Parlamentskorrespondenz Nr. 700 vom 20.06.2023

ORF-Reformpaket hat Verfassungsausschuss passiert

GIS-Gebühr wird ab 2024 in Haushaltsabgabe umgewandelt, digitales Angebot des ORF wird ausgeweitet

Wien (PK) – Das von der Regierung vorgeschlagene ORF-Reformpaket hat heute den Verfassungsausschuss des Nationalrats passiert. ÖVP und Grüne stimmten für den umfangreichen Gesetzentwurf, der unter anderem eine Umwandlung der GIS-Gebühr in eine Haushaltsabgabe und eine Ausweitung des digitalen Angebots des ORF bringt. So darf der Sender künftig etwa reine Online-Angebote bereitstellen, die Abrufdauer von Sendungen in der ORF-TVthek wird verlängert. Im Gegenzug sind eine Reduktion der Textmeldungen auf der Überblicksseite von orf.at und stärkere Werbebeschränkungen vorgesehen. Außerdem wird der ORF zu Sparmaßnahmen und zu mehr Transparenz verpflichtet. Kritik kommt von der Opposition, sie konnte sich mit diversen Entschließungsanträgen jedoch nicht durchsetzen.

Ebenfalls auf dem Weg ins Plenum ist eine von den Koalitionsparteien vorgeschlagene Novelle zum Privatradiogesetz und zum Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz. Betreiber von Privatradios werden demnach künftig – neben einem analogen Programm – bis zu sechs digitale terrestrische Hörfunkprogramme in einem Versorgungsgebiet ausstrahlen können. Bisher ist die Zahl auf zwei begrenzt. Ähnliches gilt für Medienverbünde. Dieser Gesetzentwurf wurde einstimmig angenommen.

Opposition vermisst Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit des ORF

Die Opposition bedauerte unter anderem, dass die ORF-Gesetz-Novelle (2082 d.B.) nicht dazu genutzt wurde, um die Unabhängigkeit des ORF zu stärken und diesen zu "entpolitisieren". Während SPÖ und NEOS in diesem Zusammenhang etwa eine Gremienreform im Auge haben, will die FPÖ den ORF komplett neu aufstellen. Zudem pochen die Freiheitlichen weiterhin auf eine gänzliche Abschaffung der "ORF-Zwangsgebühren". Auch ein Aus für Kettenverträge für ORF-Mitarbeiter:innen, die dauerhafte Absicherung des ORF-Spartensenders Sport+ und die Abschaffung des Binnen-I gehörten zu den Anliegen der schließlich vertagten bzw. abgelehnten Entschließungsanträge.

Seitens der Regierungsparteien zeigten sich ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger und seine Kollegin von den Grünen, Eva Blimlinger, mit dem Gesetzespaket zufrieden. Es sei "wirklich ein großes Stück gelungen", hielt Blimlinger fest. Bei den Verhandlungen sei es nicht nur um die Erhaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags und eine günstigere Lösung für Gebührenzahler:innen gegangen, betonte Kurt Egger, auch der Erhalt der Medienvielfalt in Österreich sei der ÖVP ein wesentliches Anliegen gewesen.

Medienministerin Susanne Raab wies darauf hin, dass es zu einer deutlichen Reduzierung des ORF-Beitrags kommen wird, was für 2,9 Millionen Menschen eine Entlastung bringe. Gleichzeitig würden die Beitragszahler:innen von einem erweiterten Digital-Angebot profitieren. Man habe aber auch den Medienmarkt als Ganzes im Blick gehabt, versicherte Raab und wies auf neue Kooperationsmöglichkeiten zwischen ORF und Privatsendern sowie die vorgesehenen Einschränkungen für die "blaue Seite" hin.

Vor den Beratungen über die Gesetzesnovelle hatten die Abgeordneten Gelegenheit gehabt, mit Experten über das neue Finanzierungsmodell für den ORF zu diskutieren (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 699/2023). Basis dafür bildete ein Volksbegehren zur Abschaffung der ORF-Gebühren.

