Parlamentskorrespondenz Nr. 978 vom 20.09.2022

Budgetausschuss zum Bundesrechnungsabschluss 2021

Rechnungshof fehlt Transparenz bei Werkleistungen

Wien (PK) – Der Budgetausschuss widmete sich heute dem Bundesrechnungsabschluss 2021. Im Vordergrund standen dabei die finanziellen Auswirkungen der COVID–19–Pandemie. Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker und Finanzminister Magnus Brunner standen den Abgeordneten Rede und Antwort. Kraker forderte Strukturreformen in den nächsten Jahren.

Im Anschluss daran widmete sich der Budgetausschuss den laufenden Budgetzahlen sowie der Forderung der NEOS, nach einer Einbuchung von Rücklagen für künftige Pensionszahlungen.

2021: Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der COVID–19–Pandemie prägen Bundeshaushalt

Der Budgetausschuss behandelte heute den Bundesrechnungsabschluss 2021 im Vorfeld des morgigen Nationalratsplenums, wo dieser erneut von den Abgeordneten diskutiert wird. Im Jahr 2021 entwickelte sich das Steueraufkommen positiv, was maßgeblich zum Wachstum von +4,5% beitrug. Erholung attestierte Rechnungshofpräsidentin Kraker dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten stieg um 2,5% und die Arbeitslosenquote ging um 1,9 Prozentpunkte auf 8% zurück (III-654 d.B.).

Wie stark die Auswirkungen der Pandemie im Bundeshaushalt zu Buche schlagen, zeigen folgende Zahlen: aus dem COVID–19–Krisenbewältigungsfonds wurden letztes Jahr 15,090 Mrd. € ausbezahlt, um 6,619 Mrd. € mehr als im Vorjahr. Den Anstieg verursachten insbesondere die Zahlungen an die COFAG und für den Gesundheitsbereich. Für die COVID–19–Kurzarbeit wurden Zuschüsse an Unternehmen in Höhe von 3,703 Mrd. € ausbezahlt. 1,862 Mrd. € waren an Abgaben gestundet. Bei einem Haftungsrahmen von 10,675 Mrd. € betrugen die übernommenen COVID–19–Haftungen 5,979 Mrd. €.

Kraker für strukturelle Reformen

Obwohl sich Kraker ausdrücklich für Hilfsmaßnahmen während der Pandemie aussprach, müsse aus Sicht des Rechnungshofs nun der Fokus staatlicher Maßnahmen geändert werden. Statt der bisher breit angelegten Unterstützung während der Pandemie, plädierte sie nun für eine zielgerichtete, treffsichere und temporäre Unterstützung. Kraker wies auch auf erforderliche strukturelle Reformen in den Bereichen Pflege, Bildung, Pensionen und Gesundheit hin.

Unter dem Strich ergab sich 2021 ein Defizit von 19,6 Mrd. € in der Ergebnisrechnung. Der Nettofinanzierungssaldo in Höhe von -17,949 Mrd. € fiel um 12,8 Mrd. € besser aus als der Voranschlag (-30,7 Mrd. €). Kraker betonte, dass die Werkleistungen (IT, Werbeaufwendungen, Beratungsleistungen, Sicherheitskosten, etc.) während der Pandemie stark wuchsen. Ein großer Teil dieses Anstiegs sei auf die Verrechnung von Leistungen aus dem COVID–19–Krisenbewältigungsfonds zurückzuführen. Kritik übte Kraker an der Darstellung, Transparenz und Vollständigkeit dieser Werkleistungen.

Die Nettoabgabenerträge lagen um 11,867 Mrd. € (Einzahlungen 11,146 Mrd. €) über dem Voranschlag, führte Nina Tomaselli (Grüne) aus. Steigerungen gab es insbesondere bei unternehmensbezogenen Steuern, betonte sie.

Diskussion um "Überliquidität" der COFAG

Bedenken hegte Hubert Fuchs (FPÖ) aufgrund der "Überliquidität" der COFAG (COVID-19-Finanzierungsagentur des Bundes). Es gebe eine Diskrepanz zwischen dem an die COFAG bereitgestellten Kapital und den ausbezahlten Förderungen. Fuchs pochte daher auf ein zentrales Liquiditätsmanagement. SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer machte sich in diesem Sinne für eine Verbesserung des Cash-Managements stark.

Geht es nach Erwin Angerer (FPÖ) so sollten künftige Hilfsmaßnahmen direkt über das Finanzministerium abgewickelt werden. Angerer übte auch Kritik an der "koste es was es wolle"-Politik der Bundesregierung. Mit den diskutierten Energiekostenzuschüssen werde weiter Steuergeld verbraten.

