Parlamentskorrespondenz Nr. 362 vom 29.03.2023

Nationalrat: FPÖ bleibt mit Forderung nach Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses allein

Erster Plenartag endet mit Corona-Debatte und Ersten Lesungen

Wien (PK) – Der Nationalrat hat heute Abend die Forderung der FPÖ nach Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses abgelehnt. Die Abgeordneten folgten wie erwartet der Empfehlung des Geschäftsordnungsausschusses und nahmen den ablehnenden Bericht über den FPÖ-Antrag mit breiter Mehrheit zur Kenntnis. Die FPÖ sei nicht an einer objektiven Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen interessiert, vielmehr gehe es ihr darum die Spaltung der Gesellschaft zu vertiefen und politisches Kleingeld zu wechseln, sind ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS überzeugt. Kein Verständnis für die Entscheidung der anderen Parteien zeigte die FPÖ: Ihrer Meinung nach wird in Bezug auf die Corona-Politik noch viel Verborgenes zutage treten.

In der Begründung des U-Ausschuss-Antrags ist unter anderem von einer "Corona-Diktatur" die Rede. Die Regierung habe nicht nur Grund- und Freiheitsrechte unverhältnismäßig eingeschränkt, sondern viele Folgen der Corona-Maßnahmen wie Vereinsamung in Alten- und Pflegeheimen, Lerndefizite durch Homeschooling, häusliche Gewalt und gesundheitliche Folgeschäden durch verschobene Operationen und psychische Belastungen nicht bedacht, machen Erstantragsteller Christian Hafenecker und seine Parteikolleg:innen geltend. Zudem hätten "viele Milliarden Euro" für Corona-Hilfen aufgewendet werden müssen. Diese würden das Budget massiv belasten und zu einer "sich immer rasanter entwickelnden Staatsverschuldung" und zur aktuellen Inflationsentwicklung beitragen.

Die FPÖ wollte vor diesem Hintergrund sämtliche Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zwischen 7. Jänner 2020 und 28. Juni 2022 unter die Lupe nehmen. Dazu hätten nicht nur politische Entscheidungen wie Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbote und die Verpflichtung zum Tragen von Masken gehört, sondern etwa auch Beschaffungsvorgänge, Informationskampagnen und die Einrichtung diverser Krisenstäbe. Auch Förderungen und Entschädigungszahlungen, die Einführung der Impfpflicht sowie viele weitere Entscheidungen sollten beleuchtet werden.

Man müsse prüfen, warum Österreich 70 Millionen Impfdosen für neun Millionen Einwohner angeschafft habe und wer für den "Einsperrfetischismus" politisch verantwortlich gewesen sei, bekräftigte Hafenecker in der Plenardebatte. Österreich sei, was Lockdowns betrifft, eines der radikalsten Länder gewesen. Zudem seien Impfschäden lange "verschleiert" und Medien mit Inseraten "korrumpiert" worden. Maskenfirmen seien "wie Schwammerln aus dem Boden geschossen". Augenfällig ist laut Hafenecker auch, dass 70 % der Expert:innen, die in der Gecko-Kommission gesessen sind, "irgendeine Verbindung zur Pharmaindustrie haben". Der ÖVP warf er vor, sich im Zuge von Fördervergaben "ungeniert die eigenen Taschen vollgestopft" zu haben.

Der Ankündigung von Bundeskanzler Karl Nehammer, Gräben zuschütten zu wollen, schenkt Hafenecker keinen Glauben. Er erwartet sich vielmehr, "dass der Vertuschungsprozess weiter fortgesetzt wird" und sprach von einem "Verhöhnungsprozess". Auch die anderen Parteien wollen seiner Meinung nach notwendige Aufklärungsarbeit verhindern. Das werde aber nichts nützen, hielt dazu seine Fraktionskollegin Susanne Fürst fest: Es werde alles zutage treten, egal ob die anderen Fraktionen dem geforderten Untersuchungsausschuss heute zustimmen oder nicht. Ihrer Ansicht nach wurden in Zeiten der Corona-Pandemie "desaströse Fehlentscheidungen" getroffen, die aufgeklärt gehörten.

ÖVP-Abgeordneter Gabriel Obernosterer hielt der Kritik der FPÖ entgegen, dass die Politik in der Krise gut gearbeitet habe und Österreich gut durch die Krise gekommen sei. Das würden nicht zuletzt die Wirtschaftszahlen zeigen. Zudem liege Österreich im untersten Drittel der Länder, was die Todesfälle pro 100.000 Einwohner:innen betrifft. 75 % der Bevölkerung hätten sich impfen lassen, 85 % bis 90 % an die Regeln gehalten. Diese Gruppe müsse sich nicht bei jenen 10 % entschuldigen, die das nicht getan hätten. Vielmehr sollte es wohl eher umgekehrt sein, meinte der Abgeordnete.

Natürlich seien Fehler passiert, räumte Obernosterer ein, Österreich habe aber alles getan, um die Menschen bestmöglich vor dem Coronavirus zu schützen. Die FPÖ habe seinerzeit sogar härtere Maßnahmen in Bezug auf Lockdowns und Grenzschließungen gefordert. Nun müssten Expert:innen untersuchen, was man richtig und was man falsch gemacht habe. Die FPÖ wolle aber keine Gräben zuschütten, kritisierte Obernosterer, vielmehr gehe es ihr darum, diese noch weiter aufzureißen. Sein Parteikollege Peter Weidinger hob die Notwendigkeit hervor, den sozialen Zusammenhalt stärken und nicht zu schwächen.

