Parlamentskorrespondenz Nr. 1181 vom 20.10.2022

Bundesrat besiegelt Abschaffung der kalten Progression

Energiekostenausgleich: Mehrheit der Länderkammer für Fristverlängerung zur Antragstellung

Wien (PK) – Die Maßnahmen zur Abschaffung der kalten Progression wurden heute im Bundesrat mit den Stimmen von ÖVP, Grüne, FPÖ und NEOS mit breiter Mehrheit befürwortet. Die SPÖ wandte sich gegen die Regierungsvorlage, kritisierte mangelnde Verteilungsungerechtigkeit und forderte eine gänzliche Abschaffung der kalten Progression, die aus ihrer Sicht - ebenso wie aus der Sicht der FPÖ und der NEOS - nur teilweise abgeschafft wird.

Für die Fristverlängerung zur Antragstellung für den Energiekostenausgleich bis 31. Oktober 2022 sprachen sich neben ÖVP und Grünen auch die NEOS aus. Ein in der Sitzung eingebrachter Antrag der SPÖ für gezielte Hilfe in der Teuerungskrise und zwei Anträge der FPÖ zur Optimierung der Maßnahmen zur kalten Progression sowie zur Ausweitung der Anspruchsberechtigten beim Energiekostenausgleich blieben in der Minderheit.

Einstimmig sprach sich die Länderkammer für eine gesetzliche Grundlage aus, um ein neues Angebot in der Pflegeausbildung zu schaffen. Stimmenmehrheit gab es für eine 15a-Vereinbarung zwischen dem Land Oberösterreich und dem Bund. Diese regelt die Errichtung und den Betrieb des Institute of Digital Sciences Austria in Linz, vor allem hinsichtlich der Finanzierung.

Abschaffung der kalten Progression durch Anhebung der Tarifstufen

Entgegengewirkt werden soll der schleichenden Steuererhöhung durch höhere Steuerklassen bei Lohnerhöhungen gemäß Teuerungs-Entlastungspaket Teil II mit folgenden Maßnahmen: Die Einkommensteuertarife werden jährlich automatisch um zwei Drittel der Inflationsrate angepasst, Einkünfte im Umfang des verbleibenden Drittels nach sozialökonomischen Parametern weiter entlastet. Die Besteuerungsgrenzen in der Land- und Forstwirtschaft werden erhöht und der Dienstgeberbeitrag von 3,9% auf 3,7% gesenkt. Für das Jahr 2023 ist eine automatische Anhebung der Einkommensgrenzen im Lohn- und Einkommensteuerrecht um 3,46% vorgesehen, wobei den beiden untersten Tarifstufen eine außertourliche Anhebung um insgesamt 6,3% zur Abfederung der aktuellen Teuerung zuteilwird. Berechnungen gehen im nächsten Jahr von 1,85 Mrd. € weniger Steuerlast für die Bevölkerung aus, 2024 von bereits 4,38 Mrd. € Entlastung. Weiters wird das variable Entlastungsdrittel dafür genutzt, verschiedene Absetzbeträge wie den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Pensionistenabsetzbetrag um die volle Inflationsrate von 5,2% (statt 3,46%) anzuheben.

Die Abschaffung der kalten Progression wäre grundsätzlich begrüßenswert, so Elisabeth Grossmann (SPÖ/St). Allerdings sei ein Modell gewählt worden, das Spitzenverdiener besonders berücksichtige. Frauen und Kinder seien die großen Verlierer:innen. Das Gesamtvolumen der Reform komme zu 60% Männern und nur zu 40% Frauen zugute, kritisierte Grossmann sowohl fehlendes Gender Budgeting, als auch mangelnde Unterstützung der einkommensschwachen Haushalte. Im neuen Budget ortet sie insgesamt eine deutliche Verteilungsungerechtigkeit, eine Umverteilung von unten nach oben und eine fehlende Gegenfinanzierung. Stefan Schennach (SPÖ/W) brachte den SPÖ-Entschließungsantrag ein und forderte gezielte Hilfe in der Teuerungskrise, wie etwa die gänzliche Abschaffung der kalten Progression, anstelle von "Steuergeschenken für Spitzenverdiener:innen".

Franz Ebner (ÖVP/O) sprach von einem historischen Beschluss und einem Meilenstein. Endlich werde die schleichende Steuererhöhung abgeschafft, verdiente Lohnerhöhungen würden nunmehr bei den Arbeitnehmer:innen ankommen. Alle Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen würden von der Maßnahme profitieren, betonte Ebner. Dass dabei unter anderem die untere Einkommensgrenze nunmehr nach oben geschoben werde, helfe insbesondere den Geringverdiener:innen. Auch die automatische Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen ab kommendem Jahr stelle einen dauerhaften Entlastungsschritt dar. Diese treffsicheren Maßnahmen würden in Zeiten der anhaltenden Teuerung alle Menschen entlasten und stellen ein klares Bekenntnis gegen schleichende Steuererhöhungen dar, meinte auch Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP/V).

Die kalte Progression werde nicht abgeschafft, sondern nur gemildert, wandte demgegenüber Johannes Hübner (FPÖ/W) ein. Für Bürger:innen gebe es keine Rechtssicherheit und Planbarkeit im steuerlichen "Dschungel", bemängelte er. Die Maßnahme stelle außerdem nur eine Ex-Post-Betrachtung dar, die völlig losgelöst sei von dem, was derzeit an inflationärem Geschehen passiere. Zumindest seien die Maßnahmen ein Schritt in die richtige Richtung, daher könne die FPÖ die Zustimmung erteilen. Zusätzlich brachte Hübner aber den FPÖ-Antrag für eine Optimierung der Maßnahmen zur Bekämpfung der kalten Progression ein.