Finanzminister Brunner erklärte die hohen Kontostände der COFAG zu Jahresende mit der Unsicherheit aufgrund der damals neu auftretenden Omikron-Variante des Corona-Virus und der typischerweise erschwerten Liquiditätsbeschaffung zu Jahreswechsel, wofür Vorsorge getragen wurde. Mitte des zweiten Quartals sei die Liquidität abgebaut gewesen, so das Finanzministerium. Zudem habe dies zu einem finanziell positiven Effekt geführt, da die Beschaffungskosten anschließend stiegen.

Haushaltsrecht: Forderungen nach Weiterentwicklung

NEOS und FPÖ sahen einen Stillstand beim Haushaltsrecht. Doppelbauer forderte Schritte nach der Evaluierung. Fuchs kritisierte, dass im Rahmen von Budgetnovellen im Finanzrahmen nur das Folgejahr und nicht alle weiteren Jahre angepasst werden. Der Finanzrahmen spiegle nicht die vollständige vorhandene Information ab, so seine Schlussfolgerung. Auch Doppelbauer wollte mit der mittelfristigen Finanzplanung sorgsamer umgehen und diese verbessern. Brunner sah den mittelfristigen Finanzplan als wichtiges Mittel an. Aufgrund der aktuellen Volatilität gebe es regelmäßigen Anpassungsbedarf, führte er aus. Helmut Berger vom parlamentarischen Budgetdienst hielt fest, dass der Finanzrahmen an Bedeutung eingebüßt habe, da die Folgejahre weder angepasst noch auf politischer Ebene diskutiert würden. Auch die Verschiebung der Erstellung des Finanzrahmens vom Frühjahr in den Herbst habe dazu beigetragen die Diskussion über den Bundesfinanzrahmen in den Schatten der Budgetverhandlungen zu stellen.

Seitens des Rechnungshofs regte Kraker an, die Rücklagen neu aufzustellen. Sie trat dafür ein, Rücklagen an Kriterien zu binden und Auflösungen zu erleichtern. Auch Berger sah Änderungsbedarf bei den Rücklagen.

Offene Forderung gegenüber ÖBB

In der breit gefächerten Diskussion ging Hubert Fuchs (FPÖ) auf offene Forderungen gegenüber der ÖBB Infrastruktur AG ein und forderte deren Rückzahlung. Die budgetierte Rückzahlung decke die Forderung nicht vollständig ab, bestätigte Kraker. Die Auszahlung von Bundesmitteln dürfe grundsätzlich nur aufgrund eines unmittelbaren Bedarfs erfolgen. Diesem sogenannten "haushaltsrechtlichen Thesaurierungsverbot" wird laut Kraker widersprochen. Finanzminister Brunner führte dazu aus, dass die offene Forderung in die Budgetverhandlungen einfließen werde und auch ein neuer Abbauplan verhandelt wird.

Umsatzersatz: Lessons learned

Laut Karin Doppelbauer (NEOS) ist das negative Nettoergebnis ein "richtig großes Problem". NEOS hätten den Bedarf an COVID-Hilfen gesehen, jedoch sei das Geld ineffizient ausgegeben worden, so Doppelbauer. Gerhard Kaniak (FPÖ) wollte die Nachhaltigkeit der Finanzierung unserer Schulden sicherstellen und warnte vor steigenden Finanzierungskosten bis 2025. Weitere Flexibilität im Budget sei erforderlich, betonte Doppelbauer und pochte auf mehr Transparenz. Internationale Expert:innen würden bestätigen, dass Österreich gut aus der Krise gekommen ist, betonte Minister Brunner. Insgesamt gesehen, hätten die COVID-19-Maßnahmen sehr gut gewirkt. Er räumte aber auch ein, dass der Umsatzersatz nicht treffsicher war. Daraus wurde gelernt und die folgenden Maßnahmen mit mehr Treffsicherheit bedacht.

Kai Jan Krainer (SPÖ) lenkte die Aufmerksamkeit auf zu breit gefächerte Hilfsmaßnahmen an Unternehmen. Diese hätten bei manchen zu Einkommenssteigerungen geführt, beklagte er. Jakob Schwarz (Grüne) hielt entgegen, dass der Umsatzersatz "rasch und unbürokratisch" war, als die Unternehmen ein Liquiditätsproblem hatten; "nachträglich gesehen war es vielleicht ein bisschen zu viel", sagte er. Aus dem Umsatzersatz wurden die Erkenntnisse für die künftige Fördergestaltung bzw. –abwicklung und -konzeption gezogen, hielt Kraker fest, "lessons learned", so die RH-Präsidentin. Für Gerald Loacker (NEOS) war die Kurzarbeit zu großzügig ausgestaltet. Die Förderung habe den Arbeitskräftemangel verstärkt, führte der Abgeordnete aus.

