Parlamentskorrespondenz Nr. 336 vom 23.03.2023

Außenpolitischer Ausschuss drängt auf Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Türkei

Anträge der Opposition zu Entwicklungszusammenarbeit, Südtirol und Rückführungsabkommen bleiben in der Warteschleife

Wien (PK) – Der Außenpolitische Ausschuss des Nationalrats hat mit breiter Mehrheit eine Entschließung zur Position Österreichs gegenüber dem Agieren der Türkei in Syrien und im Irak gefasst. Ausgangspunkt war eine Forderung der drei Oppositionsparteien nach einer dezidierten Verurteilung der türkischen Angriffe in Nordostsyrien und dem Nordirak. Dieser Antrag wurde nur von den einbringenden Fraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS unterstützt und damit mehrheitlich abgelehnt. An ihn anknüpfend fasste der Ausschuss jedoch eine Entschließung, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass die Türkei ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt. Der Antrag wurde von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS eingebracht und auch von den Abgeordneten dieser Fraktionen unterstützt.

Vertagt wurden die Anträge der SPÖ zur Forderung, dass die Bundesregierung sich für die Freilassung inhaftierter Journalist:innen in der Türkei einsetzen und das laufende Verbotsverfahren gegen die Demokratische Volkspartei (HDP) der Türkei verurteilen sollen. Auch die Forderung nach verpflichtenden Berichten über österreichische Waffenexporte wurde vertagt. In die Warteschleife verwiesen wurde auch ein SPÖ-Antrag zur Finanzierung der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit. Ein SPÖ-Antrag zur Berichtigung der österreichischen ODA-Quote (ODA = Official Development Assistance, bestehend aus bilateralen Hilfen und Leistungen an internationale Organisationen) wurde einstimmig dem EZA-Unterausschuss zugewiesen.

Ebenso vertagt wurden zwei Anträge zu Rückübernahmeabkommen für abgelehnte Asylwerber:innen. Die FPÖ will weitere bilaterale Abschlüsse, während die NEOS Verträge über Handelsprivilegien an Rückführungsabkommen koppeln wollen.

Zwei FPÖ-Anträge zu Südtirol-Themen wurden ebenfalls nach kurzer Debatte vertagt. 

Opposition will Verurteilung und Stopp der türkischen Angriffe in Nordostsyrien und dem Nordirak

Die drei Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS haben einen gemeinsamen Antrag eingebracht, indem sie die Bundesregierung auffordern wollen, die anhaltenden türkischen Angriffe auf kurdische Ziele etwa im Norden und Osten Syriens auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene auf das Schärfste zu verurteilen. Die Bundesregierung und insbesondere der Außenminister sollten jede Gelegenheit gegenüber offiziellen Vertreter:innen der Türkei nutzen, um auf ein Ende der gewaltsamen Angriffe auf Kurd:innen und auf die Einhaltung der Menschenrechte zu pochen, heißt es in dem Antrag, der aber keine Mehrheit im Ausschuss fand (3083/A(E)).

ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS einigten sich im Ausschuss allerdings auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass die Türkei ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen in vollem Umfang nachkommt. Insbesondere soll Österreich sich gegenüber der Türkei für den Schutz der Zivilbevölkerung, und zwar einschließlich der kurdischen Bevölkerung, und für die Wahrung der Grund- und Menschenrechte in Nordsyrien und im Nordirak einsetzen. Die Bundesregierung solle auch weiterhin Einsatz für die humanitäre Unterstützung der Zivilbevölkerung in Syrien, dem Irak und der Türkei zeigen.

Außenminister Alexander Schallenberg betonte, dass Österreich und die EU bereits klar Stellung bezogen hätten und von der Türkei die Einhaltung aller ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen erwarten würden. Diese Position gelte unverändert.

