Parlamentskorrespondenz Nr. 152 vom 15.02.2023

EU-Kommission will Kampf gegen Menschenhandel ausweiten

Neben organisierter Schlepperkriminalität thematisiert EU-Ausschuss des Bundesrats auch Harmonisierungspläne im Insolvenzrecht

Wien (PK) – Zwangsheirat und illegale Adoption sollen in einer EU-Richtlinie zum Kampf gegen Menschenhandel, als strafbare Formen der Ausbeutung aufgenommen werden. Das hält die Kommission in ihrem Gesetzgebungsvorschlag, der heute vom EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert wurde, fest. Außerdem will Brüssel die vermehrt über das Internet organisierte Schlepperkriminalität besser bekämpfen. Generell sei ein geeintes Vorgehen der EU-Länder gegen Menschenhandel notwendig, gaben die Teilnehmer:innen an der Ausschussdebatte der Kommission Recht. Laut Justizministerium hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine das EU-Vorhaben in diesem Zusammenhang beschleunigt.

Weniger Verständnis für eine Kommissionsinitiative zeigte der Ausschuss bei seiner Debatte über Pläne zur Harmonisierung von Insolvenzregelungen im Binnenmarkt. Nach Angaben der EU-Kommission führen die Unterschiede bei den Insolvenzregelungen der EU-Länder zu Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Unternehmen aufgrund hoher Risikoprämien und daher zu eingeschränkten Möglichkeiten der Geschäftstätigkeit. Vom Ausschuss wurden Änderungen am heimischen Insolvenzrecht jedoch fraktionsübergreifend ebenso als unnötig zurückgewiesen wie von der Wirtschaftskammer. Österreich verfüge über ausgezeichnete Insolvenzregelungen, abgestimmt auf die kleinstrukturierte heimische Wirtschaft, so der Tenor.

Menschenhandel: Justiz soll mit neuen Entwicklungen Schritt halten

Sexuelle Ausbeutung, Organhandel, Bettelei sowie moderne Arten der Sklaverei sind nach Angaben der EU-Kommission schon seit Jahren die häufigsten in der EU festgestellten Deliktformen beim Menschenhandel. Allerdings habe sich nicht zuletzt durch die vermehrte Internetnutzung die Vorgehensweise der Täter seit der Verabschiedung der EU-Richtlinie gegen Menschenhandel 2011 verändert. Die Bedrohung dieser oftmals organisierten Kriminalität sei gestiegen und habe sich um neue Formen erweitert. Um die Strafjustiz im Vorgehen gegen Menschenhandel zu unterstützen, umfasst der neue Richtlinienvorschlag daher auch Zwangsheirat und illegale Adoption als Formen der Ausbeutung. Gegen in Menschenhandel verwickelte juristische Personen werden zudem eigene Sanktionsregelungen skizziert, von denen eine auf Straftaten ohne erschwerende Umstände und eine auf Straftaten mit erschwerenden Umständen anwendbar ist.

Im Zusammenhang mit der Datenerfassung zum Thema Menschenhandel weist die Kommission darauf hin, dass ein großer Teil der Straftaten nicht gemeldet werde. Außerdem würden die Mitgliedsländer diesbezügliche Statistikdaten häufig erst mit Verzögerung veröffentlichen. Die EU-Kommission will daher die Mitgliedstaaten künftig dazu verpflichten, jährlich Daten über den Menschenhandel zu erheben und der Kommission zu übermitteln. Außerdem sei die Datenerhebung weiter zu harmonisieren, um die Qualität der Daten zu verbessern und die Veröffentlichung der Datenberichte zu beschleunigen. Die Sorge von Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S), vermehrte Berichtspflichten könnten zu einem bürokratischen Mehraufwand führen, der nicht zielführend sei, bestätigte eine Expertin aus dem Justizministerium teilweise. Die konkret angeforderten Datenkategorien seien zu weitgehend und sollten einem weitergehenden Ermessen der Mitgliedsstaaten überlassen respektive auf verfügbare Daten eingeschränkt werden.

Dennoch begrüßt das Justizministerium (BMJ) den Richtlinienvorschlag in seiner allgemeinen Zielsetzung. Die Ratsverhandlungen stünden erst am Anfang, daher gebe es noch offene Detailfragen zu klären, erläuterte die BMJ-Expertin in Richtung Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W). Diskussionsbedarf gibt es laut BMJ beispielsweise bei den Sanktionen gegen juristische Personen, um eine einheitliche Vorgehensweise der EU-Länder sicherzustellen.