Monatlicher ORF-Beitrag von 15,3 € ab 2024

Anlass dafür, die Finanzierung des ORF auf neue Beine zu stellen, ist ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs. Er hat die bestehende GIS-Gebühr als gleichheitswidrig gewertet, da Zuschauer:innen ohne klassisches TV-Gerät die ORF-Programme kostenlos streamen können. Ab 2024 müssen in diesem Sinn alle Haushalte, anknüpfend an den Hauptwohnsitz, den neuen ORF-Beitrag zahlen, wobei bestehende Befreiungen – etwa für Sozialhilfe-Empfänger:innen, Pflegegeldbezieher:innen und Studierende – grundsätzlich aufrecht bleiben. Zudem werden auch Lehrlinge vom ORF-Beitrag befreit. Zuständig für die Einhebung des Beitrags wird die ORF-Beitrags Service GmbH sein, die aus der GIS hervorgeht.

Die Höhe des ORF-Beitrags wird für die Jahre 2024 bis 2026 mit monatlich 15,3 € festgelegt, was deutlich weniger als die bisherigen 18,59 € ist. Gleichzeitig verzichtet der Bund künftig auf den Kunstförderungsbeitrag, der derzeit gemeinsam mit der GIS-Gebühr eingehoben wird. Der daraus resultierende Einnahmenausfall für den Kulturbereich wird aus dem Budget ersetzt. Weiterhin möglich bleibt die Einhebung von Landesabgaben mit dem ORF-Beitrag, wobei die Höhe derzeit je nach Bundesland variiert und einige Bundesländer explizit darauf verzichten. In weiterer Folge wird der ORF-Stiftungsrat für die Festlegung der Höhe des ORF-Beitrags zuständig sein, basierend auf einem entsprechenden Antrag des Generaldirektors und nach Maßgabe der wirtschaftlichen Erfordernisse.

Unternehmer werden für jede Gemeinde, in der sie zumindest eine Betriebsstätte haben, einen Beitrag leisten müssen, wobei die Höhe gestaffelt ist und von der Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer abhängt. Maximal werden Unternehmen mit einer Betriebsstätte 50 ORF-Beiträge und Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten 100 ORF-Beiträge zu zahlen haben. Eine Befreiung von der Kommunalsteuerpflicht löst auch eine Befreiung vom ORF-Beitrag aus.

Sport+ und Radiosymphonieorchester bis Ende 2026 gesichert

Da der neue ORF-Beitrag nicht der Umsatzsteuer unterliegt und der ORF somit künftig keine Möglichkeit mehr hat, einen Vorsteuerabzug geltend zu machen, sieht der Gesetzentwurf zusätzlich staatliche Kompensationszahlungen an den ORF in zweistelliger Millionenhöhe vor, die allerdings an zahlreiche Auflagen geknüpft sind. So wird der ORF etwa dazu verpflichtet, den Spartenkanal Sport+ bis Ende 2026 linear via Satellit auszustrahlen und die Berichterstattung über Randsportarten bzw. regionale Sportevents in seinen "Hauptprogrammen" bis Ende 2028 sukzessive auf jährlich 75 Stunden auszuweiten. Auch muss das Angebot an barrierefrei zugänglichen Sendungen und an Sendungen in Volksgruppensprachen erhöht werden sowie der Anteil an Eigen- und Co-Produktionen im Spartenprogramm ORF III kontinuierlich steigen. Ebenso ist der Fortbestand des Radiosymphonieorchesters bis Ende 2026 sicherzustellen. Ab 2027 soll das Sport-Spartenprogramm online bereitgestellt werden.

Für den Fall, dass der ORF in einem Kalenderjahr weniger als 8 Mio. € für das Film-Fernseh-Abkommen zur Verfügung stellt, ist der Differenzbetrag von den ORF-Gebühren direkt einzubehalten.

Sparauflagen für den ORF

Ergänzend zu den oben genannten Auflagen ist der ORF angehalten, durch Strukturmaßnahmen Kosten substantiell und nachhaltig zu senken. Das betrifft sowohl die operativen Personalkosten als auch die Sachkosten. Zudem soll die Produktionseffizienz durch innovative Produktionsmethoden gesteigert werden. Geprüft wird die Umsetzung dieser Vorgaben durch die KommAustria.