SPÖ fordert verpflichtende Berichte über österreichische Waffenexporte

Da österreichische Waffen immer wieder in Konflikten auftauchen würden, müsse mehr Transparenz hergestellt werden, argumentierte SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr. Eine gesetzliche Grundlage für jährliche Berichte über die Waffenexporte Österreichs sei daher notwendig (3162/A(E)). Dabei müsse laut Bayr auch den Dual-Use-Gütern größere Beachtung geschenkt werden, da diese immer wieder in Konfliktregionen gelangen würden. Dem Vernehmen nach habe etwa das Regime in Myanmar Drohnen mit Bestandteilen aus österreichischer Produktion für brutale repressive Maßnahmen eingesetzt. Auch Henrike Brandstötter (NEOS) sprach sich für eine bessere Definition von "Dual-Use" aus. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) sagte, es handle sich um ein wichtiges Thema, allerdings sei es sinnvoll, dieses im Verteidigungsausschuss zu debattieren, wo ein gleichlautender Antrag bereits eingebracht sei.

Außenminister Alexander Schallenberg erklärte, er könne ausschließen, dass in den letzten Jahren Dual-Use-Güter nach Myanmar exportiert worden seien. Grundsätzlich gebe es eine Auflistung der EU, welche Güter als "Dual-Use" nicht in Konfliktregionen exportiert werden dürfen. Angesichts der ständig voranschreitenden technischen Entwicklungen sei es aus seiner Sicht sinnvoll, eine flexible Regelung zu haben, die ein stetiges Nachschärfen erlaube.

Türkei: SPÖ drängt auf Freilassung von Journalist:innen, kritisiert Verbotsverfahren gegen die HDP

Neben den Folgen des verheerenden Erdbebens in Teilen der Türkei zeigt sich die SPÖ alarmiert über die sich verschlechternde politische Lage im Land, insbesondere in Zusammenhang mit der Einschränkung der Pressefreiheit und der Situation von Journalist:innen. Sie spricht sich daher dafür aus, dass die Bundesregierung der Forderung nach freier Presse- und Meinungsäußerung in der Türkei sowie nach Freilassung türkischer Journalist:innen noch einmal deutlich Ausdruck verleiht (3252/A(E)). ÖVP-Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli wies darauf hin, dass sich der Nationalrat mit einer Entschließung bereits im März 2022 für freie Meinungsäußerung in der Türkei eingesetzt habe. Diese Position gelte unverändert, begründete sie den Antrag auf Vertagung des Antrags der SPÖ.

Einen zweiten Anlauf unternimmt die SPÖ auch bezüglich des laufenden Verbotsverfahrens gegen die Demokratische Volkspartei (HDP) in der Türkei. Harald Troch (SPÖ) wies darauf hin, dass die drittgrößte demokratisch legitimierte Partei des Landes, die sich in ihrem Parteiprogramm und ihrer Politik für eine demokratische und pluralistische Türkei einsetze, gerade jetzt immer stärkeren Angriffen der türkischen Regierung ausgesetzt sehe. Der Außenminister solle daher erneut das Verbotsfahren verurteilen und sich auf bilateraler sowie auf europäischer Ebene für die Einhaltung von demokratischen Strukturen in der Türkei einsetzen (3253/A(E)).Auch in diesem Fall erfolgte eine Vertagung. Nico Marchetti (ÖVP)argumentierte, dass Österreich bereits klar Position bezogen habe, er sehe daher keinen Mehrwert in einer fast gleichlautenden Entschließung. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) plädierte dafür, angesichts der bevorstehenden Wahlen in der Türkei die dortige Lage besonders im Auge zu behalten.

SPÖ: Entschuldung des Sudans nicht in ODA-Quote einberechnen

SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr ortet in Bezug auf die österreichische ODA-Quote eine nicht gerechtfertigte "Zahlenkosmetik" in den Budgetvorschauen des Finanzministers. Der Beitrag Österreichs zur Entschuldung des Sudans sei in den letzten Jahren nicht geflossen, trotzdem finde sich diese Position in den Budgetunterlagen und lasse Österreichs ODA-Quote höher erscheinen, als sie tatsächlich sei. Bayr fordert daher eine Darstellung der ODA-Quote, die nicht automatisch Jahr für Jahr die allfällige Entschuldung des Sudans miteinberechnet (3044/A(E)). Nach ihr vorliegenden Auskünften sei auch der Finanzminister an einer Bereinigung dieser Situation interessiert, erklärte die SPÖ-Abgeordnete. Ihr Antrag, den Antrag dem EZA-Unterausschuss zur Vorberatung zuzuweisen, wurde einstimmig angenommen.