Laut Andreas Hanger (ÖVP) erzielte Österreich auf gesamtstaatlicher Ebene im Jahr 2021 ein öffentliches Defizit von -5,9% des BIP und damit gegenüber dem Jahr 2020 (-8,0% des BIP) eine Verbesserung um 2,1%,dies beweise den wirtschaftlichen Erfolg der Maßnahmen zur Krisenbekämpfung. Aufgrund des bestehenden Defizits und dem aktuellen Druck auf weitere Maßnahmen im Energiesektor interessierte sich der Abgeordnete für die Tragfähigkeit der Schulden in den kommenden Jahren.

NEOS warnen vor künftigen Pensionsverpflichtungen

Um die Problematik des wachsenden Pensionslochs sichtbarer zu machen, forderten die NEOS, die künftigen Pensionsverpflichtungen im gesetzlichen Pensionssystem und im Beamtenpensionssystem als Pensionsrückstellungen im Bilanzteil der entsprechenden Budgetuntergliederungen des Bundesrechnungsabschlusses zu verbuchen (1961/A(E)). Das "Pensionsloch" wachse bis 2050 auf 7% des BIP an. Deshalb sei es notwendig, diese Budgetproblematik bereits in den Bilanzen der betroffenen Budgetuntergliederungen darzustellen, so die NEOS. Der Antrag wurde zuvor vom Sozialausschuss behandelt und vom Nationalrat im November 2021 an den Budgetausschuss verwiesen (siehe Parlamentskorrespondenz 1310/2021).

Laut Alois Stöger (SPÖ) ist eine Berechnung der Pensionskosten für 20 bis 30 Jahre im Voraus nicht realistisch. Er erteilte der Forderung daher namensseiner Fraktion eine Absage. Schwarz (Grüne) verwies auf die Einschätzung von Expert:innen, dass in anderen Bereichen, wie der Familienbeihilfe, ähnlich vorgegangen werden müsste und begründete damit die Vertagung. Doppelbauer wollte nicht von den Rückstellungen absehen, nur weil es zu kompliziert sei sie zu berechnen. Das Anliegen wurde schließlich mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Anti-Teuerungsmaßnahmen kompensieren Mehrkosten der untersten Einkommensbezieher:innen

Zur Kenntnis nahm der Budgetausschuss die letzten drei Monatserfolgsberichte des Finanzministeriums (Monatserfolg Mai (99/BA), Juni (103/BA), Juli (104/BA)). Die Diskussion knüpfte an die Ausführungen zum Bundesrechnungsabschluss an. Die Fragen der Abgeordneten drehten sich neben den coronabezogenen Ausgaben und den unternehmensbezogenen Steuereinnahmen auch um die Mineralölsteuer.

Studien von Fiskalrat und dem Institut Momentum würden belegen, dass die Anti-Teuerungsmaßnahmen die "Mehrkosten der unteren Einkommensbereiche überkompensieren", brachte Andreas Hanger (ÖVP) vor. Die untersten 20% würden demnach mehr staatliche Hilfen erhalten als Mehrkosten auftreten. Das Finanzministerium hielt dazu fest, dass bewusst darauf geachtet wurde die untersten Einkommensgruppen verstärkt zu unterstützen anstelle nach dem "Gießkannenprinzip" vorzugehen. Brunner bestätigte die Auffassung, dass die untersten Gruppen "ausreichend" unterstützt wurden. "Überkompensiert" wollte er es jedoch nicht nennen.

Der Nettofinanzierungssaldo des Bundes belief sich von Jänner bis Juli 2022 auf -8,7 Mrd. € und war damit um 5,4 Mrd. € besser als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die bereinigten Auszahlungen betrugen Juli 57,2 Mrd. € und waren damit um 1,4 Mrd. € (-2,4%) niedriger als im Vorjahr. Die bereinigten Einzahlungen waren mit 48,5 Mrd. € um 4,1 Mrd. € (+9,2%) höher als im Vergleichszeitraum 2021. 2,8 Mrd. € davon werden auf höhere Öffentliche Abgaben zurückgeführt.

Mittelverwendungsüberschreitungen zur Kenntnis genommen

Im zweiten Quartal 2022 wurden Mittelverwendungsüberschreitungen in Höhe von 478,6 Mio. € im Finanzierungshaushalt und 477,9 Mio. € im Ergebnishaushalt (davon finanzierungswirksam: 477,8 Mio. € und nicht finanzierungswirksam: 0,1 Mio. €) genehmigt (100/BA). Im Budgetausschuss wurde der Bericht dazu mit den Stimmen von ÖVP und Grünen zur Kenntnis genommen. (Schluss) gla

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.