"Außer Streit" stehe die "entscheidende Rolle" der EU beim Kampf gegen Menschenhandel, fasste Marco Schreuder (Grüne/W) die Ausschussdebatte zusammen. Stefan Schennach (SPÖ/W) hatte zuvor an Beispielen von Zwangsprostituierten und Opfern von Organhandel die Verbrechen der Menschenhändler dargestellt, die vermehrt Fluchtbewegungen wie jene aus der Ukraine für ihre Machenschaften benutzen würden.

Betont wird dementsprechend vom Justizministerium, Menschenhandel habe in mehrerer Hinsicht eine grenzüberschreitende Dimension, was sich in der justiziellen Zusammenarbeit widerspiegeln müsse. Die im Rahmen des Richtlinienvorschlags durchgeführte Folgenabschätzung zeige, dass 43 % der Opfer von Drittstaatsangehörigen verschleppt werden und nicht Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates sind. Auch die Arbeitsweise der Tätergruppierungen und kriminellen Netze sei zumeist grenzüberschreitend ausgelegt, die Taten werden in verschiedenen Mitgliedsstaaten und/oder Drittstaaten sowie zunehmend im digitalen Bereich begangen. Seit 2015 habe Eurojust einen 50 %-igen Anstieg der registrierten Fälle ausgewiesen. Vor diesem Hintergrund sei eine effektive Bekämpfung von Menschenhandel nur auf Unionsebene möglich, stimmt das Ministerium der EU-Kommission zu. Folglich brauche es eine Harmonisierung einschlägiger nationaler Rechtsvorschriften sowie einen systematischen praktischen Austausch der Mitgliedsländer.

Harmonisierung im Insolvenzrecht stößt auf breite Ablehnung

Österreichs Insolvenzrecht sei "vorbildlich in der ganzen EU" sprach sich Sonja Zwazl (ÖVP/N) gegen das Kommissionsvorhaben aus, allen Mitgliedsländern einheitliche Vorgaben in diesem Zusammenhang zu machen. Gleichermaßen kritisch äußerten sich auch die übrigen Fraktionen, wobei Johannes Hübner (FPÖ/W) vor allem die Kompetenzüberschreitung Brüssels verurteilte. In diesem Sinne kritisierte ein Vertreter der Wirtschaftskammer, "die EU prescht vor, ohne vom EuGH gemaßregelt zu werden", weil kaum ein EU-Land vor dem Europäischen Gerichtshof dagegen protestiere. Der Großteil der heimischen Wirtschaft bestehe aus kleinen Unternehmen, an denen grenzüberschreitende Investoren kein Interesse hätten. Daher gebe es in Österreich auch keine Notwendigkeit, am bestehenden guten Insolvenzsystem etwas zu ändern.

Die EU-Kommission strebt ihrem Entwurf zufolge eben zur Unterstützung der grenzüberschreitenden Investitionen und Geschäftsbeziehungen im europäischen Binnenmarkt noch größere Übereinstimmungen bei den Insolvenzvorschriften der EU-Länder an. Das Fehlen harmonisierter Insolvenzregelungen sei eines der größten Hindernisse für den freien Kapitalverkehr in der EU, nennt die Kommission das Vorantreiben eines integrierten Kapitalmarkts als Motivation für ihren Vorschlag. Insolvenzverfahren würden dadurch beschleunigt, der Verwertungsumfang erhöht und die Kosten gemindert, wodurch wiederum Investitionen gefördert würden.

Unter anderem soll mit der vorgeschlagenen Richtlinie der Verkauf eines Unternehmens vor Eintritt in ein Insolvenzverfahren (Pre-pack-Verfahren) erleichtert werden. Zur Erhöhung des Verwertungsumfangs, der EU-weit zuletzt bei durchschnittlich 40 % lag, will die Kommission im Sinne der Gläubiger eines Unternehmens das Aufspüren von Vermögenswerten verbessern. Dazu soll der grenzüberschreitende Zugriff auf relevante Daten unter Einhaltung strenger Datenschutzbestimmungen gefördert werden.

Österreich begrüße zwar grundsätzlich die Einführung insolvenzrechtlicher Mindeststandards in der EU, gab eine Expertin des Justizministeriums (BMJ) im Ausschuss zu verstehen. Man habe allerdings Bedenken, die avisierten Änderungen könnten Missbrauch erleichtern oder bestehende Schutzstandards in Österreich minimieren. So seien weder das Pre-Pack-Verfahren zur Vorbereitung eines Unternehmensverkaufs im Vorfeld der Insolvenzverfahren noch vereinfachte Verfahren für Kleinstunternehmer im österreichischen Insolvenzrecht vorgesehen. Die Eröffnung eines Unternehmensinsolvenzverfahrens ohne kostendeckendem Vermögen sowie dessen Durchführung ohne Insolvenzverwalter gebe es in Österreich ebenfalls nicht. (Schluss EU-Ausschuss) rei


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