Davon unabhängig sieht der Entwurf darüber hinaus gesetzliche Eingriffe in Ansprüche von ORF-Mitarbeiter:innen vor. Das betrifft etwa die Begrenzung besonders hoher Abfertigungen und das schrittweise Aus für die Wohnungs-, Familien- und Kinderzulage bis Ende 2026, wobei es Übergangs- und Ausgleichsregelungen gibt. Gleichzeitig wird der Pensionssicherungsbeitrag teilweise angehoben, was zu einer Kürzung von Sonderpensionen führt.

Transparenzbericht mit Offenlegung von Gehältern

Gesetzlich vorgeschrieben wird dem ORF auch die jährliche Vorlage eines Transparenzberichts. Darin sind unter anderem die Bruttogehälter für ORF-Mitarbeiter:innen darzustellen, und zwar aufgegliedert nach bestimmten Einkommenskategorien sowie nach Arbeitgeber, Altersgruppen und Geschlecht. Bei Brutto-Jahresgehältern über 170.000 € sind auch die Namen der betreffenden Personen anzugeben und Einnahmen aus Nebenbeschäftigungen anzuführen. Ebenso müssen u.a. Werbe- und Sponsoringeinnahmen, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Programmen und den einzelnen Online-Angeboten, Ausgaben für Eigenmarketing, Reichweiten und Ausgaben für Beraterverträge im Transparenzbericht angeführt werden.

Erweiterung des digitalen Angebots

Um den ORF, wie es in den Erläuterungen heißt, "konkurrenzfähig zu halten", wird ihm eine Ausweitung des Online-Angebots ermöglicht. So ist es dem ORF künftig etwa gestattet, Videos und Audiobeiträge in bestimmtem Umfang ausschließlich für das Online-Angebot zu produzieren und Sendungen schon vor der Ausstrahlung online zur Verfügung zu stellen. Außerdem entfällt die Sieben-Tages-Frist für die Mediathek.

Ausschließlich online bereitgestellt werden dürfen künftig etwa Sendungen aus den Bereichen Information, Kultur und Sport, letzteres allerdings auf Sportarten und Sportbewerbe beschränkt, denen in der österreichischen Medienberichterstattung üblicherweise kein breiter Raum zukommt. Online-only-Nachrichtensendungen dürfen dabei die Dauer von 20 Minuten und einzelne Nachrichtenbeiträge die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten. Außerdem ist die Anzahl von Online-only-Sendungen auf maximal 80 pro Woche beschränkt. Ausnahmen gibt es für Live-Sportübertragungen. Das Gesetz sieht außerdem einen eigenen Online-Kinderkanal mit einem qualitativ hochstehenden und pädagogisch wertvollen Sendungs-Mix vor.

Bis zu 24 Stunden vor der Ausstrahlung online angeboten werden dürfen Eigen- und Co-Produktionen aus den Kategorien Information, Kultur, Unterhaltung und Sport. Nachrichtensendungen sind davon allerdings ausdrücklich ausgenommen.

Wie lange Sendungen künftig in der ORF-TVthek abrufbar sein werden, hängt von der Art der Sendung ab. So dürfen etwa Eigen- und Co-Produktionen des ORF sechs Monate bereitgestellt werden. Für Nachrichtensendungen und Sportübertragungen im Bereich des Premiumsports gilt eine Frist von 30 Tagen. Zeitlich unbegrenzt verfügbar gemacht können Archive mit zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten, Dokumentationen und Kindersendungen.

Beschränkungen für orf.at

Im Gegenzug muss der ORF die Textmeldungen auf der Überblicksseite von orf.at, der sogenannten "blauen Seite", auf maximal 350 pro Woche reduzieren. Diese sind außerdem auf "nachrichtenmäßige Kurzberichterstattung zur Vermittlung des wesentlichen Informationsgehalts" beschränkt und dürfen nicht mehr als 30 % des Angebots umfassen. Die übrigen 70 % sind audiovisuellen Beiträgen wie Videos vorbehalten. Gleichzeitig wird weiterhin gelten, dass sich das Online-Angebot des ORF von jenem privater Medienunternehmen deutlich zu unterscheiden hat. Gesonderte Überblicksberichterstattung auf Bundesländerebene ist zulässig, allerdings eingegrenzt auf 80 Meldungen pro Bundesland und Kalenderwoche.