Alle Einnahmen des Staates aus der kalten Progression würden den Bürger:innen wieder zurückgegeben, so Elisabeth Kittl (Grüne/W). Genau für Geringverdiener:innen habe man sich das Konzept überlegt, dass das verbleibende Drittel an die niedrigste Steuerstufe umverteilt werde. Für jene, die in keine Einkommensteuerklasse fallen, gebe es etwa die Negativsteuer, zudem würden die Absetzbeträge um den vollen Inflationsbetrag erhöht werden. Es gehe hier genau um die Treffsicherheit im Hinblick auf Sozialpolitik mit armutsvermeidenden Maßnahmen. So würden etwa alleinerziehende Frauen  durch die Valorisierung der Familien- und Sozialleistungen mehr erhalten, so Kittl.

Seine Zustimmung sprach auch Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) aus, obwohl die kalte Progression nur zu zwei Drittel abgeschafft werde und er für eine gänzliche Abschaffung eintrete. Er verstehe den Beweggrund mit dem Ansatz der Armutsbekämpfung mit dem verbleibenden Drittel, sehe es aber als problematisch an, dass damit ein negativer Anreiz dagegen gesetzt werde, mehr zu arbeiten bzw. mehr verdienen zu wollen. Die Anhebung der Vollpauschalierungsgrenze für Landwirt:innen stelle aus Sicht von Arlamovsky eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Berufsgruppen dar, die keinen solchen Vorteil bekommen würden.

Die nunmehrige Abschaffung der kalten Progression sei ein historischer Schritt, und sie werde zu 100 Prozent abgeschafft, hielt demgegenüber Finanzminister Magnus Brunner fest. Zwei Drittel der Abschaffung erfolgen ihm zufolge automatisch und ein Drittel komme jenen zugute, die weniger verdienen. Dass die Abschaffung nur Steuerzahler:innen zugutekomme, sei genau der Sinn dieser Entlastungsmaßnahme. Darüber hinaus habe der Budgetdienst des Parlaments sehr wohl festgestellt, dass die Maßnahmen Menschen mit weniger Einkommen mehr entlasten werden.

150 €-Energiegutschein: Antragsmöglichkeit verlängert

Mehr Personen sollten die Möglichkeit haben, vom Energiekostenausgleich zu profitieren, wird der gemeinsam mit dem Teuerungs-Entlastungspaket II verhandelte Initiativantrag der Koalitionsparteien auf Verlängerung der Einreichfrist begründet. Nach derzeitiger Rechtslage konnten die Gutscheine zum Energiekostenausgleich in der Höhe von 150 € nur bis Ende August 2022 bei einem Stromanbieter eingereicht werden. Neben der Verlängerung der Einreichfrist bis Ende Oktober 2022 wird auch die Frist für die Vorlage der Daten zur Einlösung auf 31. März 2023 verschoben.

Johannes Hübner (FPÖ/W) kritisierte , dass angesichts der hohen Teuerung der Betrag von 150 € zynisch sei. Außerdem sei die Maßnahme gleichheitswidrig, weil ein Energieliefervertrag Voraussetzung sei. Mit dem eingebrachten FPÖ-Entschließungsantrag forderte er eine entsprechende Ausweitung der Anspruchsberechtigten beim Energiekostenausgleich.

Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) wiederum bemängelte die Treffsicherheit der "unglücklichen Gutscheinlösung" und sprach sich grundsätzlich gegen die Maßnahme in dieser Form aus. Der Verlängerung der Einreichfrist stimme er seitens der NEOS dennoch zu, so Arlamovsky.

Neue Angebote in der Pflegeausbildung

Einstimmig befürwortet wurde in der Länderkammer die gesetzliche Grundlage, ein neues Angebot in der Pflegeausbildung zu schaffen. Damit werden die Schulversuche für Höhere Lehranstalten für Pflege und Sozialbetreuung und die neuen dreijährigen Fachschulen für Sozialberufe mit Pflegevorbereitung zu einem Teil des Regelschulwesens. Zudem soll Berufstätigen und Arbeitssuchenden der Einstieg in den Pflegebereich erleichtert werden. Die 2020 als Schulversuch gestarteten fünfjährigen "Höheren Lehranstalten für Pflege und Sozialbetreuung" (HLSP) sollen zu regulären Berufsschulen mit Maturaabschluss werden. Eine weitere Möglichkeit der Ausbildung zur Pflege(fach)assistenz bieten zudem künftig dreijährige Fachschulen für Sozialberufe mit Pflegevorbereitung, die die bestehenden Fachschulen für Sozialberufe ergänzen. Starten sollen die neuen Schulformen und deren Kooperationen mit Gesundheitseinrichtungen ab dem Schuljahr 2023/24.

Finanzierung der Digitaluniversität Linz

Die von den Bundesrät:innen mehrheitlich angenommene 15a-Vereinbarung zwischen dem Land Oberösterreich und dem Bund regelt die Errichtung und den Betrieb des Institute of Digital Sciences Austria in Linz, vor allem hinsichtlich der Finanzierung. Das Gründungsgesetz für die neue Universität zur digitalen Ausbildung, die ab dem Studienjahr 2023/2024 operativ tätig und bis 2036 voll ausgebaut werden soll, wurde schon vor dem Sommer verabschiedet.

Bund und Land Oberösterreich werden sich die Errichtungskosten für die Gebäude samt Neben- und Außenanlagen des IDSA zu jeweils 50% teilen. Die Basisfinanzierung der laufenden Kosten des Universitätsbetriebs samt Miete und Betriebskosten für bestehende Gebäude übernimmt der Bund. Das IDSA soll durch die Ausbildung von praxisorientierten und innovativen Digitalisierungsexpert:innen einen Beitrag zur Sicherung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs leisten. (Fortsetzung Bundesrat) mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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