Parlamentskorrespondenz Nr. 1316 vom 22.11.2022

Neu im Verfassungsausschuss

ÖVP und Grüne schlagen Änderungen im Wahlrecht vor

Wien (PK) – Bereits im Sommer hat der Nationalrat auf Initiative der Koalitionsparteien ein kleines Wahlrechtspaket beschlossen. Nun liegt den Abgeordneten das für den Herbst angekündigte größere Wahlrechtsänderungsgesetz 2023 zur Beratung vor (3002/A). ÖVP und Grüne wollen damit unter anderem die Auszählung von Briefwahlstimmen beschleunigen. Zudem sind Verbesserungen für Menschen mit Behinderung, höhere Entschädigungen für Wahlbeisitzer:innen und kürzere Mindestöffnungszeiten für Eintragungslokale zur Unterstützung von Volksbegehren geplant. Nicht alle Punkte des Entwurfs sind laut Erläuterungen schon bis ins letzte Detail ausgearbeitet, zudem streben die Koalitionsparteien eine umfassende Begutachtung des Gesetzentwurfs an.

Geht es nach den Koalitionsparteien, soll es künftig jedenfalls in ganz Österreich möglich sein, schon bei der Abholung einer Wahlkarte auf der Gemeinde bzw. beim Magistrat seine Stimme abzugeben. Damit werde quasi ein Vorwahltag eingeführt, da Briefwahl-Beantragung und Stimmabgabe unter einem erfolgen können, machen die Antragsteller:innen Wolfgang Gerstl (ÖVP) und Agnes Sirkka Prammer (Grüne) geltend. Außerdem sollen Wahlkarten, die bis Freitagmittag vor der Wahl bei der zuständigen Gemeinde- bzw. Bezirkswahlbehörde eingetroffen sind, möglichst noch am Wahltag ausgezählt werden. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Wahlergebnis nach Auszählung der übrigen Wahlkartenstimmen – die nach wie vor Montag und Donnerstag nach der Wahl erfolgen soll – noch signifikant ändert.

Um Menschen mit Behinderung das Wählen zu erleichtern, sieht der Gesetzentwurf einen verpflichtenden barrierefreien Zugang zu sämtlichen Wahllokalen, samt barrierefrei erreichbarer Wahlzelle, vor. Ebenso sind die Bereitstellung von Wahlschablonen für Wahlkarten, die Abschrägung des amtlichen Stimmzettels, Mindestschriftgrößen für Drucksorten sowie vermehrte Informationen in einfacher Sprache in Aussicht genommen. Das betrifft etwa das Informationsblatt über die Stimmabgabe mittels Wahlkarte, das in Hinkunft verpflichtend in leicht lesbarer Sprache verfasst sein muss. Diese Maßnahme könnte auch insgesamt dazu beitragen, die Zahl der ungültigen Briefwahlstimmen zu minimieren. Briefwähler:innen werden künftig außerdem, analog zu den Wahlbehörden, die Möglichkeit haben, den Standort-Status ihrer Wahlkarte (z.B. "im Postweg", "bei der Gemeindewahlbehörde" etc.) elektronisch abzufragen.

In Bezug auf die Administration von Wahlen schlagen die Koalitionsparteien unter anderem höhere finanzielle Entschädigungen für Wahlbeisitzer:innen vor. Sie sollen künftig bundesweit einheitlich und wertgesichert zwischen 33 € und 100 €, abhängig von der Länge der Öffnungszeit des jeweiligen Wahllokals, erhalten. Ausgezahlt werden soll die Entschädigung steuerfrei, dafür wäre ergänzend zum Gesetzespaket allerdings noch das Einkommensteuergesetz zu ändern, wie in den Erläuterungen festgehalten wird. Auch die künftige Höhe jenes Pauschalbetrags, den die Gemeinden für den Wahlaufwand vom Bund – pro wahlberechtigter Person – bekommen, ist noch offen.

Um in jedem Fall eine ausreichende personelle Besetzung der Wahlkommissionen zu gewährleisten, haben ÖVP und Grüne darüber hinaus eine "Pool-Lösung" für interessierte Bürgerinnen und Bürger angedacht. Dafür müsste allerdings die Bundesverfassung geändert werden, wird in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf angemerkt. Ein solcher Schritt soll ihnen zufolge daher erst nach einer Evaluierung der neuen Bestimmungen in Erwägung gezogen werden.

Entlastet werden die Gemeinden in Zusammenhang mit der Auflage von Volksbegehren. Die derzeit bestehende Verpflichtung, die Eintragungslokale auch am Samstag – für zumindest zwei Stunden – offenzuhalten, soll gemäß Gesetzentwurf künftig entfallen. Zudem sind verlängerte Öffnungszeiten bis 20.00 Uhr nur noch für einen Werktag (statt wie bisher zwei) vorgesehen. Begründet wird dieser Schritt damit, dass Volksbegehren seit Inkrafttreten des Volksbegehrensgesetzes 2018 sowohl in jeder beliebigen Gemeinde als auch online – via Handysignatur – unterschrieben werden können.

Auch bei den Wahlkundmachungen in Wohnhäusern planen ÖVP und Grüne Änderungen. Aus diesen wird künftig nicht mehr hervorgehen, wie viele Personen in einer Wohnung wahlberechtigt sind. Im Gegenzug soll die Überprüfung der eigenen Eintragung in die Wählerevidenz per Handysignatur durch einen an der Kundmachung angebrachten QR-Code erleichtert werden. Wer Teilergebnisse einer Wahl – etwa einer Gemeinde – vor Schließung des letzten Wahllokals veröffentlicht, muss künftig mit einer Verwaltungsstrafe (laut Entwurf bis zu 218 €) rechnen.

Weitere Punkte des Gesetzentwurfs betreffen eine verpflichtende "Samstagsentleerung" sämtlicher Briefkästen durch die Post samt zeitgerechter Zustellung der eingelangten Wahlkarten an die Bezirkswahlbehörden, erweiterte Datenverarbeitungen im Zentralen Wählerregister und die ersatzlose Streichung der Gemeindewahlbehörden in Statutarstädten. Deren Aufgaben werden die Bezirkswahlbehörden übernehmen. Zudem soll es künftig allen Sprengelwahlbehörden möglich sein, sich gegebenenfalls erst am Wahltag zu konstituieren. Der Zeitpunkt der Ausstellung der amtlichen Wahlinformation wird vorverlegt, die Ausübung mehrerer Funktionen in ein und derselben Wahlbehörde ausdrücklich verboten. (Schluss) gs