Parlamentskorrespondenz Nr. 1158 vom 18.10.2022

Corona-Kurzarbeitshilfen: Rechnungshof empfiehlt bessere Kontrollen

Arbeitsminister Kocher sichert im Rechnungshofausschuss Missbrauchsbekämpfung zu; AMS will mithelfen

Wien (PK) – Bei den staatlichen Hilfen für Betriebe, die ihre Mitarbeiter:innen während der Corona-Pandemie 2020 und 2021 in Kurzarbeit schicken mussten, wären bessere Kontrollen nötig gewesen, findet der Rechnungshof (RH). Die RH-Kritik im entsprechenden Prüfbericht (III-577 d.B. ), möglicher Missbrauch mit den an Unternehmen ausbezahlten COVID-19-Kurzarbeitshilfen sei kaum aufzudecken gewesen, konnte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher heute Rechnungshofausschuss des Nationalrats teilweise nachvollziehen. Er gab aber zu bedenken, man sei beim Ausbruch der Pandemie in Österreich im März 2020 unter erhöhtem Zeitdruck gestanden, um Unternehmen trotz Corona-bedingter Schließungen vor der Insolvenz zu retten und Arbeitsplätze zu erhalten.

2020 befanden sich 113.771 Unternehmen, oft kleine und mittlere Betriebe, mit 1,25 Millionen Beschäftigten in Kurzarbeit. Ein Drittel der Auszahlungen für 2020 seien auf 712 Unternehmen entfallen, merkt der Rechnungshof in seinem Bericht an. An Budgetmittel aufgewendet wurden für die Kurzarbeit im Prüfzeitraum 7,8 Mrd. €, bis Ende 2021 stiegen die Kosten auf 9,2 Mrd. €. Die Inanspruchnahme der Leistungen wurde vom Arbeitsmarktservice (AMS) abgewickelt, deren Vorsitzender Johannes Kopf heute ebenfalls im Ausschuss war.

Missbrauchsprävention: Rechnungshof rät zu mehr Transparenz

"Die Kurzarbeit war die am schnellsten umgesetzte Hilfe, sie stabilisierte die Wirtschaft", bekräftigte Minister Kocher die Richtigkeit des Vorgehens in der ersten Phase der Pandemie. Unstimmigkeiten bei der Berechnung der Hilfsgelder habe man bereits mit Juni 2020 eingestellt gehabt, alle bekannten Missbrauchsfälle seien an die Behörden weitergeleitet worden. Im Sinne der Missbrauchsprävention rät der Rechnungshof dem Ministerium zu mehr Transparenz bei der Förderabwicklung, etwa durch genaue Aufzeichnungen über Dauer und Ausmaß von Kurzarbeitshilfen bzw. Rückforderungen. Die Unternehmen sollten verpflichtet werden, ihre Beschäftigten individuell über jenes Ausmaß der Arbeitsstunden zu informieren, das das Unternehmen für sie beim Arbeitsmarktservice in der Abrechnung der COVID–19–Kurzarbeitsbeihilfe angegeben hat. Vom Arbeitsmarktservice brauche es vor der Leistungsgenehmigung an ein Unternehmen einen Abgleich mit der Liste von Scheinfirmen, finden die Prüfer:innen.

Vor allem aber sei das AMS in die Konzeption von finanzintensiven Förderleistungen einzubinden, unterstreicht der Rechnungshof, der kritisiert, die Corona-Kurzarbeitshilfen seien von den Sozialpartnern ohne Mitwirkung von Expert:innen des Arbeitsministeriums sowie des AMS entwickelt worden. Arbeitsministerium und AMS wiederum sei es nicht gelungen, plausible Kriterien für die Beantragung von COVID-19-Kurzarbeit festzulegen. Allerdings habe das AMS als Abwicklungsstelle ab dem Sommer 2020 die Prozesse professionalisiert, indem ein automatisierter Kontrollabgleich mit den Daten des Dachverbands der Sozialversicherungsträger ermöglicht wurde. Gerald Loackers (NEOS) Frage an Arbeitsminister Kocher, weswegen man nicht die Expertise seines Hauses zur Ausarbeitung der Corona-Kurzarbeitshilfen herangezogen habe, erwiderte dieser mit der Feststellung: "Die Experten sind immer eingebunden gewesen". Von Sozialpartnerseite sei nicht die Richtlinie zur Förderung festgelegt worden, sondern die sozialpartnerschaftliche Vereinbarung dazu.

Im März 2020 war laut RH-Bericht ein erheblicher Anstieg der Arbeitslosigkeit auf rund 504.000 Arbeitslose zu verzeichnen, nach Schwankungen im weiteren Verlauf mit Corona-bedingten Lockdowns kam es aber bis Ende März 2021 zu einem Absinken in Richtung des Niveaus vom Sommer 2020. Bei der Langzeitarbeitslosigkeit sei hingegen ein kontinuierlicher Anstieg verzeichnet worden, so der Rechnungshof. Im März 2021 waren demnach rund 98.000 Personen langzeitarbeitslos gemeldet, 92 % mehr als im Jahr davor.