Vorgesehen sind überdies weitere Werbebeschränkungen für den Online- und Radio-Bereich sowie ein Verbot von Behavioral- und Geo-Targeting, also maßgeschneiderter Online-Werbung.

Angebot für Dritte

Auf seiner Online-Plattform hat der ORF, wenn das gewünscht wird und gegen eine entsprechende Kostenerstattung, auch Programme von privaten Hörfunk- und Fernsehveranstaltern bereitzustellen. Außerdem wird privaten TV-Sendern das Recht eingeräumt, aktuelle ORF-Sendungen ausschnittsweise zu verwenden sowie bestimmte vom ORF ausgewählte Sendungen mit Österreich-Bezug aus den Bereichen Dokumentation, Reportage und Fiktion, deren Erstausstrahlung mindestens fünf Jahre zurückliegt, auszustrahlen. Das diesbezügliche Angebot des ORF muss 1.000 Minuten pro Jahr umfassen, zudem ist die Hälfte der Produktionen jährlich zu erneuern.

Anliegen der Opposition

Mitverhandelt mit der Regierungsvorlage wurden zahlreiche Entschließungsanträge der Opposition, die zum Teil vertagt und zum Teil abgelehnt wurden. So machten sich SPÖ und NEOS in einer gemeinsamen Initiative für eine Stärkung der Unabhängigkeit des ORF und eine Erweiterung des digitalen Angebots des ORF stark (2480/A(E)). Es brauche optimale Rahmenbedingungen für kritischen und engagierten Journalismus, heißt es unter anderem in der Initiative. Der SPÖ sind außerdem ein Aus von Kettenverträgen für ORF-Mitarbeiter:innen (3219/A(E)) und die Erhaltung des ORF-Spartensenders Sport+ (3164/A(E)) ein Anliegen. Weitere Anträge der NEOS zielten auf eine Schärfung und Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF unter Einbindung der Zivilgesellschaft (3204/A(E)), eine "echte" Entpolitisierung des Senders samt Neuaufstellung des Stiftungs- und des Publikumsrats (3390/A(E)) und die Abschaffung der in manchen Bundesländern mit der ORF-Gebühr eingehobenen Landesabgaben (3393/A(E)) ab.

Die FPÖ hatte in Entschließungsanträgen unter anderem eine Abschaffung der ORF-Gebühren (2003/A(E)) und ein Verbot des ihrer Meinung nach ideologisch motivierten Binnen-I im öffentlich-rechtlichen Sender (1910/A(E)) gefordert. Zudem übt sie massive Kritik an der COVID-19-Berichterstattung des ORF (2335/A(E)) sowie an einem "Maulkorb-Erlass" zum neuen Finanzierungsmodell des ORF (3354(A(E)), mit dem ORF-Generaldirektor Roland Weißmann und FM4-Chefin Doroteja Gradištanac ihrer Meinung nach in die Unabhängigkeit der journalistischen und programmgestaltenden Mitarbeiter:innen des ORF eingegriffen haben.

ÖVP: Mehr Angebot für Gebührenzahler:innen bei geringerem Beitrag

Im Rahmen der Debatte hielt ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger fest, dass seine Fraktion bei den Verhandlungen großen Wert darauf gelegt habe, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag erhalten bleibe und dass es für die Gebührenzahler:innen günstiger werde. Zudem sei klar gewesen, dass sich das fortschreitende digitale Zeitalter im ORF-Gesetz niederschlagen müsse. Im Ergebnis würden die Beitragszahler:innen nun ein größeres Angebot bei gleichzeitig niedrigeren Gebühren zur Verfügung haben. Auch der vorläufige Erhalt des Spartensenders Sport+ und des Radiosymphonieorchesters wurde von Egger hervorgehoben.

Die Regierung werde aber auch darauf schauen, dass die vorgegebenen Sparmaßnahmen vom ORF eingehalten und "Privilegien" beseitigt werden, versicherte Egger. Zudem halte es die ÖVP für wichtig, die Medienvielfalt in Österreich zu erhalten und privaten Medienhäusern weiterhin zu ermöglichen, qualitativ hochwertigen Journalismus anzubieten. In diesem Sinn begrüßte er die Einschränkung der "blauen Seite" ausdrücklich.