SPÖ-Abgeordnete Melanie Erasim bezweifelte, dass es der FPÖ um wirkliche Aufklärung geht. Vielmehr wolle sie "mit den größten Baggern und den größten Baggerschaufeln" die Gräben weiter aufreißen, "um politisches Kleingeld zu verdienen". Jene, die sich an die Corona-Regeln gehalten haben, würden von der FPÖ genauso verhöhnt wie jene, die freiwillig in Impf- und Teststraßen mitgeholfen hätten. Es gebe einiges, das aufklärungsbedürftig sei, räumte Erasim ein, dazu brauche es aber "eine Achse der Vernunft" und keine Untersuchungsausschuss-Anträge, die auf "Verschwörungstheorien" aufbauen. Die SPÖ sei für "echte Aufklärung" zu haben, für "den billigen Populismus" der FPÖ aber nicht.

Ähnlich sieht das Grünen-Abgeordneter David Stögmüller. Die FPÖ wolle einen Keil in die Gesellschaft hineintreiben und "mit Dynamit" die Spaltung vergrößern, kritisierte er. Es gehe ihr darum, Verunsicherung und Angst zu schüren, "um noch mehr Stimmen zu lukrieren". An einer objektiven Aufklärung sei die FPÖ in keiner Weise interessiert. "Eigentlich müssten Sie sich schämen", hielt Stögmüller in Richtung Abgeordnetem Hafenecker fest. Dass in der Corona-Zeit auch falsche Entscheidungen getroffen wurden, ist für Stögmüller klar, nun gehe es darum, aus der Krise zu lernen, um bei einer nächsten Krise Fehler zu vermeiden. Es brauche daher Aufklärung und Kontrollen.

NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker wies darauf hin, dass durch Rechnungshofprüfungen und parlamentarische Anfragen schon einige Missstände zutage getreten seien. Als Beispiel nannte er Fördervorgaben durch die COFAG und zu viel ausbezahlte Kurzarbeitsbeihilfen. Zudem seien 5 Mrd. € für Corona-Tests "verblasen" worden, ohne dass Österreich bessere Ergebnisse bei der Pandemie-Bekämpfung erzielt hätte als andere Länder. "Noch mehr Dreck aufzuwühlen", würde seiner Meinung nach keine neuen Erkenntnisse bringen. Was Österreich bräuchte, sei ein Blick nach vorne, meinte Loacker. Man müsse sich überlegen, was zu tun ist, damit Österreich bei einer nächsten Pandemie besser aufgestellt sei.

Ausweitung der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Gesetzesvorhaben

Beendet wurde der heutige Plenartag mit der Ersten Lesung von zwei Fünf-Parteien-Anträgen, die beide auf eine Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats abzielen. Zum einen geht es dabei um die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung bei bestimmten Gesetzesvorhaben, zum anderen um die Einrichtung eines Klubregisters.

Konkret planen ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS, die von der EU im Falle der Einführung neuer Berufsreglementierungen geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Initiativanträge von Abgeordneten, Gesetzesanträge von Ausschüssen und Initiativen des Bundesrats auszuweiten. Derzeit ist nur die Regierung zur Durchführung einer solchen Prüfung vor Einbringung eines Gesetzesvorschlags verpflichtet. Auch wenn Regierungsvorlagen im Zuge des Gesetzgebungsprozesses geändert bzw. ergänzt werden, soll eine derartige Prüfung künftig zwingend sein. Unter anderem ist abzuwägen, ob die Reglementierung notwendig und angemessen ist, welche Auswirkungen sie auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr hat und ob es nicht andere – weniger einschränkende – Alternativen gäbe. Damit sollen unter anderem das Grundrecht auf Berufsfreiheit abgesichert und eine Diskriminierung von Bürger:innen anderer EU-Ländern vermieden werden.

Wie eine solche Prüfung während eines bereits laufenden Gesetzgebungsprozesses genau abzulaufen hat, wollen die fünf Parlamentsparteien im Geschäftsordnungsgesetz regeln. Der gemeinsam vorgelegte Antrag sieht etwa bestimmte Fristen vor, um Verzögerungen von Gesetzesbeschlüssen zu vermeiden. Zudem soll eine bestimmte Zahl von Prüfungen auch von einzelnen Klubs durchgesetzt werden können.

Einrichtung eines Klubregisters

Der zweite Fünf-Parteien-Antrag auf Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes steht in Zusammenhang mit der geplanten Einrichtung eines Klubregisters. Mit einer Novelle zum Klubfinanzierungsgesetz soll der Präsident bzw. die Präsidentin des Nationalrats ausdrücklich dazu verpflichtet werden, ein öffentlich einsehbares Verzeichnis zu führen, das die Namen der parlamentarischen Klubs sowie die für diese vertretungsbefugten Personen enthält. Damit kann ein Passus im Geschäftsordnungsgesetz, wonach der Einrichtung eines Klubregisters zwingend Beratungen in der Präsidiale voranzugehen haben, gestrichen werden.

Wortmeldungen gab es zu beiden Anträgen keine. Sie wurden nach ihrem Aufruf jeweils dem Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats zur weiteren Beratung zugewiesen.

Zu Beginn der heutigen Sitzung war Werner Herbert als neuer FPÖ-Abgeordneter angelobt worden. Er übernahm das Mandat von Edith Mühlberghuber, die in den Niederösterreichischen Landtag gewechselt ist. Herbert gehörte dem Nationalrat bereits zwischen Oktober 2008 und Oktober 2013 sowie zwischen November 2017 und Oktober 2019 an und war dazwischen Mitglied des Bundesrats. (Schluss Nationalrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.