworten, so Gewessler.

Alois Schroll (SPÖ) erkundigte sich, ob die Maßnahme auch Auswirkungen auf die Preise habe. Sie setze keine Preise fest und sei auch nicht hundertprozentige Eigentümerin der OMV, entgegnete Gewessler. Deshalb könne sie diese Frage nicht beantworten. Was jedoch vorauszusehen sei, sei, dass es bei einem Engpass zu Preissteigerungen komme. Deshalb tue sie derzeit alles, um einen solchen zu vermeiden, sagte die Ministerin. Ebenfalls von Schroll nach der genauen Speichermenge gefragt, antwortete Gewessler, dass die Vorratspflichtigen ab 1. Juli zur Haltung von Vorräten von 80 Tagen verpflichtet seien. Aufgrund der Lenkungsmaßnahme von Anfang Juni werde diese Pflicht um 6,7 Tage untererfüllt, was einem Stand von 73,3 Tagen entspreche. Auf die Frage von Andrea Kuntzl (SPÖ), was mit dem derzeit in Triest gelagerten Rohöl passiere, antwortete die Ministerin, dass sie davon ausgehe, dass die Mengen verkauft werden. (Schluss Hauptausschuss) kar