Zu den Forderungen der Opposition nach einer Stärkung der Unabhängigkeit des ORF und einer Gremienreform meinte Egger, es gelte vorerst einmal abzuwarten, wie die vorliegende Novelle wirke. Zudem warf er der FPÖ Populismus vor. In die Landesabgaben will sich der Bund ihm zufolge nicht einmischen, das sei Ländersache. Zum Spartensender Sport+ nahm auch ÖVP-Abgeordneter Karl Schmidhofer Stellung: Er verwies auf konstruktive Gespräche mit den Sportverbänden und machte geltend, dass in der Digitalisierung und im Streaming auch die Chance bestehe, die Sport-Berichterstattung zu verbessern.

Grüne: Neues ORF-Gesetz passt ins 21. Jahrhundert

Zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis zeigte sich auch Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger. Es sei erfreulich, "dass wir das Gesetz heute im Ausschuss haben", mit der Regierungsvorlage sei "wirklich ein großes Stück gelungen", sagte sie. Der ORF werde ein "digitales Multi-Channel-Unternehmen", das in das 21. Jahrhundert passe.

Was die "blaue Seite" betrifft, räumte Blimlinger ein, dass die Grünen "gerne mehr gehabt hätten". Man habe aber einen Kompromiss gefunden. Zudem wies sie auf die neue Möglichkeit von Online-only-Angeboten des ORF hin. In die Landesabgaben will sich Blimlinger – wie die ÖVP – nicht einmischen, in Bezug auf die Unterbindung von benachteiligenden Kettenverträgen sieht sie die ORF-Betriebsrät:innen gefordert. Es brauche aber eine gewisse Flexibilität, ist sie überzeugt.

In Bezug auf die geforderte Gremienreform verwies Blimlinger auf das laufende Verfahren beim VfGH. Zudem stehe das Vorhaben nicht im Regierungsprogramm, hielt sie in Richtung Opposition fest. Dass Pharmafirmen, die einen neuen Impfstoff entwickelt haben, in einer Wissenschaftssendung vorkommen, hält sie – anders als die FPÖ – für grundsätzlich unproblematisch.

SPÖ kritisiert Einschränkungen für die "blaue Seite"

Massive Kritik an den vorgesehenen Einschränkungen für orf.at äußerte SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger. Das Angebot von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann an die privaten Medienhäuser komme einer "Zerstörung" der "blauen Seite" zu Lasten der ORF-Gebührenzahler:innen gleich, sagte er und sprach von einem "Kartell", dem die KommAustria Einhalt gebieten müsse. Die Begrenzung der Textnachrichten stehe dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung entgegen.

Stöger und sein Fraktionskollege Christian Drobits drängten außerdem darauf, die Kettenverträge beim ORF abzuschaffen. Stöger hält es für eine "Unsitte", dass dem ORF ein gesetzliches Sonderarbeitsrecht für Mitarbeiter:innen zugestanden wird, das vom allgemeinen Arbeitsrecht abweiche. Das schade nicht nur den Mitarbeiter:innen, die, so Stöger, "mit Kettenverträgen geschunden werden", sondern auch dem Unternehmen. Er hat außerdem kein Verständnis dafür, dass mit dem neuen ORF-Gesetz in Arbeitsverträge eingegriffen werde. Drobits plädierte darüber hinaus dafür, den Spartensender Sport+ nicht nur bis Ende 2026, sondern dauerhaft zu erhalten.

FPÖ: ORF gehört aufgelöst und neu errichtet

Scharfe Kritik am ORF selbst übte FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker. Dieser gehöre aufgelöst und "auf der grünen Wiese neu errichtet", meinte er und bemängelte unter anderem die Berichterstattung zur Zeit der Corona-Pandemie. Weder die Propagierung des "Impfzwangs" noch das Verbreiten von "Impf-Lobbyismus" seien mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag vereinbar gewesen. Zudem greife im ORF "ein unglaublicher Genderwahn" um sich, so Hafenecker. Der Fall Ziegler hat ihm zufolge überdies gezeigt, dass die ÖVP den ORF "als politisches Tool verwendet".