FPÖ und NEOS fordern geänderten Zugang zu Rückführungsabkommen

Erneut auf der Tagesordnung stand die Forderung der FPÖ nach Abschluss weiterer bilateraler Rückübernahmeabkommen. Der Fokus solle dabei auf Syrien, den Irak, Afghanistan, Bangladesch, Somalia und Ägypten liegen (2292/A(E)). Österreich sei zur Zeit einer der von Migration am meisten betroffenen EU-Mitgliedstaaten, beklagen die Freiheitlichen. Die Anzahl der Abschiebungen, Rückführungen oder freiwilligen Ausreisen sei hingegen "sehr überschaubar", merkte FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger an. Aus Sicht seiner Fraktion müsse die Lösung bilateral gesucht werden, statt immer nur auf die EU zu verweisen.

Für einen Ausbau von Rückführungsabkommen sprechen sich auch die NEOS aus. Die EU-Kommission habe ein 70-%-Ziel von Rückführungen abgelehnter Asylwerber:innen definiert, der EU-Durchschnitt sei allerdings bei nur 30 %, macht Nikolaus Scherak (NEOS) in einem Entschließungsantrag geltend. Da sich mehrere Staaten weigern würden, ihre Staatsbürger:innen zurückzunehmen, schlage ihre Fraktion vor, Handelsprivilegien nicht kooperativer Staaten an Rückführungsabkommen zu koppeln, führte Henrike Brandstötter aus (3193/A(E)).

Michel Raimon (Grüne) sprach sich für die Vertagung der Anträge aus. Die Forderung der FPÖ sei angesichts der politischen Bedingungen der angeführten Länder nicht realisierbar, meinte er. Die NEOS-Forderung sei für ihn besonders problematisch, denn was ihm Antrag als "Handelsprivilegien" bezeichnet werde, seien nichts anderes, als Abkommen zum Schutz der ärmsten Länder auf dem Weltmarkt.

Berichte des Unterausschusses über FPÖ-Anliegen zu Südtirol

Nach der Behandlung von Anträgen der FPÖ im Südtirol-Unterausschuss des Nationalrats standen heute die Berichte des Unterausschusses zu zwei Anträgen auf der Tagesordnung des Außenpolitischen Ausschusses. FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm sieht eine fortschreitende "Italianisierung" der Verwaltung in Südtirol, der Einhalt geboten werden müsse (2403/A(E)). Ewa Dziedzic (Grüne) sprach sich für die Vertagung des Antrags aus. Was die FPÖ als "Italianisierung" bezeichne, sei die Aufnahme von 100 Personen in die Verwaltung Südtirols.

Außerdem wünscht Wurm vom Außenminister die Initiierung eines österreichisch-italienischen Abkommens, um Traditions- und Schützenverbänden das grenzüberschreitende Waffentragen zu ermöglichen (2585/A(E)). Nikolaus Belakowitsch (ÖVP) verwies auf die Wiederaufnahme von Gesprächen zur Lösung dieses Punktes und sprach sich auch hier für die Vertagung aus.

SPÖ fordert Finanzierung der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit

SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr hält eine Aufwertung der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit für erforderlich. Sie fordert, dem Vorschlag der Vereinten Nationen zu folgen und zumindest 3 % der EZA-Mittel für Inlandsarbeit aufzuwenden, sowie die Förderungen in diesem Bereich jährlich zu valorisieren (263/A(E)). Der Antrag sei bereits mehrfach vertagt und zuletzt zwar dem Unterausschuss für Entwicklungszusammenarbeit zugewiesen, aber auch dort nicht substanziell diskutiert worden, zeigte sich Bayr unzufrieden. ÖVP-Mandatar Martin Engelberg wies auf die bereits erfolgte Aufstockung der EZA-Mittel hin und sprach sich für eine Vertagung des Antrags aus. (Schluss Außenpolitischer Ausschuss) sox