COVID-19-Kurzarbeitshilfen erleichterten Missbrauch

Zwar hält der Rechnungshof in seinem Bericht zur COVID-19-Kurzsarbeitsbeihilfe im Prüfzeitraum März 2020 bis März 2021 fest, die Maßnahme sei zur Sicherung von Arbeitsplätzen gerechtfertigt gewesen. Allerdings bezweifelten die Prüfer:innen, ob ausreichend Treffsicherheit der Hilfen gewährleistet war. Möglicher Missbrauch bei von Arbeitsgeberseite abgerechneten Ausfallstunden sei kaum zu kontrollieren gewesen, obwohl sich das Corona-Kurzarbeitsmodell großzügiger gestaltete als sein Vorgängermodell, wie Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker festhielt. Unternehmen erhielten die Kosten der Ausfallstunden nämlich vollständig abgegolten, wodurch Arbeitnehmer:innen mit vergleichsweise hohen Ersatzraten ihres Nettoentgelts ein deutlich höheres Einkommen als in Arbeitslosigkeit garantiert wurde. Die Großzügigkeit sei der Situation geschuldet gewesen, so Kraker, aber nicht dauerhaft tragbar. Missbräuche konnten nicht ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund wiesen Michael Seemayer (SPÖ), David Stögmüller (Grüne) und Christian Lausch (FPÖ) auf Corona-Hilfen für Unternehmen hin, die auch während der Pandemie eine positive Umsatzentwicklung hatten bzw. Gewinne schrieben. Arbeitsminister Kocher versicherte, die Corona-Kurzarbeit mit 100%-Ersatzraten gebe es mittlerweile nicht mehr, im Moment befinde man sich bei für Kurzarbeit nach dem alten Modell angemeldeten Personen auf dem Niveau vor der Pandemie.

Um Betriebe, die bereits vor der Pandemie wirtschaftliche Probleme hatten, nicht automatisch bei der Corona-Kurzarbeit mitzunehmen, galt als wesentliche Voraussetzung für den Bezug der Kurzarbeitshilfe, dass sich das Unternehmen in vorübergehenden, nicht saisonbedingten, wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Neben fehlenden Kriterien zur Plausibilisierung dieser temporären Schwierigkeiten kritisiert der Rechnungshof in diesem Zusammenhang, dass häufige – oft rückwirkend gültige – Anpassungen der Förderrichtlinie im Berichtszeitraum die Abwicklung zusätzlich erschwerten. Die Vorgaben zum Leistungsbezug hätten sich immer wieder geändert.

AMS: Abarbeitung der Förderanträge unter Zeitdruck

Anders als mögliche Fehlangaben durch die Leistungsempfänger konnte der Rechnungshof sehr wohl Fehler bei der Auszahlung der Kurzarbeitshilfen feststellen. So habe der Bund auf Grundlage eines ungeeigneten Berechnungsmodells bis Ende Mai 2020 ungewollt eine Überzahlung von 500 Mio. € getätigt und wegen des Zeitdrucks zu spät erkannt. Den großen Anstieg an Anträgen für Kurzarbeit, ungeklärte rechtliche Fragen und nur wenig Personal, das über langjährige Erfahrung mit der Berechnung von Kurzarbeit verfügte, schilderte Johannes Kopf als die besonderen Herausforderungen, mit denen das AMS im Frühjahr 2020 konfrontiert war. Um Unternehmen so rasch wie möglich zu unterstützen, habe es den Auftrag gegeben, die Anträge so schnell wie möglich zu bearbeiten, bewilligen und auszubezahlen. Wie Johann Singer geltend machte, lieferte das AMS bei der Antragsabwicklung in hoher Geschwindigkeit, mit durchschnittlich neun Tagen pro Antragsgenehmigung und durchschnittlich zehn Tagen für Auszahlungen.

Laut Kopf wurden in weiterer Folge Kontrollmechanismen aufgebaut, derzeit werde eine größere Zahl an Rückforderungen bearbeitet. Ein weiteres Kontrolllevel sei im Gange, wobei die Zeitaufzeichnungen der Mitarbeiter:innen kontrolliert werden. Bei gemeldetem Missbrauch werde die Finanzpolizei wegen Betrugsverdacht eingeschaltet, führte er aus. Die Höhe der Rückforderungen sei derzeit nicht statistisch auswertbar. Es habe auch Missbrauch stattgefunden, der nicht aufdeckbar sei, sagte Kopf mit Blick auf das aus seiner Sicht "klügere" alte System der Kurzarbeit, worin er weniger Anreize für Missbrauch sah. Im Jahr 2020 habe die Corona-Kurzarbeit mindestens 245.000 Menschen den Arbeitsplatz gerettet, rechnete er vor. Für künftige Krisen sei das AMS gut gewappnet, zeigte Kopf sich überzeugt. (Fortsetzung RH-Ausschuss) rei/gla