Auch die vorliegende Gesetzesnovelle erachtet Hafenecker "für vollkommen falsch aufgesetzt". Die neue Haushaltsabgabe ermögliche es dem Sender, "seinen Priviliegienstadl weiterzuführen", beklagte er. Gleichzeitig nehme man Haushalten die Möglichkeit, sich vom ORF abzumelden, um so in Zeiten der Teuerung zu sparen, hielt seine Parteikollegin Petra Steger ergänzend fest. Hafenecker vermisst zudem die Entfernung der seiner Meinung nach "unseligen Regelung", dass ORF-Landesdirektor:innen von den jeweiligen Landeshauptleuten "abgenickt" werden müssten. Was die Landesabgaben betrifft, habe die FPÖ in Niederösterreich eine Abschaffung erreicht, erklärte der Abgeordnete.

Für die dauerhafte Fortführung des Spartensender Sport+ warb FPÖ-Abgeordnete Petra Steger. Gerade für kleine Sportvereine seien TV-Übertragungen wichtig, weil man nur so Sponsoren gewinnen könne, gab sie zu bedenken. Das wiederum ermögliche diesen die Teilnahme an internationalen Wettbewerben. Online-Streaming ist für Steger kein gleichwertiger Ersatz. Zudem fragt sie sich, welche Einsparungen die Umstellung auf ein Online-Angebot bringen soll.

NEOS fordern Gremienreform

Um die Unabhängigkeit des ORF zu stärken, hält NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter eine Gremienreform unter Einbindung der Zivilgesellschaft für unumgänglich. Gerade in Zeiten, wo die Legitimität öffentlich-rechtlicher Sender in vielen Ländern hinterfragt werde, sei die Politik gefordert, meinte sie. Eine Stärkung der Unabhängigkeit des ORF würde ihrer Ansicht nach sowohl dem ORF als auch dem Medienstandort helfen. Mit der vorliegenden Novelle habe man das jedoch verabsäumt.

Brandstötter vermisst überdies eine vertiefte Debatte über die "blaue Seite" des ORF. Ihrer Meinung nach hängt die in Österreich verhältnismäßig geringe Zahlungsbereitschaft für Online-Medienangebote auch damit zusammen, dass es ein großes Gratisangebot wie die "blaue Seite" gibt. Man müsse die Auswirkungen auf den pluralistischen Medienmarkt beachten. Eine gänzliche Abschaffung der Seite sei nicht ihr Ziel, hielt Brandstötter entsprechenden Vorhaltungen von Blimlinger entgegen. Was die Möglichkeit für Online-only-Inhalte betrifft, betonte Brandstötter, der ORF müsse dort hingehen, wo die Jugend sei. Zudem pochte sie auf eine Abschaffung der Landesabgaben.

Raab: ORF-Beitrag wird deutlich reduziert

Medienministerin Susanne Raab machte geltend, dass der ORF-Beitrag deutlich reduziert werde. Das bringe eine "massive Entlastung" für 2,9 Millionen Menschen, sagte sie. Gleichzeitig werde der ORF zur Abschaffung von Sonderprivilegien und zu mehr Transparenz, etwa bei den Gehältern, verpflichtet. Auch sei es der Regierung wichtig gewesen, die Kontrollmöglichkeiten der KommAustria zu stärken. Insgesamt liege "ein gutes Gesamtpaket" vor, das dem verfassungsrechtlichen Auftrag entspreche und den Medienmarkt als Gesamtes im Blick habe.

Was die Ausweitung des Digital-Angebots anlangt, verwies Raab auf die Abschaffung der 7-Tages-Frist in der ORF-TVthek, die sie als altes Relikt bewertete. Das sei auch im Sinne der Zuschauer:innen. Auch glaubt sie, dass das Online-only-Angebot, etwa für Kinder, gut angenommen werden wird. Die vorgesehenen Werbebeschränkungen hält sie im Sinne der Wettbewerbsgleichheit für richtig.

Zur "blauen Seite" merkte Raab an, der ORF sei vorrangig eine Rundfunkanstalt. Zudem sei jetzt schon im ORF-Gesetz festgeschrieben, dass die "blaue Seite" keine vertiefende Berichterstattung bieten und nicht mit Tages- und Wochenzeitungen vergleichbar sein dürfe. Diese gesetzliche Vorgabe würde mit der Einschränkung des Textangebots und der Festlegung des Verhältnisses zwischen Video zu Audio lediglich "nachgeschärft". Raab verwies außerdem darauf, dass mehr Kooperation zwischen dem ORF und Privaten vorgesehen sei.

Die Entschließungsanträge, die sich auf die Erhaltung des ORF-Spartensenders Sport+, die "Genderideologie" des ORF, die Abschaffung der "Zwangsgebühren", den "Maulkorb-Erlass" des ORF und die Schärfung und Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF unter Einbindung der Zivilgesellschaft forderten, wurden vom Verfassungsausschuss abgelehnt, die weiteren Initiativen vertagt.

Lockerung von Beschränkungen für Privatradio-Veranstalter

Einstimmig hat der Verfassungsausschuss eine von den Koalitionsparteien vorgeschlagene Novelle zum Privatradiogesetz und zum Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz angenommen (3438/A),

mit der einige geltende Beschränkungen für Betreiber von Privatradios gelockert werden. Damit soll zum einen der Ausbau des Angebots an digitalen Radioprogrammen beschleunigt und zum anderen Betreibern von privaten Radiosendern die Finanzierung ihrer Programme erleichtert werden.

Neben einem analogen terrestrischen Programm werden einzelne Personen bzw. Personengesellschaften in einem Versorgungsgebiet demnach künftig bis zu sechs – anstatt wie derzeit zwei – digitale terrestrische Hörfunkprogramme ausstrahlen können, wobei gleichzeitig nicht mehr als 20 % der auf einer Multiplex-Plattform zur Verfügung stehenden Datenrate belegt sein dürfen. Das gleiche gilt für Medienverbünde, die neben den nunmehr bis zu sechs digitalen terrestrischen Radioprogrammen weiterhin maximal zwei analoge terrestrische Radiosender und maximal ein Drittel der an diesem Ort empfangbaren terrestrischen TV-Sender betreiben dürfen.

Weiters wird die Maximalzahl der Einwohner:innen, die von Programmen eines Medienverbunds erreicht werden dürfen, an die Bevölkerungsentwicklung angepasst.

In den Erläuterungen zum Antrag machen die Antragsteller:innen geltend, dass die gesetzliche Beschränkung auf zwei digitale terrestrische Hörfunkprogramme desselben Veranstalters im selben Versorgungsgebiet noch aus dem "analogen Zeitalter" stamme und heute nicht mehr zeitgemäß sei. Durch DAB+, 5G-Broadcast und digitale Streamingkanäle hätten sich die Ausspielkanäle vervielfacht und die davor durch beschränkte Frequenzkapazitäten bestehende Gefahr der Dominanz einzelner Veranstalter verringert. Zudem wird auf die sehr zögerliche Entwicklung von digitalem terrestrischen Hörfunk in Österreich und wirtschaftlichen Druck auf Radioveranstalter verwiesen. Die Programmvielfalt sei durch die Lockerungen nicht bedroht, zumal die Regulierungsbehörde weiterhin angehalten sein soll, auf Programm- und Meinungsvielfalt Bedacht zu nehmen.

Kurt Egger (ÖVP) sprach im Ausschuss von einem Zukunftssignal für das digitale Privatradio. Digitalradio an sich sei in Österreich im Vormarsch, mit der Novelle würden die Rahmenbedingungen für eine weitere Belebung gesetzt. Auch Eva Blimlinger (Grüne) sieht die Maßnahmen als wichtigen Schritt für die Zukunft des Hörfunkzeitalters, für das es mehr Sendeplätze brauche. Christian Lausch (FPÖ) signalisierte seine Zustimmung, weil auch der Verband der Privatsender deutlich gemacht habe, dass die Novelle eine wichtige Weichenstellung darstelle. Aus Sicht von Henrike Brandstötter (NEOS) wird mit der Novelle eine erweitere Möglichkeit für Marktteilnehmer geschaffen, ohne andere auszuschließen. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs/mbu